Berliner Zeitung 01.11.2019
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6 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 254 · F reitag, 1. November 2019<br />
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Made in Berlin<br />
BERLINER BEKANNTE<br />
NEU IN DER STADT<br />
So ging das<br />
„Maps“ der<br />
Zwanziger<br />
VonJörg Niendorf<br />
Stellen Sie sich vor, in Ihrer Lieblingsserie<br />
„Babylon Berlin“, die<br />
Ende der 20er-Jahre spielt, röhrt der<br />
Kommissar im Auto gerade die Königgrätzer<br />
Straße entlang –und Sie<br />
einfach mit, zumindest mit dem Finger<br />
auf dem Stadtplan. Wo war gleich<br />
die Königgrätzer? Die Stresemannstraße<br />
hieß einst so,das lernen Sieauf<br />
einem „Pharus“ von 1927. Dort, auf<br />
diesem Stadtplan, gibt es auch noch<br />
den richtigen, intakten Anhalter<br />
Bahnhof, eingezeichnet als markante<br />
Halle,und gleich nebenan liegen zwei<br />
weitere Bahnhöfe, direkt am Potsdamer<br />
Platz. Mit feinen Strichen sind<br />
genauso die Fassaden damaliger<br />
Prunkbauten eingezeichnet – solch<br />
ein Plan ist wirklich eine Fundgrube,<br />
man verliert sich in Details. Kein<br />
Wunder also,dass die Nachdrucke alter<br />
Stadtpläne heute so viele Fans haben.<br />
Pardon: die Reprints eben dieser<br />
Pharus-Pläne. Immer stammt das,<br />
was man heute findet, aus diesem<br />
Verlagshaus. Pharus beherrschte vor<br />
100 Jahren den Markt, es war ein Synonym<br />
für „Stadtplan“. So wie heute<br />
Google Maps.<br />
Pharus-Pläne gibt es seit 1902.<br />
Heute sind sie führend in den Neuauflagen.<br />
Geht man in eine Buchhandlung<br />
und sucht den Tisch mit<br />
der Berlin-Literatur, liegt dort mindestens<br />
einer dieser Reprints. Berlin<br />
1902 oder 1905. Oder „Gross-Berlin“<br />
1927. Oder 1930. „Das sind die gängigsten<br />
und nachgefragtesten von<br />
unseren historischen Plänen“, sagt<br />
Rolf Bernstengel, der Eigentümer<br />
des Verlags.Schon seit den 90er-Jahren<br />
gibt Pharus die neu aufgelegten<br />
Karten heraus, und seitdem ist das<br />
Interesse immer ein Stück weit gestiegen.<br />
Aktuelle Stadtpläne vonBerlin<br />
gibt es natürlich auch im Verlagsprogramm.<br />
2000 digitalisierte Stadtkarten<br />
An die 2000 historische Stadtpläne<br />
aus mehr als hundertJahren Firmengeschichte<br />
hat Bernstengel insgesamt<br />
digitalisiert und archiviert, das<br />
ist der echte Fundus. Schon bald<br />
nach seiner Gründung brachte Pharus<br />
für jede größere deutsche Stadt<br />
einen Plan heraus, ebenso für viele<br />
Städte im Ausland. Solche Karten<br />
kann der Verlag, der heute im Süden<br />
von Schöneberg seinen Sitz hat, auf<br />
Wunsch eines Kunden ausdrucken<br />
und verschicken. Manche Leute interessieren<br />
sich zum Beispiel für die<br />
Vorkriegs-Stadtpläne ihres Heimatortes,wenn<br />
sie eine Familienchronik<br />
schreiben oder für ein Buch recherchieren.<br />
Dann können sie sich ein<br />
Bild der Stadt voneinst machen –so,<br />
wie ein Babylon-Berlin-Serien-Fan<br />
sich auf dem Pharus-Papier das alte<br />
Berlin vorAuge führen kann.<br />
Und was speziell hatte diese Karten<br />
