ramp#49_DE
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200 Alles halb so wild! ramp #49
Higgledy Piggledy Creative Space
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»Ich sehe den Bacalar als eine
Anregung, sein Gelbton ist
durchaus extrovertiert.«
Spektrum an Wahlmöglichkeiten bieten.
In enger Absprache mit Designern soll der
Kunde seinen Wagen konfigurieren
können. Mit einer speziellen Lackierung
zum Beispiel kann jeder Bentley
Continental oder Flying Spur individualisiert
werden. Das setzt sich im Innenraum
bei der Auswahl der Materialien fort. Diese
Individualisierung treiben wir im Bacalar
auf die Spitze. Jedes dieser zwölf Autos
wird in einer engen Kooperation zwischen
Kunde und Designer gestaltet. Keines
dieser Fahrzeuge wird dem anderen
gleichen. Luxuskunden wollen Einzelstücke,
wir wollen ein Auto, das es in
dieser Ausführung kein zweites Mal gibt.
Gerade für eine Marke wie Bentley ist es
wichtig, immer größeren Wert auf diese
Individualität zu legen. Die Kunden wollen
Liebhaberstücke. Auf diese Weise wollen
wir auch neue und jüngere Kunden
gewinnen. Die liebenswerten traditionellen
Käufer werden wir weiterhin glücklich
machen. Aber wir müssen uns neu
erfinden, um junge Kunden für Bentley zu
gewinnen: Das können nur wir Designer
leisten. Die Leute lieben die Marke, aber
vor allem die Jüngeren wollen ein
frischeres Design.
Ist unser Bacalar, den wir gerade waschen,
sozusagen ein Vorschlag, wie so ein
Bentley aussehen könnte?
Sielaff: Wir zeigen mit ihm, wie das geht.
Dazu sehe ich ihn als eine Anregung, sein
Gelbton ist durchaus extrovertiert. Im
Innenraum ist nicht nur Leder zu finden,
sondern auch manches textile Material.
Die 5.000 Jahre alte Moor-Eiche zeigen
wir offenporig. Der Eindruck des Interieurs
ist modern. Ob die Kunden ein Auto
mit diesen Stilmerkmalen wollen, ist eine
ganz andere Frage. Vielleicht besteht ein
Käufer auf dem traditionellen Racing-
Green mit cognacfarbener Lederausstattung.
Natürlich ist und bleibt der Kunde
der König. Er bekommt, was er möchte.
Waschen Sie häufig ein Auto von Hand?
Sielaff: Ja, aber nur die Autos, zu denen ich
ein emotionales Verhältnis habe. Beim
Waschen möchte ich die Form fühlen,
möchte die Details fühlen. Wer sein Auto
per Hand wäscht, lernt es in- und
auswendig kennen. Sozusagen kennst du
an dem Body jeden Leberfleck.
Wir bitten um einen Expertentipp: Worauf
sollte man beim Autowaschen achten?
Sielaff: Also gut, gehen wir ins Detail:
Regel eins: von oben nach unten (lacht
herzlich). Regel zwei: Ein Auto muss man
immer im Schatten waschen oder in
einem Raum. Zu Beginn weiche ich erst
einmal die ganze Karosserie mit Wasser
samt entsprechenden Zusätzen ein.
Danach greife ich zu einem Schwammhandschuh
und seife den ganzen Body ein.
Dabei muss ich auch in die Ecken gehen,
wo sich der Dreck lange hält. Nach einer
sehr gründlichen Reinigung wasche ich
die Seife vorsichtig ab. Vor allem für meine
historischen Autos nutze ich ein Gebläse,
mit dem ich das Wasser auch aus den
Fugen und Ritzen herausföhnen kann.
Dort kann sich schnell Rost bilden. Nach
dem Abblasen kommt das Abledern, dann
vielleicht noch ein Nachtrocknen in der
Sonne für ein oder zwei Stunden.
Wie wäre es mit ein oder zwei Stunden
fahren?
Sielaff: Dann fallen, je nach Wagenfarbe,
so kleine Wasserfäden auf, die sich aus
den Ritzen über die Karosserie ziehen.
Das ist nicht so schön.
Sie haben Ihre historischen Autos erwähnt,
dürfen wir fragen, wer in der Garage steht?
Sielaff: Es geht um einen Porsche 356 A
aus dem Jahr 1958, einen Aston Martin
DBS von 1968, der mit den vier Frontscheinwerfern.
Eher semihistorisch ist ein
Morgan 4/4 Sport. Der ist beim Waschen
eine echte Herausforderung, weil das
Wasser überall hinfließt, auch nach innen.
Die Interpretation von Luxus ändert sich
ständig. Wie definiert Bentley Luxus?
Sielaff: Inzwischen legen wir nicht nur bei
der Herstellung, sondern auch bei der
Wahl der Materialien großen Wert auf
Nachhaltigkeit. Soziale Verantwortung
und lokale Quellen lauten da die Stichworte.
Warum soll die Wolle für den
Teppich nicht aus unserer Nachbarschaft
kommen statt aus, sagen wir mal, Australien?
Auch bei einem Fahrzeug der Luxusklasse
zählt der ökologische Fußabdruck.
Als Luxus empfinden unsere Kunden
zudem die Handwerkskunst, die für einen
Bentley aufgebracht wird. Auch hier ein
Beispiel: Die Ummantelung eines Lenkrades
näht ein Mensch mit viel Herzblut
einen ganzen Tag lang. Und er nimmt
exakt den Faden, den der Kunde ausgewählt
hat.
Erhält ein Bentley durch diese viele
Handarbeit einen Wert, der nicht nur von
finanziellen Aspekten bestimmt wird?
Sielaff: Lassen Sie mich es so ausdrücken:
Wenn die Besitzer von irgendeinem
Objekt spüren, dass viel Handwerkskunst
drinsteckt, dann werfen sie es nicht
einfach weg. Von meinem Urgroßvater
wurde über den Großvater und Vater nun
an mich ein Zigarren-Etui von 1903
weitergereicht. Von diesem Stück werde
ich mich niemals trennen. Das gilt auch
für manche Autos: Mehr als achtzig
Prozent aller Bentleys befinden sich in
Familienbesitz. Die verkauft man nicht so
einfach. Auch das ist eine Form von Nachhaltigkeit
– wer sich etwas Besonderes
leistet, möchte es auch behalten. Es ist zu
schön und zu gut und zu vertraut, um es
wegzuwerfen.