ramp#49_DE
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196 Alles halb so wild! ramp #49
Higgledy Piggledy Creative Space
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Herr Sielaff, welches Modell waschen wir
gerade?
Stefan Sielaff: Dieser Bentley ist ganz neu,
womöglich wird er zum allerersten Mal
gewaschen. Er trägt den Namen Bacalar.
Wir sprechen von einem »one-of-twelveproject«.
Das bedeutet, dass wir nur zwölf
Autos dieses Typs bauen. Übrigens: Alle
Fahrzeuge sind bereits reserviert.
Ein schicker Wagen, wie würden Sie ihn
beschreiben?
Sielaff: Die Fachleute sprechen von einem
Barchetta, dabei handelt es sich um einen
Zweisitzer ohne Dach. Das birgt beim
Waschen schon mal eine gewisse Herausforderung
in sich. Ein Gartenschlauch
wäre somit ungeeignet. Es ist ein Bentley
mit einem Design, bei dem wir einen
Schritt nach vorn gegangen sind. Er ist
modern, hat ungewöhnliche und wunderschöne
Proportionen.
Haben Sie schon viele Jahre lang an dem
Design gefeilt?
Sielaff: Ganz im Gegenteil! Das Design ist
sozusagen wie in einer Time Machine
entstanden, in gerade mal neun Monaten.
Und mich freut es sehr, dass wir trotz
dieser immens kurzen Entwicklungszeit
Anfang des nächsten Jahres ein fahrbares
Auto ausliefern werden. Von der ersten
Skizze bis zum Einsatz auf der Straße sind
nur zwei Jahre vergangen. Das ist für
einen Designer ein außergewöhnlicher,
aber sehr befriedigender Vorgang. So
etwas gibt es in den normalen Abläufen in
der Autoindustrie sonst nicht. Da nehmen
die Entwicklungszyklen vier oder auch
fünf Jahre in Anspruch. Wenn man als
Designer sein Produkt dann endlich auf
der Straße sieht, ist man im Kopf schon
ein gutes Stück weiter.
Bei so einem Tempo sollte der erste Wurf
sitzen, oder wurde die Form nach dieser
ersten Skizze noch weiterentwickelt?
Sielaff: Wir haben sogar sehr viel an den
Proportionen arbeiten müssen. Auch
deswegen, weil sich hinter den Sitzen
Überrollbügel befinden, die während
einem Unfall emporschnellen. Dieses
Sicherheitsfeature bedingt eine gewisse
Höhe, mit der wir zurechtkommen
mussten. Im Lastenheft stand natürlich
auch eine Weiterentwicklung der Bentley
Design-Formensprache. Es sollte kein
Aufguss von bekannten Linien sein, wir
wollten das Design nach vorne pushen.
Dafür haben wir lange am Plastilinmodell
gearbeitet.
Woran erkenne ich den klassischen
Bentley?
Sielaff: Jeder Bentley hat ganz typische
Proportionen. Darf ich einen kühnen
Vergleich ziehen? Intern sprechen wir
manchmal von einem »resting tiger«. Also
von einem Tiger, der gerade ruhig auf
dem Boden liegt, bei dem aber jeder sofort
»Dieser Bentley ist
ganz neu, womöglich wird
er zum allerersten Mal
gewaschen. Er trägt den
Namen Bacalar.«
die Sprungbereitschaft erkennt. Das Raubtier
ist eben nicht völlig entspannt, vielmehr
sind seine Muskeln voller Spannung.
Im übertragenen Sinn soll jeder Betrachter
sofort spüren, dass der Bentley voller
Power steckt. So weit das Grundsätzliche.
Und die Details?
Sielaff: Jeder Bentley hat einen prägenden
Grill und runde, elliptische Frontleuchten,
die in ihren Proportionen mit dem Grill
korrespondieren. Typisch ist, dass die
Leuchten sich stets knapp unterhalb der
Oberkante des Grills befinden. Die Seitenlinie
entspringt dem vorderen Kotflügel,
zieht sich durch die Tür oder die Türen
nach hinten. Wer einen Bentley von leicht
schräg oben betrachtet, erkennt eine
Schulter oder eben einen Muskel. Diese
Dreidimensionalität zeichnet einen
Bentley aus. Das Heck ist auch betont
dreidimensional, bei diesem Bacalar
deuten wir auch bei den hinteren
Leuchten eine elliptische Form an. Die
erkennt man besonders gut, wenn das
Licht eingeschaltet ist oder der Fahrer auf
die Bremse tritt.
Wie modern ist das Interieur?
Sielaff: Zunächst gibt es da viele gesetzliche
Vorgaben, die man einhalten muss.
Ein Bentley soll innen ein großzügiges
Raumgefühl vermitteln, aber zugleich ein
Gefühl der Umschlossenheit. Hinzu
zeichnen einen Bentley Details aus, ich
denke da an die runden Luftdüsen. Die
Luftzufuhr wird mechanisch gesteuert. An
diesen Hebeln muss man regelrecht
ziehen und drücken, um Luft ins Fahrzeug
zu lassen oder eben nicht. Solche mechanischen
Trompetenventile strahlen in
einer digitalen Welt viel Charme aus.
Anders gesagt: Einen Bentley zeichnet die
Mischung aus digitaler Technik und
analoger Handwerkskunst aus.
Darf ich mal ganz grundsätzlich fragen: Wie
wichtig ist das Design für eine Marke wie
Bentley?
Sielaff: Sehr wichtig natürlich! Die Hauptargumente
für den Kauf eines Bentley ist
einmal die Marke selbst – und dann
kommt schon die Emotionalität des
Designs. Unseren ja recht anspruchsvollen
Kunden möchten wir ein breites
→
»Jeder Bentley hat
typische Proportionen.
Darf ich
einen kühnen
Vergleich ziehen?
Intern sprechen wir
von einem ›resting
tiger‹.«