27.06.2021 Aufrufe

Kunstbulletin März 2021

Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.

Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Projekten definiert wird, wurde damals aggressiv behandelt und wird mittlerweile<br />

fortschrittlicher beantwortet: Autorschaft ist nicht immer eindeutig, sie kann im Gespräch<br />

entstehen. In der Schweiz werden immer noch oft Autorschaft und Autorität<br />

verwechselt. Ohnehin haben wir unsere Werkzeuge als Künstler eher aus der Erziehung,<br />

weniger aus der Kunst. Wir haben viel von unserem Vokabular über dreissig<br />

Jahre hinweg von Jugendlichen gelernt – nicht nur vom Kunstkontext.<br />

Morgenthaler: Ich bin jetzt doch nochmal kunstkritisch-schweizerisch: Weshalb<br />

nennt ihr die am Projekt Beteiligten am Ende nur mit ihren Vornamen?<br />

Riedweg: Wir haben mit allen besprochen, wie sie erwähnt sein wollen. Zwei Jugendliche<br />

etwa haben Pseudonyme, sie bauen sich gerade eine Youtuber-Identität auf.<br />

Dias: Es mag vielleicht so aussehen, als ob wir hier etwas nicht gelöst hätten. Aber weshalb<br />

müssen wir etwas lösen, das wir gesellschaftlich noch nicht gelöst haben? Was<br />

sind wir eigentlich, wer sind wir? Wie bauen wir unser Bild auf, stellen es dar, verkaufen<br />

es? Influencer und Influencerinnen machen beispielsweise in unserer medialen Welt<br />

viel mehr Geld als wir in der Kunst oder Erziehung, indem sie eine Präsenz aufbauen und<br />

verkaufen. Wir machen eigentlich das Gegenteil, wir zeigen die Realität so nackt und<br />

fragil, wie wir sie sehen. Manchmal fehlen die Namen, weil es die Leute nicht wollen.<br />

Schön, wenn es klappt<br />

Morgenthaler: Tatsächlich sitzt ein Protagonist in eurem Video in einer Art Game-<br />

Ausrüstung …<br />

Riedweg: Die Game-Welt ist das, was den Mind-Set dieser Kids ausmacht. Die grossen<br />

Gefühle werden in Games abgehandelt. Ich will verstehen, was da los ist. Wir können<br />

nicht die ganze Jugend ersaufen lassen in einer Welt, von der wir keine Ahnung<br />

haben! Das funktioniert alles über Identifikation, über die Fähigkeit, sich in die Geschichte<br />

hineinzudenken, die Geschichte zu erzählen, sich zu erzählen. Für unsere<br />

Selbsterzählungsversuche wird dann Bertolt Brecht wichtig: immer wieder den Fluss<br />

des Narrativs brechen, sich klarmachen, dass es eine Geschichte ist. Es ist wie das<br />

Zwitschern eines Vogelschwarms. Dass wir als Gesellschaft miteinander weiterzwitschern<br />

können, dafür müssen wir unsere je eigene Geschichte in Frage stellen …<br />

Dias:… oder an die Peripherie gehen. Wir finden oft Möglichkeiten, über etwas Schwieriges<br />

zu sprechen, wenn wir an die Peripherie von Dingen schauen. Sehr viel vom Niveau<br />

einer Demokratie wird greifbar, wenn man beobachtet, wie sie mit ihren Peripherien<br />

umgeht.Was uns wirklich interessiert:Wie können wir miteinander umgehen,<br />

und wie zeigt sich das gesellschaftlich.<br />

«Am eindrücklichsten an dem Wochenende im Johann Jacobs Museum war für<br />

mich das Handlesen. Dass es im Museum um Warenwege und auch um Kaffee<br />

geht, haben wir nicht wirklich thematisiert. Wir haben gezeichnet, woher wir kommen<br />

– diese Frage ist für mich nicht neu, sie ist für mich ganz normal, ich habe sie<br />

in der Schweiz schon hunderte Male beantwortet. Die Menschen brauchen eine<br />

Erklärung – sie fragen immer so viel!» Muad Abdikadir, Zürich, 3. Februar, <strong>2021</strong><br />

FOKUS // DIAS & RIEDWEG<br />

35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!