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ramp#49_DE

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118 Hallo Überraschung! ramp #49 Higgledy Piggledy

Es gibt keinen Plan B

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Wobei es beim Skifahren meistens nur einen oder

zwei Läufe gibt. Im Rennsport gibt es viele Runden,

in denen die Strecke ja immer die gleiche ist.

Jani: Stimmt nicht ganz. Die Strecke ändert sich

von Runde zu Runde. Meistens wird sie schneller.

In der Formel E kann das extrem sein, da es sich

um einen improvisierten Stadtkurs handelt. Das

Grip-Niveau steigt von Runde zu Runde. Am Ende

eines Tages kann so ein Kurs plötzlich dreißig

Sekunden schneller sein, wie in Saudi-Arabien

zum Beispiel. Wobei das schon extrem ist.

Wie viel Erfahrung hat der Skirennfahrer Aksel Lund

Svindal im Auto auf der Rennstrecke?

Svindal: Wenig. Ich bin viele Kilometer Auto

gefahren, aber nur wenig auf der Rennstrecke.

Wenn ich allerdings mit Freunden auf die

Rennstrecke gehe, spüre ich schon, dass ich im

Vergleich zu denen, die keinen Sport treiben,

schneller lerne.

Jani: Weil das Gefühl da ist.

Svindal: Richtig, vor allem das Gefühl für die

schnelle Linie. Lenkrad, Gas, Bremse haben wir

beim Skifahren natürlich nicht, also in diesem

Bereich muss ich schon immer viel lernen, aber

das Gespür für die Linie habe ich im Blut.

Jani: Du warst zwei Mal in Le Mans, stimmt das?

Svindal: Richtig. Und ich bin permanent an der

Rennstrecke geblieben und habe während der 24

Stunden vielleicht rund eine Stunde geschlafen.

Ich war bei vielen Formel 1-Rennen, aber Le Mans

ist schon noch mal etwas ganz Besonderes.

Der Kampf auf der Strecke, mit den Gegnern, der

Tempounterschied zwischen den Prototypen und

den GT-Fahrzeugen. Das sind natürlich Dinge, die

wir beim Skifahren nicht haben.

Was macht diese Ereignisse für Zuschauer nach wie

vor so faszinierend?

Svindal: Ich glaube, es sind die Geschichten.

Sowohl Le Mans als auch Kitzbühel – um diese

Beispiele zu nennen – sind extrem traditionsreiche

Rennen, und in dieser langen Zeit passieren

natürlich wahnsinnig viele Geschichten – auch

Heldengeschichten. Die Rennen, die hier stattgefunden

haben, sind voll von Dramen und unglaublichen

Siegen.

Jani: Die Menschen kennen diese Rennstrecken.

Wenn du den Menschen etwas vom FIS-Weltcup

oder von der LMP1 erzählst, fragen viele: »Wie

bitte?« Aber wenn du ihnen von Le Mans oder Kitzbühel

erzählst, wissen sie sofort, was gemeint ist.

Was macht den Helden zum Helden?

Jani an Svindal: Wann bist Du in Kitzbühel

gestürzt?

Svindal: Im Ziel?

Jani: Ja.

Svindal: 2016.

Jani: Bei den Skifahrern gibt es diese spektakulären

Stürze. Das sieht manchmal brutal aus. Aber die

Skifahrer stehen oftmals wieder auf, winken in die

Kamera. Für die Zuschauer ist das ein psychologischer

Wow-Effekt. Die Pisten provozieren diese

Fehler. Aber genau dieses Stellen der Gefahr, das

Wiederaufstehen, das macht den Helden aus.

Svindal: Es ist der Umgang mit Fehlschlägen. Es ist

gefährlich. Immer wieder gibt es Unfälle mit kaputten

Knien. Und im schlimmsten Fall stirbt jemand.

Der Held ist also nur möglich beim Auge-in-Auge mit

dem Tod?

Jani: Es gehört irgendwie zusammen.

Svindal: Das Wichtigste ist, dass ich nach einem

Unfall nicht einfach sage »Shit happens!« und

weitermache. Ich muss analysieren, warum es

passiert ist. Ziel des Sports muss es sein, Heldengeschichten

zu schreiben. Das geht nur, wenn

jemand nach einem Unfall, Rückschlag wieder

aufstehen, zurückkommen und siegen kann.

Jani: Der Sturz von Hermann Maier in Nagano

1998 ist ein gutes Beispiel.

Svindal: Und da siehst du auch, wie wichtig Fernsehbilder

sind. Der Sturz war eigentlich nicht so

schlimm, sah aber extrem spektakulär aus. Die

Kamera stand seitlich. Hermann kam aus der

Kurve, flog quer über den Bildschirm, ist aber im

Schnee gelandet. Und es gibt Stürze, die sehen

weit weniger spektakulär aus, haben aber größere

Konsequenzen. Wenn jemand mit dem Hubschrauber

abgeholt wird, ist das nicht gut für den

Sport. Dann gibt es keinen Helden. Das Beste ist

genau so ein Sturz wie der von Hermann. Die

Zuschauer sehen sofort, er lebt noch, er bewegt

sich, und nach ein paar Tagen kommt er spektakulär

mit einem Sieg zurück. Das ist es, was wir

brauchen.

Warum brauchen wir das?

Jani: Ich glaube, es geht darum, etwas zu sehen,

was nicht jeder kann. Nicht jeder von uns kann die

Streif in Kitzbühel so fahren wie die Abfahrer.

Und kaum jemand kann Le Mans im Renntrimm

über 24 Stunden fahren. Und auch die paar wenigen,

die es können, müssen voll ans Limit gehen.

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