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ramp#49_DE

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140 Hallo Überraschung! ramp #49 Higgledy Piggledy

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16. JANUAR 1980 Im Zug von Turin nach Mailand. Gute Stimmung. Wir haben das Auto

zum ersten Mal gefahren. Gefällt uns sehr. Das sagen wir den

Italienern. Das gefällt denen sehr: jede Menge Barbaresco im

Tastevin in Turin. Nur ich trinke Pellegrino, weil ich doch noch

mal die 1.500 Meter unter vier Minuten laufen will.

Jemand sagt, piemontesisch angehaucht: »Das is ’ne tolle

Kiste.« Klingt für mich wie ein Slogan. Ich schreibe ins Notizbuch

»Tolle Kiste«. Man kann ja nie wissen.

FEBRUAR 1980

APRIL 1980

MAI 1980

JUNI 1980

JULI 1980

SOMMER 1982

Natürlich wollen wir etwas Großartiges machen. Nicht das übliche

Werbegeschwafel. Nicht die automobilen Superlativ- Bla-Blas. Es war

ja eine Auto-Kampagne, weshalb ich Texter wurde: VW. Think small.

Dieses Wahnsinnszeug aus New York. So was müsste man machen.

Ganz neu. Ganz frisch.

Wir haben uns in sechs verschiedenen Kampagnen verheddert.

Favorit ist Kampagne 5: »Gesucht: Fahrer, die den Club of Rome

nicht für eine neue heiße Disco halten.« Sie erinnern sich? Zweite

Ölkrise. Small war plötzlich beautiful. Sie erinnern sich vielleicht

auch an die Schlagzeile? Die erschien später in der »Tolle

Kiste«-Kampagne. Plötzlich passte der ganze Kram zusammen. Und

der Riesenhaufen Ideen, der in den anderen Ansätzen steckte, kam

in die kreative Wiederaufbereitungs anlage.

Der Kunde kauft die »Gesucht«-Kampagne. Die »Tolle Kiste« soll

erst nach der Einführung folgen. Leichte Enttäuschung.

Das Budget ist nur noch halb so groß. Wir haben keine Doppelseite.

Die »Tolle Kiste« funktioniert hervorragend als 1/1-Seite.

Dem Rotstift sei Dank.

Test. Die Kampagne fällt durch. 75 Prozent halten sie für Blödsinn.

25 Prozent finden sie toll. Der Werbeleiter, Hans-Joachim Richter,

zeigt Scharfsinn und Mut: »Bei 2,5 Prozent Marktanteil sind

25 Prozent heftige Zustimmung ja nicht schlecht. Wir machen

weiter!« Langsam ausatmen. Die erste Reinzeichnung geht raus.

Das Motiv, an dem wir am längsten geknobelt haben, sieht eigentlich

ganz harmlos aus: »Es kam der Abend, wo er ihr zeigen wollte,

womit sein Vater jede Menge Kies machte. Sie jedoch wollte

endlich wissen, wie die umklappbare Rückbank funktioniert.« Punkt.

Ende.

Wir haben genau 64 Vorschläge zum Kunden getragen. 63 Mal

sagte Hans-Joachim Richter: »Nicht schlecht. Aber ihr könnt es

besser.« Danke für die Blumen. Hinter jedem Vorschlag, der nach

Heilbronn ging, steckten rund 40 Versuche. Macht 2.400 Schlagzeilen

– um eine zu verkaufen!

Ganz zum Schluss war es wie bei Robert Musil. Der beschreibt in

»Der Mann ohne Eigenschaften« das Gefühl, das einer hat, wenn er

eine Idee hat: Das sei wie bei einem Hund, der mit einem langen

Stock im Maul durch die Tür zu kommen versucht. Er knurrt und

drängt – die Tür ist zu schmal. Nachdenklich dreht er den Kopf –

plötzlich flutscht er durch. Heute, knapp zehn Jahre später, sind

wir um die 200 Mal durchgeflutscht. Wow!

