ramp#49_DE
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
104 Hallo Überraschung! ramp #49
© Matthias Mederer ∙ ramp.pictures
Zeit gut zwei Meter weniger. Über hoch emotionale Gesichtsausdrücke,
gar Tränen der Ergriffenheit beim Beschleunigen hat
sich der Hobby-Philosoph Walter Röhrl ja schon vor Jahren
intensiv Gedanken gemacht. Der Taycan übertrifft das. Bei
ihm fließen die Tränen nicht waagerecht nach hinten ab, der
Taycan zieht dir beim Beschleunigen die Falten glatt. Unser
»Jungbrunnen« ist ein kleiner Flugplatz. Die Landebahn ist
reserviert, ausschließlich für den Tiefieger Taycan. Ein paar
Mal unter Volllast mit Launch Control von null auf hundert,
und wir sehen alle glatt drei bis fünf Jahre jünger aus. In der
Botox-Industrie machen sich erste Sorgenfalten breit. Hört
man. Das Faszinierende an der E-Mobilität made in Zuffenhausen
ist die millisekundenschnelle Ansteuerung jedes
einzelnen Rades, die in der Form bei einem Verbrenner nicht
möglich ist. Wie ein Spürhund erschnüffelt sich jedes der vier
Räder selbstständig so viel Grip, wie es nur finden kann, und
schiebt den Taycan nach vorne. Die Bedingungen sind beinahe
egal. Der Taycan Turbo S braucht bei Regen nur ein Zehntel
länger von null auf hundert als bei idealen trockenen Bedingungen.
Auch eine neue Form der Effizienz. Irgendwie.
Es braucht schon eine äußerst zähe Blockabfertigung an einem
Tunnel in Österreich, um einem das Dauergrinsen im Taycan
wieder aus dem Gesicht zu wischen. Für Abwechslung sorgt ein
Fan. Er fährt Seat, steht zwei Wagen hinter unserem Konvoi.
»Ist das der neue Taycan?« Seine Begeisterung kennt kaum
Grenzen. Er ist ganz aus dem Häuschen. Outet sich als selbsternannter
»größter Porsche Fan überhaupt«. Den Taycan findet er
»sensationell«. Und das, was er über die Performance gelesen
und gesehen habe, sei ja schier unglaublich. Der Fan turnt dann
noch eine ganze Weile überglücklich vor Porsche Freude um uns
herum. Wir wiederum freuen uns über den Taycan. Der Allradantrieb
nimmt einem die Angst vor jedem einsetzenden Schneegestöber
auf der Berg straße. Man fühlt sich intuitiv sicher.
Keine schlechte Einstimmung, wenn man Richtung GP Ice Race
unterwegs ist. Denn auf dem 600 Meter langen Schnee-
Parcours schlittern und driften die Fahrzeuge ein Wochenende
lang über eine 40 cm dicke Eisschicht. Motorsport-Action
»on the rocks«. Und wir dann mittendrin im Highspeed-
Schnee-und-Eis-Spektakel. Enthusiasten unter sich.
Richtig Spaß bereitet dann auf unserem Weg dahin ein abgesperrtes
Testgelände in Österreich. Schneebedeckte Strecken,
Driften im E-Auto lautet die Disziplin. Und Driften mit einem
Allrad. Wir erinnern uns wieder an Walter Röhrl. Als der für
die »Monte« 1984 vom extremen Hecktriebler Lancia 037 in
den Audi quattro umstieg, benötigte auch der Meister einige
Tage, um sich an den Zug von vorn zu gewöhnen. Aber dann
schenkte er den skandinavischen Quattro-Assen Stig Blomqvist
und Hannu Mikkola nicht Sekunden, sondern Minuten
ein. Welche Erkenntnis ziehen wir daraus? Man kann alles
lernen. Einzig die Lernkurve verläuft halt beim einen so, beim
anderen so. Und bei uns? Na ja, sie ist direkt nach unseren
Witzen wahrscheinlich das Flachste hier in den Bergen, wobei
es uns der Taycan einfach macht. Die Dosierbarkeit der Kraft
ist weitaus präziser als bei einem Verbrenner steuerbar – und
das Grip niveau ist besser. Entsprechend hervorragend sind
die Ergebnisse beim reinen Geradeaus-Beschleunigen:
»Zackenbatz!« Das geht dann mal richtig voran.
