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Marbacher Magazin 148: Der Wert des Originals

Das 2014 erschienene Marbacher Magazin von Heike Gfrereis und Ulrich Raulff mit einem Essay von Gottfried Boehm ist leider vergriffen. Wer nichts verpassen möchte, der kann die Reihe der "Marbacher Magazine" abonnieren: https://www.dla-marbach.de/fileadmin/shop/Abo-Formular_2019.pdf

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V OLKER WAHL<br />

Das ist schon ein erstaunliches Schriftstück, nicht zu vergleichen mit<br />

Friedrich Nietzsches ›Wahnsinnszetteln‹, in denen man immerhin noch<br />

einen Sinn entdecken kann. Ist es wirklich Nietzsches letzter Wille, der als<br />

Autograph in der privaten Sammlung Rosenthal-Levy, nunmehr im Nietzsche-Haus<br />

in Sils Maria, überliefert ist? Hier figurierte es bisher als<br />

<strong>des</strong>sen »Testament«.<br />

Nach allgemeiner Kenntnis von Nietzsches ›Umnachtung‹ muss es<br />

immerhin als seine allerletzte schriftliche Äußerung angesehen werden.<br />

In einer Veröffentlichung über diese bedeutende Nietzsche-Sammlung in<br />

Sils Maria ist zu lesen: »Nietzsche war nach seinem Aufenthalt in der<br />

Basler Irrenanstalt Friedmatt vom 18. Januar 1889 bis zum 24. März 1890<br />

Patient der Großherzoglich-Sächsischen Lan<strong>des</strong>-Irrenanstalt Jena. In<br />

der Jenaer Klinik ›las‹ er oft in Büchern der Bibliothek und machte Aufzeichnungen<br />

in Notizbücher. Das Jenaer Krankenjournal verzeichnet am<br />

5. Mai 1889: ›Gibt dem Arzt einen schmutzigen, unleserlichen Zettel<br />

als sein Testament.‹ Beim doppelseitigen, zerrissen überlieferten Zettel in<br />

der Sammlung Rosenthal-Levy handelt es sich vermutlich um dieses<br />

»Testament«, der wohl um dieser Bemerkung willen besonders aufbewahrt<br />

worden ist.«<br />

Wann allerdings dieses »Original« mit seinen zum Teil schwer entzifferbaren<br />

Kritzeleien, musikalischen Passagen und Textfragmenten Nietzsches<br />

entstanden ist, wer es in der Jenaer Irrenklinik an sich genommen und<br />

weitergegeben hat, bevor es ein halbes Jahrhundert danach der Nietzsche-Sammler<br />

erwarb, ist erst vor wenigen Jahren aufgedeckt worden.<br />

<strong>Der</strong> aus Breslau stammende Psychiater Richard Sandberg (1861 – 1912),<br />

der in den 1890er-Jahren bei dem Jenaer Klinikdirektor Otto Binswanger<br />

(1852 – 1929) assistierte, hatte von diesem 1895 nicht nur als Erster<br />

die Genehmigung zur Einsicht in Nietzsches Krankenakte, sondern auch<br />

»diesen Zettel von der Hand Nietzsche’s« erhalten. Auf dem Briefumschlag,<br />

in dem er den ursprünglich nur gefalteten und noch nicht getrennten<br />

Bogen, aufbewahrte, hatte er notiert, dass diese Aufzeichnungen<br />

75<br />

L ETZ E DINGE

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