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Berliner Zeitung 01.11.2019

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FREITAG, 1. NOVEMBER 2019 I ANZEIGEN-SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

30 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION I3<br />

in die Freiheit<br />

–30Jahre später erwachen einige ihrer Handlungsorte in Berlin zum Leben<br />

3 F RAGEN AN...<br />

...Peter Kolski<br />

THOMAS WIESENACK, CC BY-SA 3.0 DE ; KULTURPROJEKTE BERLIN UNTER VERWENDUNG EINES FOTOS VON HARF ZIMMERMANN UND<br />

HISTORISCHEN FOTOS VON ANDREAS KÄMP<br />

„Perestroika“ die Grundlagen für<br />

eine neue politische Kultur legt.<br />

Und er führt ins Leipzig des Herbstes<br />

1989: Die Friedensgebete, die<br />

hier seit Jahren stattfinden, werden<br />

ab Anfang Oktober zum Ausgangspunkt<br />

der Montagsdemonstrationen,<br />

bei denen wöchentlich<br />

zehntausende Menschen auf die<br />

Straße gehen.<br />

Doch gerade in Berlin, das machen<br />

die Angebote an den sieben<br />

Orten deutlich, verdichten sich die<br />

Ereignisse besonders. Zum Beispiel<br />

an der Gethsemanekirche,<br />

wo am 7. Oktober 1989 regelrechte<br />

Menschenjagden auf Demonstranten<br />

stattfinden.<br />

Die Stadt ist an diesem Tag<br />

das Epizentrum der Feierlichkeiten<br />

zum 40. Jahrestag der DDR. Von<br />

einer pompösen Tribüne aus wohnen<br />

Staatschef Erich Honecker<br />

und weitere SED-Honorationen<br />

Auf dem Alexanderplatz findet die<br />

größte nicht-staatliche Massenkundgebung<br />

statt, die es in der DDR je<br />

gab. Unter den Rednern finden sich<br />

Vertreter der Opposition, aber auch<br />

der SED-Führung.<br />

Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1984-<br />

0704-400 /CC-BY-SA 3.0<br />

04.11.1989<br />

einer Militärparade zum Jubiläum<br />

bei. Doch wie im Rest des Landes<br />

ist auch in Berlin vielen Menschen<br />

nicht zum Feiern zu Mute. Während<br />

sich die Mitglieder des Politbüros<br />

im Palast der Republik ans<br />

Buffet begeben, rufen draußen<br />

Demonstranten Parolen: „Wir sind<br />

das Volk“ oder „Wir bleiben hier.“<br />

Das klingt wie eine Drohung: Eine<br />

gute Woche zuvor durften DDR-<br />

Bürger, die in die deutsche Botschaft<br />

in Prag geflüchtet waren,<br />

in die Bundesrepublik ausreisen.<br />

Nun fordern sie Reformen, hier<br />

und jetzt. Die Gesprächsbereitschaft<br />

der DDR-Führung hält sich<br />

in Grenzen. Kaum hat der KPdSU-<br />

Vorsitzende Michail Gorbatschow,<br />

der als Reformpolitiker der Hoffnungsträger<br />

vieler Demonstranten<br />

ist, die Feierlichkeiten verlassen,<br />

gibt Stasi-Chef Erich Mielke das<br />

Kommando zum Losschlagen:<br />

06.11.1989<br />

Der Entwurf eines neuen Reisegesetzes<br />

wird veröffentlicht. Vielen<br />

Bürgern gehen die Vorschläge nicht<br />

weit genug, es kommt zu einer<br />

Massendemonstration in Leipzig.<br />

„Jetzt ist Schluss mit dem Humanismus.“<br />

Dynamische Ereignisse<br />

Die Dynamik der Ereignisse zeigt<br />

sich, wenn wenig später ganz andere<br />

Töne angeschlagen werden:<br />

Der am 17. Oktober gestellte Antrag<br />

von mehreren Theaterleuten,<br />

eine Demonstration abzuhalten,<br />

wird genehmigt. Nun ist der Weg<br />

frei für jene legendäre Großdemonstration,<br />

auf der die Hände<br />

des langjährigen HVA-Chefs Markus<br />

Wolf zu zittern beginnen und<br />

auf der auch weitere Vertreter der<br />

bestehenden Ordnung auftreten.<br />

Einer von ihnen wird bald zur zentralen<br />

Figurder Friedlichen Revolution:<br />

Günter Schabowski.<br />

Es ist der Abend des 9. November<br />

1989 und Schabowski,<br />

seit drei Tagen „Sekretär des ZK<br />

der SED für Informationswesen“,<br />

Auf einer Pressekonferenz verkündet<br />

Günter Schabowski, eine neue<br />

Ausreiseregelung sei „ab sofort“<br />

gültig.Tausende <strong>Berliner</strong> stürmen zur<br />

Grenze, die schließlich geöffnet wird.<br />

Die Mauer ist gefallen.<br />

09.11.1989<br />

Bild: Bundesarchiv, Bild 183-<br />

1989-1109-030 /Lehmann,<br />

Thomas /CC-BY-SA 3.0<br />

lädt zur Pressekonferenz. Es geht<br />

um eine neue Übergangsregelung<br />

für die Ausreise aus der DDR.<br />

Schabowski glaubt, ein kurz zuvor<br />

ausgearbeiteter Entwurf sei bereits<br />

bekannt. Indieser falschen<br />

Annahme trägt er der versammelten<br />

Presse und dem Publikum,<br />

