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Marbacher Magazin 148: Der Wert des Originals

Das 2014 erschienene Marbacher Magazin von Heike Gfrereis und Ulrich Raulff mit einem Essay von Gottfried Boehm ist leider vergriffen. Wer nichts verpassen möchte, der kann die Reihe der "Marbacher Magazine" abonnieren: https://www.dla-marbach.de/fileadmin/shop/Abo-Formular_2019.pdf

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2<br />

Abkürzungszauber: Von Friedrich Nietzsche im August 1882 für Lou<br />

Andreas-Salomé bestimmt: »Zu Bett. Heftigster Anfall. Ich verachte das<br />

Leben. F N.«<br />

Nietzsche sagt so oft wie kaum ein anderer Philosoph ›Ich‹. In seinem<br />

Ecce Homo, entstanden sechs Jahre nach diesem Zettel, findet sich<br />

neben Kapitelüberschriften wie »Warum ich so weise bin«, »Warum ich so<br />

gute Bücher schreibe«, »Warum ich so klug bin« auch dieses Gedicht:<br />

63<br />

Ja, ich weiß, woher ich stamme:<br />

Ungesättigt gleich der Flamme<br />

glühe und verzehr ich mich.<br />

Licht wird alles, was ich fasse,<br />

Kohle, alles, was ich lasse<br />

– Flamme bin ich sicherlich.<br />

Für Lou Andreas-Salomé, die er erst im Frühjahr kennengelernt hat, setzt<br />

er seine Signatur unter das mit dem ›ich‹ lautverwandte Wort »verachten«.<br />

Ein Jahr später wird er in Rom »Ich« und »Ach« für Also sprach Zarathustra<br />

noch einmal zusammenbringen: »Licht bin ich: ach, dass ich Nacht<br />

wäre! Aber dies ist meine Einsamkeit, dass ich von Licht umgürtet bin. /<br />

Ach, dass ich dunkel wäre und nächtig! Wie wollte ich an den Brüsten <strong>des</strong><br />

Lichts saugen!«<br />

Im August 1882 entschuldigt er sich einen Tag nach seinem Migräneanfall<br />

wieder mit einer signierten Kurznachricht bei Lou: »Pardon für gestern!<br />

Ein heftiger Anfall meines dummen Kopfleidens – heute vorbei«. Als<br />

befürchte er, dass seine Verachtung ihr Mitleid auslöse. »Die Verachtung<br />

durch Andere ist dem Menschen empfindlicher, als die durch sich selbst«,<br />

hatte er vier Jahre zuvor in Menschliches, Allzumenschliches geschrieben.<br />

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