eigentlich damals schon so populär<br />
gemacht? Es waren genau jene<br />
teils klitzekleinen „Vignetten“, die<br />
Verzierungen, die zum Beispiel die<br />
Bahnhöfe als hallenförmige Stationen<br />
zeigten oder kleine, räumlich<br />
gezeichnete Paläste und Kirchen.<br />
Diese Illustrationen waren radikal<br />
neu für einen Alltags-Straßenplan<br />
und wurden bald zum Standard.<br />
Einer der am besten verkauften Jahrgänge:<br />
ein Stadtplan von 1927. JÖRG NIENDORF<br />
Unternehmen im DAX<br />
Oktober 2019<br />
Deutsche<br />
Bank<br />
in Berlin gegründet<br />
in 2019 aufgestiegen<br />
größter Börsenwert<br />
DAX Börsenwert gesamt:<br />
1196 079 Mio.Euro<br />
SAP<br />
Volkswagen<br />
MTU<br />
Im September hätte die Deutsche<br />
Wohnen den Sprung in<br />
den Dax fast geschafft und<br />
wäre damit zu einem der 30<br />
wertvollsten Unternehmen<br />
Deutschlands aufgestiegen. Doch<br />
unter anderem die Diskussion um<br />
Enteignungen und Mietendeckel<br />
machten dem Top-Favoriten auf einen<br />
Platz im Dax einen Strich durch<br />
die Rechnung. DerMünchner Triebwerkhersteller<br />
MTU zog vorbei und<br />
setzte sich an die frei werdende Stelle<br />
des Absteigers Thyssenkrupp.Damit<br />
findet sich im Dax neben Siemens –<br />
dessen Konzernzentrale allerdings in<br />
München ist und nur seinen Zweitsitz<br />
in Berlin hat –kein einziges Unternehmen<br />
aus der Hauptstadt.<br />
Blickt man auf die aktuelle regionale<br />
Verteilung der im Dax gelisteten<br />
Unternehmen, wirdschnell klar:Bayern<br />
und Nordrhein-Westfalen haben<br />
die Nase vorn,während im Osten ein<br />
großes Loch klafft. Dashat, wie so oft,<br />
historische Gründe. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg und der Teilung Berlins<br />
verlegten nahezu alle großen Unternehmen,<br />
die vormals in Berlin gegründet<br />
worden sind, ihren Sitz in<br />
den Westen. Und dasind Deutsche<br />
Bank, Allianz und Co.noch heute.<br />
Nurmit Siemens ist ein aus Berlin<br />
stammendes Unternehmen im Index<br />
enthalten. Und das, seit es den<br />
Deutschen Aktienindex Daxgibt. Als<br />
er 1988 aufgelegt wurde, war außerdem<br />
der <strong>Berliner</strong> Pharmaspezialist<br />
Schering dabei –bis der Konzern im<br />
Jahr 2006 von Bayer übernommen<br />
wurde. Und das war es dann auch<br />
schon mit der <strong>Berliner</strong> Geschichte in<br />
der Top-Börsenliga.<br />
Hauptstadt-Firmen wie Zalando<br />
und Deutsche Wohnen finden sich<br />
hingegen im MDax und SDax, der<br />
zweiten und dritten Liga an der Börse.<br />
BERLIN<br />
Siemens*<br />
89 063<br />
Mio.Euro<br />
Allianz<br />
*Zweitsitz;<br />
Konzernzentrale<br />
in München<br />
Undvon dortaus aufzusteigen, ist gar<br />
nicht so einfach. Diewichtigsten Kriterien,<br />
die die Deutsche Börse vorgibt,<br />
sind die Höhe der Marktkapitalisierung<br />
(Anzahl der Aktien mal Aktienkurs)<br />
und der Börsenumsatz. Allerdings<br />
muss ein potenzieller<br />
Aufsteiger strengereKriterien erfüllen<br />
als ein bestehendes Dax-Mitglied einhalten<br />
muss,umimIndex bleiben zu<br />
können.„Die Deutsche Börse möchte<br />
