urbanLab Magazin 2019 - StadtLandQuartier
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
dermüll-Plastik verpackt und auf Parzellen,
die aufgrund der Bodenpreise oft
so klein und wenig nutzbar sind, dass
sie dann auch gleich mit pflegeleichten,
dafür aber ökologisch hochproblematischen
Steingärten gestaltet werden.
Zum Gärtnern hat man in diesen monofunktionalen
Strukturen aufgrund
der weiten Wege zu Nahversorgung und
Arbeit ja eh keine Zeit mehr. Für eine
Plastikrutsche pro Garten ist dann aber
trotzdem noch Platz. Da rutscht und
schaukelt dann jeder ganz sicher für
sich alleine. Die RASt 06, die Richtlinien
für die Anlage von Stadtstraßen, zelebrieren
die Weite unter dem Deckmantel
der Verkehrssicherheit. Die Stellplatzbreiten
müssen aufgrund der Landlust
vieler Stadtbewohner*innen, symptomatisch
repräsentiert durch Land Rover
und Jeep, um bis zu 30 cm verbreitert
werden. Und weil die vielen Autos den
Schulweg unsicher machen, muss man
die Kinder selbstverständlich auch mit
diesen Gefährten zur Schule oder zum
Kindergarten bringen. Der öffentliche
Nahverkehr ist teilweise so schlecht und
teuer, die Bequemlichkeit im Gegensatz
oft so hoch, dass dem motorisierten Individualverkehr
ungeniert gefrönt wird.
Eingekauft wird bei Discountern mit
zahlreich verfügbaren Parkplätzen, konsumiert
werden Fleisch- und Milchprodukte
zu Minimalpreisen und in großen
Mengen, welche die Produktionskosten
kaum und nur unter den horrendesten
Bedingungen decken können, dafür
aber für 206,6 Millionen Tonnen CO 2
pro Jahr (agrarheute 2018) verantwortlich
sind. Zugegeben – die Flugbilanz
der Bundesbürger ist 12,5 Mal so hoch
(Ebd.) – aber Kleinvieh macht auch Mist.
Und nur, weil es noch schlimmer geht ist
ja etwas Schlechtes nicht gleich gut. Und
ja: Es gibt auch die Anderen – jene, die
alternativen Raum-, Wohn-, Mobilitätsund
Konsumpraxen leben. Aber das sind
zu wenige und diese Praxen sind noch
nicht gesellschaftsfähig genug, um politisch
nach dem aktuellen Kenntnisstand
aus Wissenschaft und Praxis Einzug in
die Realität zu finden. Das Thema Klimawandel
ist dank Greta Thunberg und ihren
Mitstreiter*innen, aber auch durch
die immer häufiger auftretenden Hitzewellen
mit knapp 40 Grad im Schatten
endlich oder zumindest vorübergehend
in der gesellschaftlichen Mitte angekommen
– 47 Jahre nach Erscheinen der
vom Club of Rome beauftragten Studie
Die Grenzen des Wachstums (Meadows
1972). Jetzt heißt es auch entsprechend
Handeln und die Große Transformation
(wbgu 2011, Paech 2018) anzugehen.
Welche Rolle aber können dabei die Planer*innen
spielen?
„Es ist genug. Täglich verstoßen wir, verstoßen
Gesellschaft und Politik gegen
den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.
Mit der westlichen Lebenseinstellung,
alles jederzeit machen und haben zu
können, ist es vorbei. Unser Leben muss
sich an einem neuen, ökologisch vertretbaren
Maß ausrichten. Wir dürfen nicht
länger warten, bis sich das von Lobbyisten
beeinflusste Zögern und Abwarten
ändert. Wir müssen politisch denken
und handeln, müssen uns einmischen,
Eigeninitiative entwickeln und zivilen Ungehorsam
proben. Wir müssen zeigen,
dass der tägliche Umweltwahnsinn, wie
beispielsweise der ungebremste Flächenfraß,
der Vorrang von Neubauten
oder der Fetisch Mobilität, nicht alternativlos
ist. Ansonsten brauchen wir über
eine Zukunft nicht mehr nachzudenken.
Wir sind dran.“ So formuliert der Bund
Deutscher Architekten 2019 seine auf
dem 15. BDA-Tag in Halle verabschiedeten
Positionen für eine Klimagerechte Architektur
in Stadt und Land. Die hier zitierten
Ausführungen des I. Postulats „Politisch
denken und sich einmischen“ werden
durch neun weitere ergänzt: Erzählungen
für ein neues Zukunftsbild, Achtung
des Bestands, Intelligenz des Einfachen,
Bauen als materielle Ressource, Vollständige
Entkarbonisierung, Neue Mobilitätsformen,
Polyzentralität stärken, Kul-
Stadt & Land 19