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ramp#49_DE

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200 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy Creative Space

201

»Ich sehe den Bacalar als eine

Anregung, sein Gelbton ist

durchaus extrovertiert.«

Spektrum an Wahlmöglichkeiten bieten.

In enger Absprache mit Designern soll der

Kunde seinen Wagen konfigurieren

können. Mit einer speziellen Lackierung

zum Beispiel kann jeder Bentley

Continental oder Flying Spur individualisiert

werden. Das setzt sich im Innenraum

bei der Auswahl der Materialien fort. Diese

Individualisierung treiben wir im Bacalar

auf die Spitze. Jedes dieser zwölf Autos

wird in einer engen Kooperation zwischen

Kunde und Designer gestaltet. Keines

dieser Fahrzeuge wird dem anderen

gleichen. Luxuskunden wollen Einzelstücke,

wir wollen ein Auto, das es in

dieser Ausführung kein zweites Mal gibt.

Gerade für eine Marke wie Bentley ist es

wichtig, immer größeren Wert auf diese

Individualität zu legen. Die Kunden wollen

Liebhaberstücke. Auf diese Weise wollen

wir auch neue und jüngere Kunden

gewinnen. Die liebenswerten traditionellen

Käufer werden wir weiterhin glücklich

machen. Aber wir müssen uns neu

erfinden, um junge Kunden für Bentley zu

gewinnen: Das können nur wir Designer

leisten. Die Leute lieben die Marke, aber

vor allem die Jüngeren wollen ein

frischeres Design.

Ist unser Bacalar, den wir gerade waschen,

sozusagen ein Vorschlag, wie so ein

Bentley aussehen könnte?

Sielaff: Wir zeigen mit ihm, wie das geht.

Dazu sehe ich ihn als eine Anregung, sein

Gelbton ist durchaus extrovertiert. Im

Innenraum ist nicht nur Leder zu finden,

sondern auch manches textile Material.

Die 5.000 Jahre alte Moor-Eiche zeigen

wir offenporig. Der Eindruck des Interieurs

ist modern. Ob die Kunden ein Auto

mit diesen Stilmerkmalen wollen, ist eine

ganz andere Frage. Vielleicht besteht ein

Käufer auf dem traditionellen Racing-

Green mit cognacfarbener Lederausstattung.

Natürlich ist und bleibt der Kunde

der König. Er bekommt, was er möchte.

Waschen Sie häufig ein Auto von Hand?

Sielaff: Ja, aber nur die Autos, zu denen ich

ein emotionales Verhältnis habe. Beim

Waschen möchte ich die Form fühlen,

möchte die Details fühlen. Wer sein Auto

per Hand wäscht, lernt es in- und

auswendig kennen. Sozusagen kennst du

an dem Body jeden Leberfleck.

Wir bitten um einen Expertentipp: Worauf

sollte man beim Autowaschen achten?

Sielaff: Also gut, gehen wir ins Detail:

Regel eins: von oben nach unten (lacht

herzlich). Regel zwei: Ein Auto muss man

immer im Schatten waschen oder in

einem Raum. Zu Beginn weiche ich erst

einmal die ganze Karosserie mit Wasser

samt entsprechenden Zusätzen ein.

Danach greife ich zu einem Schwammhandschuh

und seife den ganzen Body ein.

Dabei muss ich auch in die Ecken gehen,

wo sich der Dreck lange hält. Nach einer

sehr gründlichen Reinigung wasche ich

die Seife vorsichtig ab. Vor allem für meine

historischen Autos nutze ich ein Gebläse,

mit dem ich das Wasser auch aus den

Fugen und Ritzen herausföhnen kann.

Dort kann sich schnell Rost bilden. Nach

dem Abblasen kommt das Abledern, dann

vielleicht noch ein Nachtrocknen in der

Sonne für ein oder zwei Stunden.

Wie wäre es mit ein oder zwei Stunden

fahren?

Sielaff: Dann fallen, je nach Wagenfarbe,

so kleine Wasserfäden auf, die sich aus

den Ritzen über die Karosserie ziehen.

Das ist nicht so schön.

Sie haben Ihre historischen Autos erwähnt,

dürfen wir fragen, wer in der Garage steht?

Sielaff: Es geht um einen Porsche 356 A

aus dem Jahr 1958, einen Aston Martin

DBS von 1968, der mit den vier Frontscheinwerfern.

Eher semihistorisch ist ein

Morgan 4/4 Sport. Der ist beim Waschen

eine echte Herausforderung, weil das

Wasser überall hinfließt, auch nach innen.

Die Interpretation von Luxus ändert sich

ständig. Wie definiert Bentley Luxus?

Sielaff: Inzwischen legen wir nicht nur bei

der Herstellung, sondern auch bei der

Wahl der Materialien großen Wert auf

Nachhaltigkeit. Soziale Verantwortung

und lokale Quellen lauten da die Stichworte.

Warum soll die Wolle für den

Teppich nicht aus unserer Nachbarschaft

kommen statt aus, sagen wir mal, Australien?

Auch bei einem Fahrzeug der Luxusklasse

zählt der ökologische Fußabdruck.

Als Luxus empfinden unsere Kunden

zudem die Handwerkskunst, die für einen

Bentley aufgebracht wird. Auch hier ein

Beispiel: Die Ummantelung eines Lenkrades

näht ein Mensch mit viel Herzblut

einen ganzen Tag lang. Und er nimmt

exakt den Faden, den der Kunde ausgewählt

hat.

Erhält ein Bentley durch diese viele

Handarbeit einen Wert, der nicht nur von

finanziellen Aspekten bestimmt wird?

Sielaff: Lassen Sie mich es so ausdrücken:

Wenn die Besitzer von irgendeinem

Objekt spüren, dass viel Handwerkskunst

drinsteckt, dann werfen sie es nicht

einfach weg. Von meinem Urgroßvater

wurde über den Großvater und Vater nun

an mich ein Zigarren-Etui von 1903

weitergereicht. Von diesem Stück werde

ich mich niemals trennen. Das gilt auch

für manche Autos: Mehr als achtzig

Prozent aller Bentleys befinden sich in

Familienbesitz. Die verkauft man nicht so

einfach. Auch das ist eine Form von Nachhaltigkeit

– wer sich etwas Besonderes

leistet, möchte es auch behalten. Es ist zu

schön und zu gut und zu vertraut, um es

wegzuwerfen.

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