so ständige Wechsel vermeiden“, sagt<br />
Uwe Streich, Indexanalyst bei der<br />
Landesbank Baden Württemberg<br />
(LBBW).Das macht es zugleich aber<br />
auch potenziellen Neulingen schwer.<br />
Wereserst einmal geschafft hat,<br />
profitiert. „Unternehmen, die im<br />
Dax mitspielen, haben nicht nur<br />
eine viel größere Liquidität, sie sind<br />
natürlich auch im Blickfeld von internationalen<br />
Investoren wie auch<br />
von Arbeitnehmern“, sagt Andreas<br />
von Brevern, Sprecher der Deutschen<br />
Börse. Letztlich also auch ein<br />
Renommeegewinn, um talentierte<br />
Fachkräfte anzuziehen.<br />
Der Sprung in den Dax wird für<br />
mittelgroße <strong>Berliner</strong> Firmen aber<br />
noch eineWeile dauern.„Bei den <strong>Berliner</strong><br />
Unternehmen Zalando,Delivery<br />
Hero oder Rocket Internet brauchen<br />
wir auf absehbareZeit gar nicht über<br />
einen Wechsel vomMDaxinden Dax<br />
Nur zweite Liga<br />
Warum <strong>Berliner</strong> Unternehmen im Dax kaum<br />
zu finden sind –und wann sich das ändert<br />
VonTheresa Dräbing (Text) und Sabine Hecher (Infografik)<br />
MDAX**<br />
Börsenwerte der <strong>Berliner</strong> Unternehmen<br />
MDax Börsenwert insgesamt: 469 808 Millionen Euro<br />
SDAX***<br />
DeutscheWohnen 12 077 Mio. Euro<br />
Zalando 9677 Mio. Euro<br />
Delivery Hero 7970 Mio. Euro<br />
Rocket Internet 3572 Mio. Euro<br />
**60 Unternehmen, die in Bezug auf Marktkapitalisierung<br />
und Böresenumsatz auf die 30 DAX-Unternehmen folgen.<br />
SDax Börsenwert insgesamt: 109 472 Mio. Euro<br />
nachdenken“, ist sich Aktienexperte<br />
Streich sicher.Die Börsenwerte seien<br />
noch zu klein. Wahrscheinlicher wäre<br />
ein erneuter Anlauf der Deutsche<br />
Wohnen.„Die Chance besteht weiterhin“,<br />
so Streich. Jedes Jahr wird der<br />
Dax neu gemischt. Mehr als einen<br />
Wechsel gibt es aber in der Regel<br />
nicht. „Ob dann die Deutsche Wohnen<br />
am Zugist, lässt sich zurzeit nicht<br />
seriös vorhersagen.“ Wahrscheinlicher<br />
würde dieser Fall, wenn ein bestehendes<br />
Dax-Unternehmen ins<br />
Straucheln gerät.<br />
Siemens zumindest sitzt sicher<br />
im Sattel. „Siemens ist eines der<br />
größten deutschen Unternehmen<br />
und wird seinen Platz auch behalten“,<br />
so Streich. Außerdem ist mit<br />
der Energiesparte Gasand Power ein<br />
weiterer Börsengang für 2020 im Gespräch<br />
–und damit womöglich ein<br />
weiterer Hauptsitz in Berlin.<br />
TLG Immobilien AG 2688 Mio. Euro<br />
Hello Fresh SE 2565 Mio.Euro<br />
Eckert &Ziegler Strahlen- und<br />
Medizintechnik AG 787 Mio Euro<br />
Adler Real Estate AG 741 Mio. Euro<br />
***70 Unternehmen,<br />
die auf die 60 MDAX-<br />
Unternehmen folgen.<br />
QUELLE: DEUTSCHE BÖRSE, BOERSE.DE, STAND: 31.10.2019<br />
Wegweiser<br />
für<br />
Nachhaltigkeit<br />
VonTheresa Dräbing<br />
Nachhaltig einzukaufen, ist gar<br />
nicht so einfach. Für Verbraucher<br />
ist kaum ersichtlich, wie viele<br />
Emissionen beispielsweise bei der<br />
Produktion des neuen T-Shirts erzeugt<br />
worden sind oder welches<br />
Smartphone welcher Firma einen<br />
besseren ökologischen Fußabdruck<br />
