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Marbacher Magazin 148: Der Wert des Originals

Das 2014 erschienene Marbacher Magazin von Heike Gfrereis und Ulrich Raulff mit einem Essay von Gottfried Boehm ist leider vergriffen. Wer nichts verpassen möchte, der kann die Reihe der "Marbacher Magazine" abonnieren: https://www.dla-marbach.de/fileadmin/shop/Abo-Formular_2019.pdf

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sondern auf die skizzierte Sphäre materieller Hinterlassenschaften. Ist<br />

damit alles, was sich an Überbleibseln in Archivschachteln oder sonst wo<br />

findet auch originalitätsträchtig? Mitnichten. Es bedarf einer Bestimmung<br />

unterschiedlicher Intensitätsgrade. Mit der materiellen Identität, die etwas<br />

als authentisch oder echt ausweist, ist es nicht getan. Was es braucht,<br />

ist die Möglichkeit <strong>des</strong> Scheiterns produktiver Prozesse. Sie ermöglicht<br />

nämlich zugleich auch das Gelingen – in seiner jeweiligen Eigenart und<br />

Dichte. Solche Zeugnisse, die keinerlei Zugang zur Psychomachie der<br />

Gestaltung eröffnen, fallen auf die Seite <strong>des</strong> lediglich Antiquarischen. Ihr<br />

Originalitätscharakter ist schwach oder abwesend. Originale sind, kurz<br />

gesagt, nicht nur gemacht, sondern auch gewagt.<br />

In der Linie dieser Argumentation geht es darum, die Rolle <strong>des</strong> souveränen<br />

und geschichtsfernen Subjekts durch die <strong>des</strong> gestaltenden, handelnden<br />

und bewegten Menschen zu ersetzen – durch ein Körperwesen,<br />

das stets in Situationen verstrickt ist und in Spielräumen agiert. Damit<br />

aber gewinnt Zeit eine konstitutive Dimension.<br />

Jeder Anfang hat sein Geheimnis. Dann jedenfalls, wenn man ihn<br />

nicht als den ersten, abstrakten Punkt einer Zeitreihe begreift, als bloßes<br />

Startsignal eines zeitlichen Verlaufs, sondern als Quellpunkt sich<br />

entfaltender Möglichkeiten.<br />

Dazu bedarf es stets einer Konkordanz mit dem Ende, das seinerseits<br />

gesetzt ist. Beide zu verknüpfen ist eine Auszeichnung <strong>des</strong> Menschen,<br />

der im Übrigen sehr genau weiß, dass er dem Vergehen ausgeliefert ist.<br />

<strong>Der</strong> Autor eröffnet die temporalen Spielräume einer jeweiligen, gestalteten<br />

Welt, der Leser, Hörer oder Beschauer verwandelt sie in Erfahrungen,<br />

er legt sie aus.<br />

Originale, davon war viel die Rede, sind in die materielle Welt eingelassen.<br />

Das zeichnet sie gegenüber Begriffen, Ideen, Algorithmen oder Konzepten<br />

aus: Sie verkörpern sich. Und zwar im Augenblick, genau gesagt:<br />

als ein stehender Augenblick, der durch die Geschichte hindurch Stand<br />

hält. In diesem originären Augenblick verschränken sich ganz gegensätzliche<br />

Qualitäten zu einer wirksamen Größe: momentum und moment,<br />

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