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ramp#49_DE

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40 Ganz schön was los hier. ramp #49

Higgledy Piggledy

41

Und jedem

Chaos wohnt ein

Zauber inne

Plädoyer für mehr Kraut und Rüben. Und was das mit

dem Bedeutungswandel des Autos zu tun hat. Und mit

George Orwell.

Text

Philipp Tingler

Illustrationen

Gregory Gilbert-Lodge

Ach, das Chaos, meine Damen und Herren. Man

wird ja regelrecht nostalgisch. Können Sie sich

noch an das Chaos erinnern? Ich bin alt genug.

Opa erzählt vom Krieg, Opa erzählt von Punkern,

Opa erzählt vom Chaos. Aww, Kraut und

Rüben. Those were the days. Das war einmal.

Punk ist vorbei. Schon lange. Ich gebe Ihnen mal

einen kleinen Überblick über die Chronologie der

Modernen, also: Moderne, Postmoderne, Spätmoderne.

Sind Sie noch da? Andere Leute bieten

andere Überblicke, mir erscheint der folgende

am einleuchtendsten:

Die klassische industrielle Moderne umfasst

die sogenannten glorreichen dreißig Jahre von

1945 bis 1975. Dann: Ölkrise, Zusammenbruch

des zentral gesteuerten globalen Finanzsystems

von Bretton Woods 1973 und die Entwicklung

des Apple I, des ersten bezahlbaren Personal

Computers im Jahre 1976. Damit begann die

recht kurze Phase der Postmoderne, eingeläutet

durch die kulturelle Bewegung des Punk, deren

Maxime »No Future« lautete und die passenderweise

eigentlich nur drei Jahre dauerte, bis zur

ersten Auflösung der Sex Pistols 1978 (der ersten

von vier, das nur am Rande). Doch die Zukunftsskepsis

blieb, dieser Sprung und größer

werdende Schatten in der im Kern liberalen

Fortschrittserzählung der gloriosen dreißig

Jahre. Parallel dazu schritten auch in den letzten

Dekaden des letzten Jahrhunderts Vermarktlichung

und Verwissenschaftlichung voran. So

wie die Idee universeller Menschenwürde als

einem säkularen Begriff der Gottesähnlichkeit.

Those were the days. Die seligen Neunziger.

Beide Dynamiken, sowohl die Dystopie (und

Nostalgie) wie auch die ökonomische Dynamik

durch Globalisierung und Digitalisierung,

erreichten und erreichen eine neue Qualität in

der sogenannten Spätmoderne, in der wir jetzt

leben, eine Ära, die mit dem 11. September 2001

ihren Anfang nahm. Ein Datum, das die wachsende

Bedrohung der Freiheit und Aufklärung

durch vormoderne Holzköpfe symbolisiert.

Neben der technologischen und lebensweltlichen

Beschleunigung (die der Trägheit und Beharrung

des menschlichen Habitus gegenübersteht)

zeichnet sich die Spätmoderne in der westlichen

Welt durch einen neuen Zeitgeist aus: die Prämierung

von Besonderheiten und Einzigartigkeiten,

von (vermeintlichen) qualitativen

Differenzen, Partikularität; gegen das Standardisierte,

lediglich Funktionale, gegen mittelmäßige

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