Society 365 / 2014
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LIFE & STYLE<br />
INTERVIEW<br />
Sie sind selbst international tätig. Können Sie<br />
Ihre Kontakte im Sinne Österreichs nutzen?<br />
Wir Österreicher können unseren guten Ruf<br />
und Namen dazu verwenden, Patienten nach Österreich<br />
zu führen. Es kommt oft vor, dass ausländische<br />
Kollegen ihre Patienten zu uns schicken.<br />
Viele Patienten im Ausland fragen auch an, wo<br />
sie am besten behandelt werden können. Da kann<br />
man Kollegen in Österreich weiterempfehlen. Österreich<br />
als kleinem, neutralem Land kommt viel<br />
Sympathie entgegen. Die Politik hat aber auch die<br />
Verpflichtung, die Leistung unserer Medizin mitzutragen.<br />
Gibt es auch konkrete Projekte, um Patienten<br />
nach Österreich zu führen?<br />
Ich kann zwei Beispiele nennen: In Sarajewo<br />
entsteht gerade eine Poliklinik mit Unterstützung<br />
der bosnischen Regierung und österreichischer<br />
Mitfinanzierung. Ziel ist es, dass Patienten, wenn<br />
es notwendig ist, nach Österreich gebracht werden.<br />
Dasselbe Projekt läuft in der Hauptstadt von<br />
Aserbaidschan, Baku, und deckt somit den gesamten<br />
Kaukasus-Bereich ab. Ähnliche Projekte laufen<br />
in Moskau, Dubai und Bukarest. Auch hier sollen<br />
Patienten, die es möchten, nach Österreich zur Behandlung<br />
gebracht werden.<br />
Welche Fortschritte macht die Urologie?<br />
In der Diagnostik und der Technik hat sich<br />
enorm viel getan. Dazu ist auch zu sagen, dass die<br />
Urologie ihren Ursprung in Europa hat und viele<br />
Neuerungen, auch wenn sie dann in den USA weiterentwickelt<br />
wurden, hier in Europa ihren Ursprung<br />
haben, z. B. die Roboterchirurgie aber auch<br />
vieles zum Thema Bildgebung und Biomarker.<br />
Wie wichtig ist die Technik in der Urologie?<br />
Da die Urologie ein chirurgisches Fach ist, ist<br />
Technik ein wesentlicher Aspekt. Viele der jüngsten<br />
Neuerungen gibt es rein auf dem Gebiet der<br />
Instrumente. Vor fünfzig, sechzig Jahren hat man<br />
Operationstechniken erfunden, die heute noch so<br />
durchgeführt werden, während es heute darum<br />
geht, neue Instrumente für diese Operationstechniken<br />
zu entwickeln.<br />
Was raten Sie jedem Mann im Hinblick auf<br />
die Voruntersuchung?<br />
Es ist heute Standard, mit 45 Jahren zum Checkup<br />
zu gehen. Anhand dieser Erstuntersuchung<br />
kann man feststellen, ob man ein Risikopatient ist<br />
oder nicht. Davon hängt dann ab, ob man häufiger<br />
zu weiteren Untersuchungen kommen muss oder<br />
nur alle fünf bis sechs Jahre.<br />
»Österreich<br />
bietet eine<br />
hochqualitative<br />
Spitzenmedizin.<br />
«<br />
Dr. Bob<br />
Djavan<br />
INFO<br />
EUROPEAN<br />
ASSOCIATION OF<br />
UROLOGY (EAU)<br />
Die EAU ist die den führende<br />
Fachgesellschaft<br />
für Urologie welweit. Ihre<br />
Aufgabe ist die Ausbildung,<br />
Forschung und Informationsverbreitung<br />
zum Thema<br />
Urologie.<br />
CURRICULUM<br />
VITAE<br />
D<br />
r. Bob Djavan ist Professor<br />
für Urologie. Er<br />
studierte Medizin an<br />
