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Kunstbulletin März 2021

Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.

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Fotos und Videos, die Alltägliches, Erlebtes, Lustiges, Fragwürdiges oder Absonderliches<br />

zeigen, werden heute massenhaft produziert, ins Internet und in die sozialen<br />

Medien hochgeladen. Niemand kann sich diesem Kreislauf aus Fotografieren,<br />

Teilen oder Betrachten entziehen. Eva und Franco Mattes verfolgen und hinterfragen<br />

mit ihren Arbeiten den Stellenwert dieser Bilder in der vernetzten Gesellschaft.<br />

Auf humorvolle Art, und doch äusserst ernsthafte Themen aufgreifend, nehmen sie<br />

Besuchende ihrer Soloschau im Fotomuseum Winterthur mit auf einen Rundgang:<br />

Die Leitplanke – zuweilen auch eine Schranke – bildet ein räumlich in verschiedene<br />

Richtungen verlaufender, gelber Kabelkanal, der sämtliche Ausstellungsräume miteinander<br />

verbindet. Sinnbildlich steht dieser Kanal für den Datenstrom an Bildern,<br />

die laufend in weit verzweigte Netzwerke eingespeist oder darin übermittelt werden.<br />

Als Lebensader unserer Bildproduktion und -konsumation führt dieser Datenstrom<br />

dem Publikum, das letztlich ein weitgehend imaginäres bleibt, stetig neue Inhalte zu.<br />

Viele werden sich kaum damit befassen, welche Auswirkungen der Umgang mit<br />

digitalen Bildern auf uns und die Gesellschaft hat und welche Verhaltensweisen<br />

damit verbunden sind. Dem Künstlerduo gelingt es, abstrakte Themen, die mit der<br />

Übertragung von und der Auseinandersetzung mit digitalen Bildern verbunden sind,<br />

in den Ausstellungsraum zu überführen, sodass Besuchende selbst einmal zu Komplizen,<br />

ein andermal zu Voyeuren oder dann wieder zu Hinterfragenden werden.<br />

Aussortieren von Abgründigem<br />

Was täglich in der unüberschaubaren Bilderflut geteilt wird, ist keinesfalls immer<br />

harmlos. Content-Moderatorinnen und -Moderatoren entfernen im Auftrag grosser<br />

Internetfirmen wie Facebook, Google, Youtube oder Twitter fragwürdige Inhalte, und<br />

das oft unter prekären Arbeitsbedingungen. Billige Arbeitskräfte verrichten, unter<br />

Geheimhaltungspflicht und ohne zu wissen, für welche Internetplattform sie tätig<br />

sind, eine Arbeit, die genauso eintönig wie erschütternd ist. Sie überwachen die Inhalte<br />

in den sozialen Medien und werden gleichzeitig mit moralisch Anstössigem,<br />

Schockierendem und mit Gewalt immer neu konfrontiert. Doch automatisiert zu entscheiden,<br />

ob veröffentlichte Inhalte angemessen sind, dazu ist ein Bot, also die Maschine,<br />

nicht in der Lage. Fragen zur psychischen Belastung dieser Mitarbeitenden<br />

stellen sich ebenso wie nach den lokal und kulturell unterschiedlichen ethischen<br />

Kriterien, die für die Inhalte in sozialen Medien gelten.<br />

Die Installation ‹The Bots›, 2020, thematisiert diese ausbeuterische Auftragsmodell.<br />

In als Make-up-Tutorials getarnten Videos treten Schauspielerinnen und<br />

Schauspieler auf, die stellvertretend wiedergeben, was Content-Moderatorinnen<br />

und -Moderatoren einem investigativen Journalisten von ihren Arbeitsbedingungen<br />

berichtet haben. An der Wand geben Paneele der 2016 begonnenen Serie ‹Abuse<br />

Standards Violations› einen Einblick in geleakte Regelwerke, die bei dieser für Social-<br />

Media-Nutzende unsichtbar verrichteten Tätigkeit zur Anwendung kommen.<br />

Selbst physische Sichtbarkeit bedeutet nicht, dass es sich beim Gesehenen um<br />

das Wesentliche handelt. Ein metallisch grauer Kabelkanal bildet eine Raumskulptur<br />

26 <strong>Kunstbulletin</strong> 3/<strong>2021</strong>

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