6. DEZEMBER 1983 Wir haben es sozusagen amtlich: Die Zentrale zur Bekämpfung des

unlauteren Wettbewerbs e.V. attestiert uns Humor! Zitat:

»Vergleicht man beide Werbungen miteinander, so kommt man zu dem

Ergebnis, dass hier von Fiat mit den gleichen Mitteln, wie sie die

Bundesbahn benutzt hat, geantwortet worden ist, wobei in der

MAI 1985

NOVEMBER 1988

DEZEMBER 1988

Fiat-Anzeige der Mangel an Ernstlichkeit des Vergleiches noch

stärker hervortritt als in der Anzeige der Bundesbahn. Eigentlich

ist in der Anzeige der Firma Fiat lediglich die Werbung der

Bundesbahn wörtlich genommen worden.

Das Ganze erfolgte dabei in einer humorvollen, die Bundesbahn

keineswegs herabsetzenden Art und Weise, sondern dem Leser wird

lediglich klargemacht, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen worden

sind, denn ein Zweitwagen hat andere Aufgaben zu bewältigen als

eine Bundesbahnlok.«

O ja!

Die Herren von der Bundesbahndirektion sind sehr geschickt: Es

gibt keine einstweilige Verfügung, sondern sechs Freikarten erster

Klasse zur Fasnacht in Basel. Wir sind eine Woche arbeitsunfähig.

Die Kampagne hat viel Neugeschäft produziert. Aber auch Geschäft

verhindert. Nie werden wir einen Fertighaus-Etat bekommen. Auch

die Dünnsäure-Verklappung stößt manchem bitter auf. Protest habe

es auch wegen der Currywurst gegeben. Kurt Tucholsky: »Wenn

einer in Deutschland einen guten politischen Witz erzählt, sitzt

halb Deutschland auf der Couch und nimmt es übel.« Wir hatten

keine Theorie über die Werbung, als wir die Werbung machten.

Doch, vielleicht eine: Es ist auf jeden Fall besser, Ihre (also des

Kunden) Werbung ist so interessant, dass die Leute zurückblättern

und zweimal lesen. Ist Ihre Werbung das nicht, schmeißen Sie Geld

zum Fenster raus. Die Zeiten, wo man mit dem Holzhammer auf die

Fontanelle klopfte, in der Hoffnung, das Stammhirn bis ins Mark zu

erschüttern, sind – ja, was? Leider nicht vorbei! Der berühmteste

lebende Werber der Welt – David Ogilvy – hat gesagt:

1. You cannot save souls in an empty church.

2. You cannot bore people into buying your product.

Der Mann ist reich. Man kann ihm glauben. Von David Ogilvy

bekomme ich auch einen Brief: »Dear Klaus Erich, there have been

so many imitations of my famous Rolls-Royce ad, that I wonder that

you take part in this silly procession.«

Das geht unter die Haut. Wir haben die »Omi«-Anzeige mit dem

schnarchenden Kanarienvogel als Verbeugung gemeint, nicht als

Tritt vor das Schienbein. Je vous demande pardon.

Zum ersten – und bisher einzigen – Mal kommt es zur öffentlichen

Lesung einer Anzeige im Deutschen Bundestag. Vortragender:

Oppositionsführer Hans-Jochen Vogel. Thema: Steuerreform. Dauer

des Vortrags: 1 Minute 43 Sekunden. Geldwerter Vorteil für den

Kunden: 373.000 DM. So viel hätte Fiat zahlen müssen, um entsprechende

Sendezeit zu ergattern. Kunden rufen an, Telefone sind

blockiert, Radiosender rufen an, morgens um 8.39 Uhr (!), und

wollen ein Interview. Ich bin am Schreibtisch. Dieser Vorgang

erinnert ein bisschen an den Witz, der bei uns in der Agentur

kursiert. Sagt der Grafiker: »Gehen wir mal davon aus, dass der Text

nicht gelesen wird.« Sagt der Texter: »Doch, wir lesen alles vor.«

Die Panda-Kampagne wird »Kampagne des Jahres«.

1989 Die Panda-Kampagne läuft zehn Jahre in Illustrierten. Dann,

endlich, gelingt es uns, einen Film zu verkaufen. Der läuft so

ähnlich wie die neueste Anzeige »Weihnachten«. Und er läuft in

vielen Kinos. Vor Weihnachten.

1990 Die Panda-Kampagne geht ins zweite Jahrzehnt.

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