ramp#49_DE
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52 Ganz schön was los hier. ramp #49 Higgledy Piggledy
Kraut und Rüben
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anderen Seite wieder runter, sie genossen das
gute Wetter, der Weg war das Ziel. Wir taten es
ihnen nach. Die Schwäbische Alb ist eine gottgesegnete,
lebensfrohe Gegend. Ein deutscher
Dichter sagte einmal, der Tod sei flach, hügelige
Landschaften feierten das Leben, bestimmt hatte
er die Schwäbische Alb im Sinn. Jeder Berg und
jeder Hügel ist hier anders, ist einmalig und hat
andere Wolken als Kopfbedeckung obendrauf. Ich
vermute sogar, dass die Berge die Farbe des
Himmels ändern. Aus dem Auto sah der Himmel
über jedem Berg jedenfalls anders aus, man
konnte sich an dieser himmlischen Vielfalt nicht
sattsehen. Ich wäre eigentlich gern hauptberuflich
ein Himmelsbeobachter, ich könnte mir gut
eine solche Tätigkeit mit einer 40-Stunden-Woche
vorstellen, das ganze Jahr über die Wolken nach
Farbe und Form sortieren und am Ende des
Jahres einen Wolkenkatalog vielleicht sogar als
Beilage zu ramp herausbringen: »Die Diversität
der Himmelsbekleidung über der Schwäbischen
Alb« oder so. »Hör auf, den Himmel anzustarren,
schau lieber auf die Straße!« sagten die Kollegen
zu mir. »Du musst lenken!« Stimmt, wenn man in
solch großartigen Autos sitzt, vergisst man
oftmals das Fahren.
I.
Der Engländer
Rolls-Royce Cullinan Black Badge
Oft kommen Menschen in Besitz von wertvollen
Dingen, mit denen sie nichts anfangen können.
Dieses Auto, ein fahrender Tresor mit Vierradantrieb,
wurde nach dem größten Diamanten
benannt, der jemals auf unserem Planeten
gefunden wurde. Der Stein war so groß, dass er
auf keine Krone und an keinen noch so fetten
Königshals passte. Einerseits waren seine
Besitzer auf den Stein unheimlich stolz, doch
niemand wusste etwas damit anzufangen. Nach
langem Hin und Her beschlossen sie, den Fund
doch in mehrere kleine Diamanten zu zerteilen,
ein paar davon sind in der Krone der britischen
Königin zu finden, wo die anderen Teile sind,
weiß ich nicht. Dieses Auto ist nicht nur ein
Tresor, es ist ein gemütliches, sehr leise fahrendes
Schloss, man braucht kein Hotel, wenn man mit
diesem Fahrzeug unterwegs ist. Im Kofferraum
kann man Partys feiern oder mindestens ein
Picknick veranstalten, ein Tischlein und zwei
Stühle sind in der Ausstattung inbegriffen. Auf
den Hintersitzen kann man wahrscheinlich auch
gut und ruhig schlafen, unter einem LED–Sternenhimmel,
versteht sich, wenn man lange genug
auf die Decke des Wagens schaut, sieht man eine
Sternschnuppe in Richtung Lenkrad flitzen.
»Nur kein Stress, ich bring Dich, wohin Du
willst« flüstert der Rolls-Royce zu seinem Fahrer,
»mit mir kommst Du immer und überall durch,
egal welches Wetter draußen herrscht, durch die
unsichersten Zeiten und bis ans Ende der Welt!«
Als Beweis mag er an den Agenten seiner Majestät,
T. E. Lawrence, erinnern, den er sicher durch alle
arabischen Wüsten und Partisanenkämpfe
brachte, worüber der bereits voll des Lobes war.
II.
Der Deutsche
Mercedes–AMG C 63 S
Dieses sportliche Schwergewicht lässt sich nicht
eindeutig klassifizieren, mein Gefühl am Lenkrad
des Mercedes war, dass dieses Auto aus jeder
Klasse ausbricht und neben dem komfortablen
Gleiten und sportlichen Gasgeben ein eigentümliches
Leben führt, das über die Grenzen des bloßen
Funktionierens hinausgeht. Ich meine es ernst,
das Auto lebt. Was ist eigentlich das Leben? Wie
unterschiedet sich ein lebendes Objekt von einem
toten? Die Biologen und die Philosophen haben
heute unterschiedliche Antworten auf diese
Frage, die Naturwissenschaftler meinen, das
Leben ist ein Prozess, der Gesetzmäßigkeiten
produziert, kreisförmige Verwandlungsprozesse,
wie zum Beispiel der Jahreszeitenwechsel oder
die permanente Zellenerneuerung. Die Philosophen
meinen, bei solchen zyklischen Prozessen
geht es um bloßes Funktionieren um des Funktionierens
willen, das Leben beginnt jedoch genau
dort, wo die Regularität durchbrochen wird. Fast
alle Teile unseres Körpers werden regulär
erneuert, der Mensch aber altert trotzdem, insofern
kann man diese zyklische Erneuerung als
einen Bestandteil der Leichenwerdung be trachten.
Ja, unser Organismus wird oft mit einer
tickenden Uhr verglichen, die Chronologie des
Alltags wird als das beste Rezept für die Langlebigkeit
gepriesen, festgelegte Schlaf- und Essenszeiten
sollen uns zum besseren Funktionieren
verhelfen. Aber gleicht dieses Funktionieren
einem erfüllten Leben? Ich denke nicht. Ich kenne
das von etlichen Nachbarn und Freunden, die
sich mit gut bemessener Regelmäßigkeit, nach
einem individuellen Plan, ernähren, schlafen,
Sport treiben, Bücher lesen. Sie funktionieren
perfekt, aber nehmen sie wirklich am Leben teil?
Viele, sehr viele sogar arbeiten und feiern nach
dem Kalender, nicht nach ihrer Lust und Laune.
Im Geiste leiden sie unter diesem Automatismus
und beschweren sich oft. Sie sagen Sätze wie: »Ich
lebe nicht, ich drehe mich nur im Kreis, wie ein
Hamster im Hamsterrad.«
Deswegen denke ich, der Bruch jeglicher Ordnung
symbolisiert den Beginn wahren Lebens, das kann
etwas Unabsichtliches, ein Flug zu den Sternen
oder umgekehrt ein Fall sein. Oder ein »auf der
Stelle treten«. Kurzum: Wenn der Hamster in
seinem Rad über die eigenen Füße stolpert und
rausfällt, beginnt für ihn das wahre Leben. Und in
Entenhausen gehen die Lichter aus, denn in dieser
Disney-Comicstadt benutzt man die Hamster im
Hamsterrad, um Strom zu produzieren.
III.
Der Italiener
Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio
Zum ersten Mal habe ich dieses italienische Auto
gefahren, angeblich das Lieblingsfahrzeug der
italienischen Carabinieri und Mafiosi. Wie
können so unterschiedliche Berufsgruppen das
gleiche Auto mögen, würden Sie vielleicht fragen.
Fragen Sie nicht, drehen Sie eine Runde mit der
Giulia, dann wissen Sie es. Ja, die Wege der Liebe
sind unergründlich, vielleicht sind diese Berufsgruppen
auch gar nicht so verschieden, im Land,
wo die Zitronen blühen.
Ein Freund von mir fährt dieses Auto in Deutschland,
er erzählte, die Fahrer eines Alfa Romeo
bleiben ihrer Marke treu, wenn sie sich einmal
für sie entschieden haben, und wechseln nie
→