architektur Fachmagazin Ausgabe 5 2019
gruene Architektur - Architektur Fachmagazin - Architekten - 2019 - Projekte - gruener Leben - Naturmaterialien - Planer - Ingenieure - Lesen - Zeitschrift - Bau - Interior Design - Sanitär - Baustoffe - Licht
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69<br />
Vincent Callebaut Architectures<br />
Natürlich beinhaltet die Idee von Architekt Callebaut<br />
auch jede Menge Effizientes zum Thema Energie.<br />
Der Sprössling auf dem Dach soll dazu beitragen, die<br />
Notre-Dame in ein Gebäude zu verwandeln, das mehr<br />
Energie liefert, als sie selbst verbraucht. Durch eine<br />
energietechnische Verbindung mit dem historischen<br />
Körper der Architektur soll der dreidimensionale<br />
Glaskörper die gesamte Elektrizität, Wärme und passive<br />
Ventilation produzieren, die die Kathedrale für<br />
den Betrieb benötigt. Und zwar sowohl mittels passiver<br />
Systeme, wie auch durch die Benutzung erneuerbarer<br />
Energiequellen. Die Holzkonstruktion ist mit<br />
einer dreidimensionalen Glashülle versehen, diese<br />
teilt sich in diamantförmige Elemente. Diese Kristalle<br />
bestehen aus einer organisch aktiven Schicht aus<br />
Kohlenstoff, Hydrogen, Wasserstoff und Sauerstoff –<br />
sie absorbiert Licht und wandelt es in Energie um.<br />
Diese Energie soll in Wasserstoffzellen gespeichert<br />
und direkt an die Architektur zur Nutzung abgegeben<br />
werden.<br />
Um einen Glashauseffekt zu vermeiden sind diese<br />
kristallinen Einheiten (Trägerhüllen) am Boden entlang<br />
der Akroterien des Längs- und des Querschiffes<br />
offen – so erzeugen sie einen natürlichen Luftstrom in<br />
Richtung Turmspitze wie bei einem Windkamin. Diese<br />
natürliche Ventilation - sie funktioniert ähnlich, wie in<br />
einem Termitenbau - sorgt für eine exzellente Luftqualität<br />
im Inneren. Weiters stellt der Turm der Kathedrale<br />
in den Winterzeiten einen thermischen Pufferspeicher<br />
für die warme, aufsteigende Luft dar. Im Sommer dient<br />
er als Generator für frische und kühle Luft durch die<br />
Verdunstungsoberflächen der Pflanzen. So würde der<br />
Bau ein Musterbeispiel einer Öko-Ingenieurskunst und<br />
die Kirche gleichzeitig ein echter Pionier für eine umweltbezogene<br />
Resilienz werden.<br />
In seinem Zentrum stellt das Palingenesis-Projekt einen<br />
Garten, welcher der Kontemplation und Meditation<br />
gewidmet ist, dar. Der Garten hat aber nicht nur<br />
ästhetische, sondern auch ganz praktische Aspekte:<br />
Er soll von Freiwilligen und karitativen Organisationen<br />
betreut werden und den Obdachlosen und ärmsten<br />
Bevölkerungsschichten der Stadt Nahrung zur Verfügung<br />
stellen. Aquaponik und Permakulturen können<br />
bis zu 25 Kilo Früchte pro m 2 produzieren. Also wäre<br />
eine Ernte von bis zu 21 Tonnen Gemüse und Früchte<br />
pro Jahr auf dieser Fläche möglich. Ein Wochenmarkt<br />
könnte im Vorhof der Notre-Dame stattfinden und für<br />
die direkte Verteilung sorgen. Diese urbane Farm liegt<br />
über dem Kreuzungspunkt der Kirchenschiffe. Der<br />
geometrische Garten „à la française“ lässt Grünpflanzen<br />
entlang der Ost-West-Richtung wachsen und<br />
nord-süd-gerichtet sind die Fischteiche angeordnet.<br />
In deren Wasserfläche würden sich auch die Rosettenfenster<br />
der beiden Stirnseiten spiegeln.<br />
Die Öffnung in der Mitte des Gewölbes, die durch den<br />
teilweisen Einsturz während des Feuers entstand, will<br />
der Architekt mit Glas verschließen und so zusätzliches<br />
natürliches Licht in die Mystik des gotischen<br />
Innenraumes leiten. So soll eine Erinnerung an das<br />
schreckliche Feuer und gleichzeitig eine neue „göttliche“<br />
Atmosphäre entstehen.<br />
(rp)