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Marbacher Magazin 148: Der Wert des Originals

Das 2014 erschienene Marbacher Magazin von Heike Gfrereis und Ulrich Raulff mit einem Essay von Gottfried Boehm ist leider vergriffen. Wer nichts verpassen möchte, der kann die Reihe der "Marbacher Magazine" abonnieren: https://www.dla-marbach.de/fileadmin/shop/Abo-Formular_2019.pdf

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126<br />

1<br />

Quelle: Von Autographensammlern in drei Teile zerschnittenes und<br />

nun wieder zuammengefügtes Doppelblatt aus der vorletzten Fassung von<br />

Friedrich Hölderlins Freitheitskampf-Roman Hyperion (1797/99) – das<br />

Wasserzeichen <strong>des</strong> aus Frankreich stammenden und seit etwa 1790 auch<br />

in Deutschland erhältlichen Papiers zeigt eine Jakobinermütze und die<br />

umlaufende Inschrift »PRO PATRIA LIBERTATE« (›für Vaterland und<br />

Freiheit‹), die auf Sallusts Bellum Catilinae anspielt: »Nos pro patria, pro<br />

libertate, pro vita certamus; illis supervacaneum est pugnare pro potentia<br />

paucorum« (›Wir kämpfen um Vaterland, um Freiheit, um Leben; jene<br />

drängt nichts, für die Macht einiger weniger zu kämpfen‹).<br />

Mit dem Papier hat man, wenn man es zuspitzen möchte, den ganzen<br />

Roman in nuce in der Hand. Das Papier ist die Quelle, der Ursprung, aus<br />

der Hölderlin ihn entwickelt: Es nennt den Grund, für den die Romanhelden<br />

kämpfen, und gibt den Verlauf <strong>des</strong> Romans vor, in dem sie enttäuscht<br />

erkennen, dass ihr Kampf um Gleichheit ein Kampf um Macht geworden<br />

ist.<br />

2<br />

Ursprung der Poesie: Beschriebenes Bergahornblatt, das Peter Handke<br />

zusammen mit einer Lindenblüte in seinem »Terra rossa oder Die Wiederholung«<br />

betitelten Tagebuch zu einem Eintrag vom 9. Juni 1984 gelegt<br />

hat: »Bei der Arbeit (Mähen) wurden das Rot <strong>des</strong> Rotdorn und das Rot der<br />

Blutbuche hinten eins.«<br />

Handke, der zu dieser Zeit in Salzburg wohnt, hat ein Jahr zuvor in der<br />

Kriminalerzählung <strong>Der</strong> Chinese <strong>des</strong> Schmerzes (1983) die Linde immer<br />

wieder dann auftauchen lassen, wenn die Hauptfigur Andreas Loser,<br />

ein Altphilologe, der in Vergils Lehrgedicht Georgica liest, seine Salzburger<br />

Umgebung genau anschaut und in ihr die Schönheit der antiken<br />

Poesie wiederfindet: »Die gelbe Fassade ist verkleidet mit einem leeren<br />

Spalier; hier sind früher die herzförmigen Marillen gewachsen. Das ganze<br />

M ARKT UND POLITIK

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