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ramp#49_DE

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20 Intro ramp #49

Vielleicht beginnt man das

Gespräch erst einmal vorsichtig

mit besagter Katze im Karton. Mit

der man so seine Probleme hat.

Tja. Quantenphysik.

Ich habe nie wirklich verstanden, warum Schrödingers Katze

ausgerechnet dann sterben muss, wenn ich den Deckel des

Kartons hebe und hineinschaue. Und nun sollen ich und die

Katze noch in unzähligen Versionen weiterbestehen. In

unzählbar vielen parallelen Universen. Jedes meiner Ichs geht

seinen eigenen Weg. Und keines meiner Ichs wird jemals

wieder was mit mir zu tun haben. Ich teile eine Vergangenheit

mit den Unzahlen meiner »Alter Egos«, aber keine Zukunft.

Sagt zumindest Sean Carroll.

In seinem neuen Buch »Something Deeply Hidden: Quantum

Worlds and the Emergence of Spacetime« befasst sich der

amerikanische Kosmologe mit der sogenannten Viele-Welten-Theorie.

Vielleicht beginnt man das Gespräch erst einmal

vorsichtig mit besagter Katze im Karton. Mit der man so seine

Probleme hat. »Schrödingers Katze war ein Gedankenexperiment«,

beruhigt Carroll meine persönliche Quantenphobie.

»Schrödinger und Einstein hatten ihre Zweifel an den Theorien

der Quantenphysik der damaligen Zeit. Demnach gibt es

einen großen Unterschied zwischen einem System, wenn man

es betrachtet, und wenn man es nicht betrachtet. Sie erfanden

eine elaborierte Theorie, in der die Katze gleichzeitig tot und

am Leben ist, bis zu dem Augenblick, an dem man den Deckel

aufmacht.«

Seit über 90 Jahren versuchen wir die Welt der kleinsten denkbaren

Teile, der Moleküle und Atome, zu verstehen. Quantenphysik.

Wir bauen damit zwar Computer und Leuchtdioden und

revolutionieren die Telekommunikation und suchen (und

finden) mysteriöse Teilchen und Bausteine wie das Higgs-

Boson, aber die meisten von uns (mich mit eingeschlossen)

verstehen weder, was es mit Higgs-Boson genau auf sich hat,

noch können wir eine logische Erklärung für das liefern, was

Quantenphysik eigentlich bedeutet und wie sie funktioniert.

Unser normales, auf ein dreidimensionales Universum kalibriertes

Hirn hat mit den multidimensionalen Konventionen

der Quantenphysik so seine Verständnisprobleme. Selbst der

amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Richard

Feynman hatte in den Sechzigerjahren Erklärungsnotstand mit

seinem eigenen Fachbereich. »Niemand versteht die Quanten-

theorie«, so Feynman. Das läge vor allem am Doppelspalt-Experiment

(zu dem wir noch kommen). Und das sei »unmöglich,

absolut unmöglich auf klassische Weise zu erklären«.

Quantenmechanik (oder Quantenphysik) ist also anwendbar,

widerspricht aber jeglicher konventionellen Logik.

Warum haben selbst Physiker damit Probleme?

Warum soll sich Natur anders verhalten, wird sie erst einmal

beobachtet?

»Das ist das große Rätsel, über das wir schon fast ein Jahrhundert

nachgrübeln«, sagt Sean Carroll. Die meisten Physiker

hätten sich einfach mit dem Phänomen abgefunden, sagt er,

und handeln nach der Prämisse »Halt’s Maul und rechne!«

Er jedoch bezieht Distanz zur Kopenhagener Interpretation

der sogenannten »Superposition«, die in ihrer reduzierten

Form besagt, dass ein Quantenteilchen – wie ein Elektron zum

Beispiel – an mehreren Orten gleichzeitig existieren kann und

dass allein die Tatsache der Beobachtung jenes Quantenteilchen

dazu bringt, sich in nur einem Platz zu materialisieren.

Siehe unsere Katze.

Aber was passiert dann mit dem anderen, dem unbeobachteten

Teilchen? Energie kann ja nicht verschwinden. Und: Was

verstehen wir unter Beobachtung oder Messung? Wie oft und

schnell geschieht das? Wie soll ein solcher Apparat zur

Messung aussehen? Muss ein Mensch dahinterstecken, oder

eine Art von Bewusstsein? Unbeantwortete Fragen, die Sean

Carroll und viele seiner Kollegen seit Jahren frustrieren.

Dann hatte Carroll eine andere Idee. Anstelle der Kopenhagener

Interpretation griff er die alte Viele-Welten-Theorie von

Hugh Everett auf, der das Universum 1957 als ein sich ständig

änderndes System von Zahlen beschrieb, die alle auf einer

Gleichung basieren. Entgegen der Kopenhagener Interpretation

splittet sich das Universum nach Everett nämlich kontinuierlich

in neue Zweige ab, es kommt zu keinem Kollaps der

Wellenfunktion, sondern produziert unzählige Versionen von

mir – oder ihr oder ihm oder uns allen. Nur um sich danach

wiederum in unzählige andere Splits aufzuteilen.

Und so weiter bis in alle Endlichkeit.

»Dieser Split geschieht, wenn in einem kleinen quantenmechanischen,

superpositionierten System Atome zerfallen, und

jedes Mal, wenn das passiert, verzweigen sich die Universen in

unterschiedliche Systeme innerhalb der weiteren Welt. Das

hat jedoch nichts mit der Aktivität eines Menschen zu tun.«

Carroll zitiert das bereits erwähnte (und nicht auf klassische

Art zu erklärende) Doppelspalt-Experiment. Versuchen wir es

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