der Universität Wien und an<br />
der Southwestern Medical<br />
School der Universität Texas.<br />
Sein Schwerpunkt liegt<br />
auf der urologischen Onkologie<br />
und den Erkrankungen<br />
der Prostata. Er hat mehr als<br />
200 wissenschaftliche Artikel<br />
und Buecher zum Thema<br />
veröffentlicht und zahlreiche<br />
Auszeichnungen für seine<br />
Forschung erhalten. Er ist<br />
Mitglied u.a. der American<br />
Urological Association<br />
(AUA), der European Association<br />
of Urology (EAU)<br />
und der WHO Task Force<br />
gegen Prostatakrebs und im<br />
Vorstand der Europaeischen<br />
Gesellschaft fuer Urologie<br />
sowie Mitglied des Scientific<br />
Committee der EAU.<br />
Wie erkennt die Urologie einen Risikopatienten?<br />
Es gibt verschiedene Möglichkeiten wie z.B. mit<br />
Biomarkern, genetischen Markern, aber auch mit<br />
einfachen Mitteln wie der Familien-Anamnese, die<br />
den Patienten evaluieren. Weiters gibt es Nomogramme<br />
und computer-basierte Systeme, die verschiedene<br />
Parameter kombinieren und somit ein<br />
Risikoprofil erstellen.<br />
Was ist im Kampf gegen den Prostatakrebs bis<br />
heute erreicht worden?<br />
Man entdeckt den Prostatakrebs wegen der<br />
besseren Diagnostik heute früher, daher ist die<br />
Mortalität gefallen. Die Früherkennung erfolgt<br />
mittlerweile nicht nur mittels Blutabnahme sondern<br />
immer mehr mit Bildgebungstechnik, also<br />
mit speziellen MRTs. Dies hat aber auch eine Kehrseite:<br />
Es werden auch Karzinome entdeckt, die<br />
wahrscheinlich auch ohne Therapie nicht lebensbedrohlich<br />
sind. Die Kunst liegt somit darin, diejenigen<br />
Karzinome zu entdecken, die auch Komplikationen<br />
verursachen können bzw. potentiell<br />
tödlich sind.<br />
Die Therapiemöglichkeiten sind besser und die<br />
onkologischen und funktionellen Ergebnisse wesentlich<br />
besser. Die Roboter Chirurgie hat hier viel<br />
dazu beigetragen.<br />
Was muss noch verbessert werden?<br />
Wir müssen trotz aller Verbesserungen in der<br />
Diagnostik noch lernen, den klassischen Patienten<br />
zu identifizieren. Es gibt die Gefahr des ‚Overtreatment‘,<br />
dass man zu viel behandelt, etwa dass man<br />
Karzinome findet, die nie ein Problem werden.<br />
Wie ist das zu verstehen?<br />
Es geht darum, die ‚insignificant cancers‘ zu<br />
identifizieren, die dem Patienten nichts tun. Man<br />
bietet diesen Patienten dann eine engmaschige<br />
Kontrolle an aber keine Operation.<br />
Ist der Prostatakrebs vor allem genetisch bedingt?<br />
Nur zehn bis zwölf Prozent aller Prostatakarzinome<br />
sind genetisch bedingt, d. h. durch genetische<br />
Risikofaktoren vererbt. Der Rest ist unter anderem<br />
durch die Umstände, wie man lebt z.B. die<br />
Ernährung erworben.<br />
Was ist Ihr abschließendes Wort?<br />
Als Urologen liegt mir sehr viel an der Männervorsorge,<br />
um die Lebensqualität zu verbessern<br />
und das Prostatakarzinom zu bekämpfen. •<br />
Prof. Bob Djavan, Empfänger<br />
des Ehren-Medaillons der<br />
Asiatischen Urologisch-<br />
Chirurgischen Gesellschaft<br />
SOCIETY 1_<strong>2014</strong> | 125