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156 Short Stories ramp #49
Higgledy Piggledy
Die deutschen Automarken verblassen in China
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DIE DEUTSCHEN
AUTOMARKEN
VERBLASSEN
IN CHINA
Herr Malorny, Sie beraten seit 15 Jahren die
deutschen Automobilhersteller in China. Bisher
offenbar sehr erfolgreich, wenn man sich deren
Bilanzen ansieht. Doch jetzt schlagen Sie Alarm.
Warum?
Christian Malorny: Wir erleben gerade in China,
dass sich beim Autokauf ein ganz neues Kundenbewusstsein
entwickelt. Junge, gut verdienende
Chinesen schicken sich an, eigene chinesische
Marken zu kaufen und laufen nicht mehr
unbedingt den deutschen Automarken hinterher.
Die Begehrlichkeit nach Autos von hiesigen
Herstellern lässt deutlich nach. Das hat ganz
handfeste Gründe.
Nämlich?
Malorny: Zum einen beginnen junge chinesische
Marken wie Build Your Dream (BYD), Great
Wall, Lynk & Co, Xiaopeng oder auch Weltmeister,
Erfolge zu feiern. Sie punkten bei den jungen
Kunden mit schickem Design, guter Verarbeitungsqualität
und einer beeindruckenden
Digi talität sowie Vernetzung. Hinzu kommen
Show räume, in die es Spaß macht zu gehen.
Sie sind trendig gestylt, transportieren ein
Lebensgefühl von Freiheit und strahlen ein
cooles Image ab. Zum anderen schicken sich die
SHORT
STORIES
JUNGE CHINESISCHE
MARKEN PUNKTEN BEI
DEN JUNGEN KUNDEN
MIT SCHICKEM DESIGN,
GUTER VERARBEITUNGS-
QUALITÄT UND EINER
BEEINDRUCKENDEN
DIGI TALITÄT.
Synchron zur weltweiten Wirtschaftsschwäche
bricht auch der Automarkt
in China ein. Für die deutschen
Hersteller ist das schmerzhaft –
kommen doch bis zur Hälfte der
Gewinne aus dem Reich der Mitte.
Bislang wird das hierzulande als
eine Konjunkturdelle angesehen,
doch die Hoffnung könnte täuschen.
Ein Gespräch mit Christian Malorny,
einem der einfluss reichsten Berater
der Automobil industrie.
Chinesen an, Premiummarken auf die Beine
zu stellen. NIO oder BYTON stehen dafür
exemplarisch. Beide entwickeln und verkaufen
SUV, die außen und innen eine ausgesprochen
hohe Wertanmutung besitzen, einen besonders
kundenfreundlichen Service bieten und ein
Lebensgefühl der Geborgenheit vermitteln.
Das geht schon los bei der Ausstattung der
Showräume, wo warme Farben und viel Holz
vorherrschen. Schicke, bequeme Möbel und
dezentes Licht bieten eine einladende Wohnzimmeratmosphäre,
in der der Kunde dem rauen
Alltag entfliehen und sich in Ruhe mit seinem
Fahrzeug beschäftigen kann. Gleichwohl sind
diese Showräume technisch hochgerüstet.
VTR-Brillen, Fahrsimulatoren und große
Bildschirme ermöglichen eine Erlebniswelt, wie
sie aus dem chinesischen Internet und damit
dem Alltag bekannt ist.
Sie wollen also sagen, dass die Chinesen immer
stärker auf Markenimage, also Begehrlichkeit und
Lifestyle, Coolness und Stolz, sowie auf Premium
setzen. Doch hält das Produkt, also die Fahrzeuge
selbst, was die Marken versprechen, wirklich?
Malorny: Ja, es ist so. Die chinesischen Hersteller
schicken sich an, immer akzentuierter die
Markenentwicklung voranzutreiben. Das ist
neu. Dazu gehört die Ausprägung eines Markenkerns.
Da ist das Produkt, das Fahrzeug selbst,
natürlich der Schlüssel zum Erfolg. Alle chinesischen
Marken setzen dabei auf den Elektroantrieb
mit Batteriegrößen zwischen 65 und 90
kWh bei Reichweiten von 250 bis 520 Kilometern.
