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Kunstbulletin März 2021

Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.

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Meine nackten Freundinnen<br />

Zürich — Über vierzig Jahre, tausend Begegnungen:<br />

Da darf man schon von einer vertrauten Beziehung<br />

sprechen. Die grösste dieser Gestalten,<br />

die mir längst ans Herz gewachsen sind, hat in<br />

all diesen Jahren ein offenbares Geheimnis mit<br />

mir geteilt. Der haushohen Stele aus Beton, auf<br />

der sie sich in den Himmel reckt, hatte jemand<br />

einst, von unten nach oben und der Pfeilerrichtung<br />

folgend, drei grosse Buchstaben aufgemalt:<br />

L O V. Ein klarer Fall von Liebe ohne Ende.<br />

Inzwischen ist die Aufschrift verschwunden;<br />

das ‹Mädchen mit erhobenen Armen› aber steht<br />

unverrückbar da, gar nicht so mädchenhaft in<br />

seiner kraftvollen bronzenen Spannung, in der<br />

etwas Befreiendes, Selbstbewusstes steckt.<br />

Das 1939 entstandene Werk von Hermann Haller<br />

wurde erst 1968 am Ende der Landiwiese in der<br />

Nähe der Saffa-Insel platziert. Von den vielen<br />

Spaziergängern, die in Coronazeiten die Zürcher<br />

Seeufer zusätzlich bevölkern, scheint sie kaum<br />

einer je zu bemerken.<br />

Wirklich mädchen- und ein klein wenig schamhaft<br />

zeigt sich hingegen die lebensgrosse Bronzefigur<br />

nicht weit von ihr. Oder friert sie nur?<br />

Sie blickt, den Kopf mit dem wehenden Haar<br />

über die Schulter gewandt, zum See, von wo<br />

der Wind zu kommen scheint, der ihr den Namen<br />

gegeben hat. Das anmutige ‹Mädchen im<br />

Wind› tut mir immer ein bisschen leid: so nackt<br />

und nah am befahrenen Mythenquai, nicht weit<br />

von Veloabstellplätzen und Plakatständern. Die<br />

meisten, die an ihr vorübergehen, interessieren<br />

sich, wenn überhaupt, mehr für den Brunnen<br />

mit rundem Granitbecken, der zu ihr gehört,<br />

und der wie sie selbst ein Werk von Otto Münch<br />

ist. Seit 1939 steht die 1936 geschaffene Schöne,<br />

Verletzliche verloren an ihrem Platz. Ich will<br />

sie in Zukunft noch etwas lieber haben.<br />

Kein Problem mit dem Standort im Arboretum<br />

am Ende des linken Seeufers hat die älteste<br />

meiner nackten Freundinnen. Vom lauten<br />

General-Guisan-Quai trennen sie Bäume und<br />

Sträucher, die Gurkenmagnolie ist ihre Nachbarin.<br />

Die zauberhafte, klassische Eva aus Bronze<br />

mit attraktivem Po und raffinierter Patina, die<br />

ihr ein eng anliegendes Halskettchen beschert<br />

hat, ist die einzige, bei der der Künstler sichtbar<br />

vermerkt ist: der Däne Einar Utzon-Frank.<br />

1921 entstanden, steht sie seit 1931 an ihrem<br />

Platz. Doch trotz Schlänglein und Apfel in ihrer<br />

Linken: Sie ist nicht Eva, sondern Aphrodite,<br />

Schönste unter Schönen. Angelika Maass<br />

Hermann Haller · Mädchen mit erhobenen<br />

Armen, 1939, Bronze<br />

Otto Münch · Mädchen im Wind, 1936, Bronze<br />

Einar Utzon-Frank · Aphrodite, 1921, Bronze<br />

→ Aussenraum, zwischen Landiwiese und<br />

Arboretum, immer, auch in Coronazeiten<br />

HINWEISE // ZÜRICH<br />

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