architektur Fachmagazin Ausgabe 5 2019
gruene Architektur - Architektur Fachmagazin - Architekten - 2019 - Projekte - gruener Leben - Naturmaterialien - Planer - Ingenieure - Lesen - Zeitschrift - Bau - Interior Design - Sanitär - Baustoffe - Licht
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
78<br />
Grüne Architektur<br />
Zwei Innenhöfe zum Schutz bestehender Bäume verstärken<br />
dieses Gefühl des Eins-Seins mit der Natur<br />
noch. Gewohnte Denkmuster werden durchbrochen,<br />
der Rhythmus des Wechsels von Innen- und Außenräumen<br />
konzentriert. In seiner Reduktion steht das<br />
Teehaus von TAO für eine moderne chinesische Architektursprache.<br />
Die Kultur des Teehauses an sich kann im asiatischen<br />
Raum auf eine lange historische Tradition zurückblicken.<br />
In China im 20. Jahrhundert aus politischen<br />
Gründen ausgebremst, erwacht dieses kulturelle<br />
Erbe langsam wieder zu neuem Leben. Das Rocknave<br />
Teahouse stellt in seiner Formensprache eine Besonderheit<br />
der Teehaus<strong>architektur</strong> dar, die in China<br />
– im Gegensatz zu Japan – zumeist üppig verziert<br />
zu finden ist. TAO hingegen konzentrieren sich ganz<br />
auf die Natur, auf die Geschichte, eben jene Verlassenheit<br />
des Ortes und verstärken diese Wirkung<br />
noch durch den reduzierten Einsatz von Oberflächen<br />
(Cortenstahl, Stein und Holz) und Strukturen. Im gleichen<br />
Maße stellt die Materialwahl eine direkte und<br />
greifbare Beziehung zur Umgebung dar, die Grenzen<br />
zwischen Gebautem und Landschaft verschwimmen:<br />
Das verrostete Stahldach fügt sich mit seinen schimmernden<br />
Rottönen nahtlos in die leuchtende Erdlandschaft<br />
ein, das Holz der Fensterrahmen nimmt<br />
Bezug auf die umgebende Bewaldung und der Stein<br />
könnte an eben jenen Stellen schon immer genau so<br />
als trutzige Felswand gestanden haben.<br />
Während im Inneren des Teehauses geborgene<br />
Rückzugsräume gerahmt von massiven Steinwänden<br />
und eindrucksvollen Blickwinkeln in den archaischen<br />
Steinbruch Schwere und Erdung suggerieren,<br />
vermittelt der Anblick aus der Ferne eine gewisse<br />
Leichtigkeit. Die klaren horizontalen Linien des Daches<br />
verweben sich mit den grazilen Vertikalen des<br />
Waldes. Der massive tragende Sockel tritt aufgrund<br />
seiner topografischen Lage optisch zurück, das Dach<br />
hingegen erscheint nahezu schwebend, wie eine an<br />
Fäden aufgehängte Plattform inmitten des Waldes.<br />
Das an sich schwere Material Stahl wird so zu einem<br />
gewissen Grad entmaterialisiert und das Gebäude<br />
erhält eine Leichtigkeit. Dieser Eindruck verstärkt<br />
sich noch beim Betreten der Plattform. Wie auf einem<br />
fliegenden Deck eröffnet sich urplötzlich ein<br />
atemberaubender Blick auf die menschengemachte<br />
massive Felswand inmitten der Waldlandschaft des<br />
Tashan Parks. Für die nötige Bodenhaftung bei einem<br />
solchen Anblick sorgen die Baumwipfel, die durch die<br />
Innenhöfe grazil nach oben wachsen und das Aussichtsdeck<br />
in Balance halten.<br />
Ein Ort der Verlassenheit ist auch immer ein Ort der<br />
Zeitreise. Schließlich bedeutet verlassen zu sein, dass<br />
einmal etwas da war. Mit diesem Gedanken im Kopf<br />
erscheint der rostrot verwitterte Cortenstahl plötzlich<br />
nicht mehr nur als Reminiszenz an die natürliche Umgebung,<br />
sondern auch an die Vergänglichkeit oder die<br />
Veränderung unserer Umgebung. Genauso wie sich<br />
die Palisaden vor Ort nach jahrelanger Winderosion<br />
braunrot verfärbt haben, so hat sich die Oberfläche<br />
des Decks im Laufe der Zeit verändert. Aber nicht<br />
nur die äußeren Schichten durchleben im Laufe der<br />
Jahre und Jahrzehnte einen Wandel, auch Orte selbst<br />
verändern und entwickeln sich. Und das nicht unbedingt<br />
gegen, sondern vielmehr im Einklang mit der<br />
Natur. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür stellt<br />
das Teehaus in Weihai dar, in seiner ganzen Schlichtheit<br />
und dabei umso größeren Ausdrucksstärke. TAO<br />
geht es eben immer um die Essenz des Ortes, welche<br />
die Architektur unter Berücksichtigung der örtlichen<br />
Gegebenheiten tief in ihrem kulturellen und ökologischen<br />
Kontext verankern soll.<br />
(lp)