Die Antriebstechnologie wird verpackt in
attraktive, dynamisch gestylte SUV-Karosserieformen,
die eine sehr ordentliche Verarbeitungsqualität
und Solidität ausstrahlen. Spaltmaße,
Passgenauigkeit der Teile, Material- und
Oberflächenanmutung haben sich in den letzten
fünf Jahren enorm entwickelt und stehen den
deutschen Herstellern kaum noch nach. Das,
was wir bei uns als Premiumanmutung im
Innenraum empfinden, wie z.B. Oberflächen
aus schwarz gefärbter Glasoptik, ein Schalthebel,
der einem Joystick entspricht, üppig wirkende
Sitzbezüge oder gesteppte Nähte auf
Lederoptik, gibt es heute in China im Mittelklassebereich.
Schauen sie sich mal den G3 von
Xiaopeng oder den Tang von BYD an. Das sind
Fahrzeuge, die haben umgerechnet einen Preis
zwischen 20 und 35 Tausend Euro. Wohlgemerkt
E-Fahrzeuge mit über 350 Kilometern
Reichweite.
Hinzu kommt ein weiteres Schlüsselelement,
nämlich die Digitalität. Es gibt quasi kein
chinesisches Fahrzeug mehr, das nicht ein
digitales Cockpit besitzt. Die Mittelkonsole trägt
immer ein iPad-großes Display, welches wie im
Fall von BYD ein offenes Android-System bietet.
Auf diesem Display können sie nicht nur wie an
ihrem Computer zu Hause agieren. Auch sämtliche
Fahrzeugfunktionen lassen sich über das
Display ansteuern. Mittlerweile besitzen die
Fahrzeuge auch eine sehr gut funktionierende
Sprachsteuerung. Und das alles, ohne ihr Handy
dabeihaben zu müssen. Quasi »ein fahrender
Computer«.
SCHAUEN SIE SICH MAL
DEN G3 VON XIAOPENG
ODER DEN TANG VON BYD
AN. DIE E-FAHRZEUGE
KOSTEN ZWISCHEN 20
UND 35 TAUSEND EURO.
MIT ÜBER 350 KILOME-
TERN REICHWEITE.
In Ordnung, die Chinesen holen auf und machen bei
Design und Verarbeitungsqualität große Fortschritte.
Doch das können die deutschen Hersteller doch auch.
Malorny: Ja natürlich. Aber es ist noch etwas
anderes, was die chinesischen Hersteller immer
besser hinbekommen: Sie personalisieren das
Fahrzeug und sprechen extrem stark den Familiensinn
der Chinesen an. Dabei muss man
wissen, dass Familien in China wieder größer
werden, weil zwei Einzelkinder, die heiraten,
jetzt zwei eigene Kinder bekommen können (statt
bisher nur eines), womit es immer mehr vierköpfige
Familien gibt. Ein gutes Beispiel ist der NIO
es6, ein elektrisch betriebener SUV, der auf der
Armaturentafel eine tennisballgroße Kugel mit
Display sitzen hat, die mit den Insassen spricht,
sich zu einem dreht und über die Sprachsteuerung
Fahrzeugfunktionen auslöst. Die Kugel
heißt NOMI und wirkt wie ein Familienmitglied,
das sich um das Auto und seine Insassen kümmert.
Es hat eine menschliche Anmutung mit
Augen, einem Lächeln und einer sympathischen
Stimme. Das mögen wir kitschig finden. Dem
chinesischen Geschmack kommt es entgegen.
Des Weiteren lieben es die Chinesen, sich
untereinander in sogenannten digitalen Communities
auszutauschen und dort ihre soziale
Bestätigung, ihr Sozialprestige zu erhalten.
Auch hier ist die Marke NIO mit der »NIO Auto
Community«, die regional organisiert wird, ein
exemplarisches Beispiel. Mal ganz abgesehen
davon, dass »Words of Mouth«, also persönliche
Produktberichte und -empfehlungen, einen
extrem hohen Stellenwert bei der Kaufentscheidung
haben.
Was bedeutet das für die deutschen Hersteller?
Malorny: Zunächst müssen wir erkennen, dass
es nicht mehr reichen wird, ein deutsches
Fahrzeug ohne Anpassungen an den chinesischen
Markt zu verkaufen. Ich meine dabei nicht
das Angebot der L-(Long) Versionen und den