das die Konferenz am TV-Bildschirm<br />

und im Radio verfolgt, vor,<br />

dass „es jedem Bürger der DDR<br />

möglich“ sei, „über Grenzübergangspunkte<br />

der DDR auszureisen.“<br />

Als ein Journalist nachhakt,<br />

ab wann diese Regelung gelte,<br />

spricht Schabowski einen legendär<br />

gewordenen Satz: „Das tritt<br />

nach meiner Kenntnis – ist das<br />

sofort, unverzüglich.“ Tausende<br />

Menschen im Ostteil Berlins strömen<br />

daraufhin zur Grenze und<br />

versuchen den verdutzten Sicherheitskräften<br />

Schabowskis Ausführungen<br />

zu verdeutlichen.<br />

Am Grenzübergang Bornholmer<br />

Straße dürfen die ersten Menschen<br />

gegen 21:20 Uhr passieren;<br />

bald werden die Passkontrollen<br />

eingestellt –die Mauer ist offen.<br />

Mittelfristig ist damit das Ende<br />

der DDR besiegelt, die ein knappes<br />

Jahr später der Bundesrepublik<br />

beitritt. Viele der Menschen,<br />

die 1989 auf die Straße gingen,<br />

hatten genau das nicht gewollt, ihnen<br />

schwebte eine Reformierung<br />

des bestehenden Systems vor.<br />

Nicht alle Hoffnungen aus dem<br />

Herbst 1989 sind in Erfüllung gegangen.<br />

Aber vor 30 Jahren wurden<br />

die besten Voraussetzungen<br />

geschaffen, die es jemals gab, um<br />

Deutschland zu gestalten. So geht<br />

es anlässlich des 30. Jubiläums<br />

immer auch um die Inspirationen,<br />

die von den mutigen DDR-Bürgern<br />

bis heute ausgehen.<br />

Wenn Kulturprojekte Berlin nun<br />

an sieben historische Orte lädt,<br />

lässt sich in den nächsten Tagen<br />

auf ihren Spuren wandeln. Wo und<br />

wie welche Veranstaltungen stattfinden<br />

und welche Angebote es<br />

noch geben wird, erfahren Sie in<br />

dieser Beilage!<br />

PhilipAubreville<br />

03.10.1990<br />

Ein knappes Jahr nach dem Fall der<br />

Mauer erfolgt der Beitritt der DDR<br />

zur Bundesrepublik Deutschland. Die<br />

„deutsche Einheit“ ist unter ehemaligen<br />

Oppostionellen umstritten.<br />

Kolski hat mit seiner Firma<br />

BetaRoom die „Mauer-<br />

App“ entwickelt, die per<br />

Augmented Reality auf dem<br />

Smartphone oder Tablet virtuell<br />

erfahrbar macht, wo die Mauer<br />

verlief. Zusätzlich erzählen interaktive<br />

Geschichten vom Leben<br />

mit der Mauer – zur Festivalwoche<br />

gibt es fünf Sonderepisoden!<br />

Die App gibt es kostenlos unter<br />

www.mauar.berlin<br />

Welche Idee<br />

steckt hinter<br />

der MauerApp?<br />

Um das Vergangene<br />

dieser<br />

Stadt für<br />

PRIVAT<br />

die Nachwelt Peter Kolski<br />

erlebbar zu<br />

machen, bietet Augmented Reality<br />

(AR) eine noch nie dagewesene<br />

Form. Man kann durch das Smartphone<br />

das wahrhaftige Gefühl bekommen<br />

vor der Mauer zustehen.<br />

Doch das alleine reichte uns nicht,<br />

um das Gefühl der geteilten Stadt<br />

aufleben zu lassen. Deswegen haben<br />

wir einen AR-Film entwickelt,<br />

bei dem man anhand von zwei Protagonisten<br />

aus Ost und West die<br />

Auswirkungen auf ihr Leben miterleben<br />

kann.<br />

Wie lässt man die heute größtenteils<br />

verschwundene Mauer digital wiederaufleben?<br />

Wir hatten viel Motivation etwas<br />

Nützliches zu schaffen. Es war ja<br />

nicht nur technisch eine große Herausforderung,<br />

sondern bedurfte<br />

jede Menge Recherche. Und den<br />

Pioniergeist, eine neue Kunstform<br />

zu schaffen auf einem Medium,<br />

wo es noch nicht so viel Erfahrung<br />

gibt. Dafür haben wir etliche Versuche<br />

gemach, aber wir haben nie<br />

aufgegeben, da diese App auch ein<br />

Stück unserer <strong>Berliner</strong> Lebensgeschichte<br />

berührt.<br />

Ihre App gibt es seit dem Sommer.<br />

Welches Feedback gab es bislang<br />

und welche Bilanz ziehen Sie selbst?<br />

Letztens hat ein junges Mädchen<br />

durch mein iPad die Mauer in<br />

AR gesehen und mit strahlenden<br />

Augen „WOW“ gesagt. Man konnte<br />

richtig sehen, dass ihr Interesse<br />

für die Geschichte schlagartig auf<br />

eine andere Ebene stieg. Auch gab<br />

es bewegende E-Mails von Leuten,<br />

die sich andie Zeit des geteilten<br />

Berlins zurückversetzt gefühlt haben.<br />

Da diese Art der Erzählung<br />

Neuland ist, findet man immer etwas,<br />

was man noch anpassen will.<br />

Es hat sich jedoch gezeigt, dass<br />

unser Werk richtungsweisend ist.<br />

Die Fragen stellte PhilipAubreville

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