Kunstbulletin März 2021
Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.
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Monika Feucht — Signum – Systeme<br />
Baumrinden haben Augen, Flechten kommunizieren, Schattenwürfe<br />
werden zu Trägern von Körpererweiterungen. Monika<br />
Feucht gibt den übersehenen Strukturen in den Dingen und Begebenheiten<br />
des Alltags zeichnend eine visuelle Stimme. Sie<br />
mischt Zeichensysteme neu auf.<br />
Zug — Signalartig reagiert Monika Feucht auf kleinste Details ihrer Umgebung, die<br />
sie in Heften skizziert und als Fundus sammelt. Zu gegebener Zeit können sie zu<br />
Auslösern oftmals als Gruppe realisierter Werke werden. ‹Signum – Systeme› heisst<br />
ihre Ausstellung, die sich über die verzweigten Räume auf den drei Etagen der Galerie<br />
Carla Renggli verteilt. Die Linie, die sich zur Fläche, zum Objekt, zur Installation und<br />
zum übergreifenden Verbindungsstrang weitet, zieht sich als bildnerisches Leitmotiv<br />
durch ihr vielgestaltiges und medial vielfältiges Schaffen. Die Linie im Beziehungsgeschehen<br />
von Verästelungen und kapillaren Vernetzungen wird zur Metapher für kommunikative<br />
Systemzusammenhänge und ihnen innewohnende Transformationen.<br />
Für Monika Feucht wird die Zeit zum Werkzeug. Sie setzt in einer meditativen Versunkenheit<br />
und einer kräftezehrenden Arbeitsweise Strich um Strich auf das Papier<br />
von teils monumentaler Grösse. In einem nächsten Schritt reagiert sie auf punktuelle<br />
strukturelle Verdichtungen. Inspiration dabei ist ihr, im Gegenzug zur digitalen<br />
Lebenswelt, der reale Kontakt mit Orten und Landschaften, organischen Fundstücken<br />
und Alltagsgegenständen: Es handelt sich um ein «Einwohnen», ein Anpassen<br />
im Sinne einer Verinnerlichung durch Berührung – die künstlerische Umsetzung verbindet<br />
sich mit einer philosophischen Denkhaltung. ‹Wo ich wirklich war› heisst eine<br />
fiktive Landschaft, die in Paris entstand, deren mögliche reale Verortung jedoch eher<br />
im engsten Umfeld von Monika Feuchts Wohnort Luzern zu finden ist. Ein Aufenthalt<br />
2018 in Genua, im Atelier des Bildhauers Schang Hutter, hat vertiefte Reflexionen ausgelöst.<br />
Anders gelagert war diesmal das Einwohnen – Einsamkeit herrschte vor. Mit<br />
schnellem Strich und erstmals mit Chinatusche gestaltete Feucht hier tagebuchartige<br />
Zeichnungen. Zudem reagierte sie auf das von Schang Hutter selbst entworfene<br />
Mobiliar und schuf sich mit der Arbeit ‹Meubler sa solitude› einen kokonartigen<br />
Entfaltungsraum. Mit Gouache und Leuchtfarbe bemalt, schweben zwei Stühle und<br />
ein Tisch als Papierobjekte installativ vor einer Wand. Im Untergeschoss der Galerie<br />
begegnet man paarweise einander gegenübergestellten Tischen, «gedeckt» mit wie<br />
Tischsets erscheinenden Zeichnungen, in deren Mitte weiss grundierte Suppenteller<br />
die Umgebung in ihrem Inneren spiegeln. Die Zahl der Tische in ‹La Cena – Mein täglich<br />
Brot› spielt mit der Anlehnung an das Abendmahl und thematisiert die Dringlichkeit<br />
künstlerischen Tuns. Signum wird zum Losungswort. Sabine Arlitt<br />
→ ‹Monika Feucht – Signum – Systeme›, Galerie Carla Renggli, 3.3.–3.4.<br />
↗ www.galerie-carlarenggli.ch<br />
76 <strong>Kunstbulletin</strong> 3/<strong>2021</strong>