hat. Ist eine Flasche Wein nachhaltiger,die<br />
zwar aus Europa stammt, dafür<br />
aber mit dem Lkw transportiert<br />
worden ist, als eine,die vonÜbersee<br />
kommt, dafür aber per Schiff?<br />
Das <strong>Berliner</strong> Start-up Earth Ratings<br />
will genau solche Informationen<br />
zugänglich machen. Und zwar<br />
möglichst einfach. Eine Prozentzahl<br />
zwischen eins und hundertsoll künftig<br />
anzeigen, wie nachhaltig ein jeweiliges<br />
Produkt ist. Gerade befindet<br />
sich das Projekt noch in der Beta-<br />
Phase,der Launch der Appist für Februar<br />
kommenden Jahres geplant.<br />
Doch schon jetzt können Nutzer<br />
über die Website erste Produkte suchen<br />
und gegenüberstellen. Einen<br />
Sneaker von Nike zum Beispiel mit<br />
einem Sneaker von Adidas. Optisch<br />
sind die Modelle ähnlich, die Unterschiede<br />
in derWertung vonEarth Ratings<br />
aber deutlich. Während der<br />
Nike-Schuh in Sachen Umweltverträglichkeit<br />
in den Augen von Earth<br />
Ratings 32 Prozent erfüllt, kommt<br />
Adidas auf 68 Prozent.<br />
„Kein Unternehmen kann hundertprozentig<br />
umweltfreundlich arbeiten,<br />
aber wir wollen Verbrauchernein<br />
Mittel geben, um eine bessere<br />
Entscheidung zu treffen“, sagt<br />
Gründer Carsten Roland. Dafür vergleicht<br />
das Start-up nicht nur die<br />
Umweltverträglichkeit, sondern zusätzlich<br />
drei weitereKategorien: Produktqualität,<br />
Produktinnovation<br />
und soziale Innovation der Firma.<br />
„Auch Qualität ist ein Nachhaltigkeitsfaktor“,<br />
sagt Roland. „Wenn ein<br />
Produkt nach zwei Monaten kaputtgeht<br />
und ein neues produziert werden<br />
muss, ist das nicht nachhaltig.“<br />
Bei der Produktinnovation bezieht<br />
Earth Ratings zum Beispiel Nachhaltigkeitsziele<br />
ein, die sich eine Firma<br />
selbst auferlegt hat –wenn sie diese<br />
denn einhält. Undmit sozialen Innovation<br />
sind die Arbeitsbedingungen<br />
der Mitarbeiter gemeint.<br />
Profite für soziale Projekte gedacht<br />
Die Datenrecherche dafür ist aufwendig.<br />
Während einige Unternehmensinformationen<br />
beispielsweise<br />
in Zentralregistern öffentlich zugänglich<br />
sind, greifen die Gründer<br />
bei Daten zu Treibhausgasemissionen<br />
oder dem Wasserverbrauch auf<br />
Recherchen von Drittanbietern wie<br />
Carbon Disclosure Project zurück.<br />
Auch werden Unternehmen direkt<br />
angefragt.<br />
Zwar steht das Start-up noch ganz<br />
am Anfang, doch das Ziel der Gründer<br />
ist es, esletztlich nicht nur bei<br />
Vergleichen für einzelne Produkte zu<br />
belassen. „In Zukunft wollen wir<br />
Nutzern auch beantworten können,<br />
welcher Supermarkt die zufriedensten<br />
Mitarbeiter mit den besten Arbeitsbedingungen<br />
hat oder welches<br />
Restaurant nur erneuerbare Energien<br />
bezieht“, sagt Roland.<br />
Gewinn soll über Provisionen generiert<br />
werden, die das Start-up erhält,<br />
wenn Produkte, die zuvor verglichen<br />
wurden, über die eigene<br />
Website oder App gekauft werden.<br />
Alle Profite sollen an soziale und<br />
nachhaltige Projekte gehen. Doch<br />
das ist noch Zukunftsmusik.<br />
EARTHRATINGS