© Vince Perraud
© Frank Kayser
Doch dann sind da ja noch die Kurven. Und beim Bremsen lässt
sich das Gewicht von 2,3 Tonnen nicht wegentwickeln. Masse
bleibt Masse. Dem Taycan wohnt aber jederzeit eine Leichtigkeit
inne. Es ist eine neue Form der Leichtigkeit, die mehr ein
Zusammenspiel ist aus den Prozessen der Bewegung ganz allgemein:
Beschleunigen, Lenken, Bremsen, es auch mal laufen
lassen, all diese Dinge spielt der Taycan mit einer – geräuscharmer
E-Antrieb hin oder her – gelassenen Ruhe ab, die
spürbar auf das zentrale Nervensystem des Fahrers wirkt.
Wellness beim Gegenlenken, sozusagen.
Und die wahre Kunst beim Allraddriften besteht ja ohnehin
gerade darin, nicht zu lenken. Im Idealfall steht das Lenkrad
nämlich auf zwölf Uhr, während das Fahrzeug quersteht, oder
besser: schiebt und zieht. Alles fein gesteuert über den rechten
Fuß; der linke ruht bei den großen Meistern auf dem
Bremspedal, und hier und da setzt er einen kurzen, aber
bestimmten Impuls, um zu verhindern, was keiner will: das
hämische Grinsen der anderen, während es dich eindreht und
der Taycan sich rückwärts in der Schneebande eingräbt. Es ist
ein im wahrsten Sinne unerhörter Spaß, so mühe- und
ansatzlos über den losen Untergrund zu rutschen. Völlig
geräusch los läuft es dann aber doch nicht ab. Da ist das Scharren
der Reifen über Schnee und Eis, und es gibt den aufpreispflichtigen
Sound, den man auch abschalten könnte. Tatsächlich aber
hilft der bei der Dosierung. Es sind wohl alte Instinkte, die da
bedient werden. Darüber hinaus erinnert der Sound ein bisschen
an den Warp-Antrieb vom Raumschiff Enterprise. Innerlich
ist man also schon mal direkt auf interstellares Raumfahrtabenteuer
vorbereitet. Also, um es mit den Worten von
Captain Kirk zu sagen: »Volle Schubkraft voraus!«
Zum Vergleich stehen auch noch ein paar – darf man das
sagen? – konventionelle Porsche bereit: ein paar 911, heck- und
allradgetrieben, ein GT3 RS, ein GT2 RS und ein 718 GT4,
handgerissen. Freilich ist das eine akustische Wollust, wenn
so ein GT3 RS seinen Sauger Richtung 9.000 Umdrehungen
jagt, aber es verlangt eben auch jede Menge Talent und
Konzentration, um damit scharf um die Ecken zu driften. Da
verspannt der Gesichtsausdruck beim ein oder anderen dann
schon mal, vor allem, wenn es dich zum dritten Mal in der
gleichen Kurve eindreht. Sound hin, Sound her.
Später am Abend dann, in einer bestens gelaunten Runde,
diskutieren wir darüber, ob uns die Evolution diesen Instinkt,
auf den Motorensound zu reagieren, jemals vollends
austreiben wird. Einigkeit herrscht keine. Porsche betont,
dass der Sound aus den natürlichen Prozessen des E-Antriebs
generiert werde, also technisch gesehen tatsächlich echt ist.
Genau wie das Lächeln aller Beteiligten über dieses Wochenende
hinweg.