Kunstbulletin März 2021

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Editorial — Video ist näher am Leben… Erinnern Sie sich an Ihren ersten Fernseher? Im Hinblick auf die Mondlandung kauften unsere Eltern ein brandneues Gerät. Und so setzte der weiss vermummte Astronaut seinen Fuss nicht nur auf die Krateroberfläche, sondern mitten in unser Wohnzimmer. TV war Ende der 1960er-Jahre ein modernes Medium, parallel dazu entstanden die ersten Videos – auch in der Kunst. Andy Warhol begann 1965 mit einer Videokamera zu hantieren, andere folgten bald nach. So der Amerikaner Keith Sonnier. Für seine Projektion ‹T-Hybrid-VI› von 1971 hat er unterschiedliche Filmszenen zusammengeschnitten und so nebeneinander montiert, dass die Bildfläche mittig geteilt wird: Links sehen wir eine Person in Nahaufnahme und hören, wie sie zählt – ein Soundtest? –, rechts flimmern aus dem Fernsehprogramm abgefilmte Bildsequenzen. Die leuchtenden Farben sind einem Special-Effect-Filter geschuldet. Sonnier führt uns vor, wie er sich das Medium zu eigen machte: Moiré, Bildstörungen, Beleuchtungsfehler waren willkommen – als visuelle Effekte einer künstlerischen Sprache, die eine neue Unmittelbarkeit mit sich brachte: «Wir werden nie die grossen Dinge von Video erwarten, die wir vom Theater oder Film erwarten. Die kommen als Überraschung und Nebeneffekt. Video ist näher am Leben als seine Mitstreiter. Video ist Gedanke zu Gedanke, nicht Gedanke zum Publikum. Das Publikum ist potenziell riesig, aber intim.» Was Sonnier 1972 einem Kritiker von Artforum sagte, ist immer noch gültig. Ebenso Marshall McLuhans epochales Motto «the medium is the message». Dass die spontanen Youtube-Filmchen und Zoom-Aufnahmen heute so flackern wie damals die Bilder vom Mond, lädt sie zusätzlich auf. Unvorhergesehenes spielt bei den gewaltigen, über Satelliten gelenkten Datenströmen auf ebenso faszinierende wie unheimliche Weise mit. Claudia Jolles TITELBILD · Keith Sonnier · T-Hybrid-VI, 1971, Schwarz-Weiss und Farbe, 12’, Ton, Ausstellung Kunsthaus Baselland, Smlg. Kunstmuseum St. Gallen, Schenkung des Künstlers © Estate of Keith Sonnier 3
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