27.06.2021 Aufrufe

Kunstbulletin März 2021

Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.

Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gianni Motti — Ex-Position21<br />

Der Künstler Gianni Motti widmet seine Ausstellung in der<br />

Galerie Mezzanin in Genf dem Nachdenken über das System der<br />

Pandemie. Was nehmen wir davon wahr und wie verändert sie<br />

uns? Wie so oft findet er für komplexe Situationen radikal einfache<br />

Bilder und Objekte.<br />

Genf — Vor den makellos weissen Wänden der Galerie Mezzanin, unter dem klinischen<br />

Licht von Neonröhren, steht in der Mitte des Raums ein leeres Krankenhausbett.<br />

Ein Kissen, weisse Laken, zwei Infusionsflaschen. Mit dieser symbolhaften<br />

Geste berührt der Genfer Künstler Gianni Motti (*1958, Sondrino) den Kern der gegenwärtigen<br />

Pandemie-Situation. Was löst diese Covid-Grippe in unserem Körper, in<br />

unserer Gesellschaft aus? Das leere Bett – durchs Schaufenster ist es 24 Stunden zu<br />

sehen – stösst Fragen an, die das System der Pandemie beleuchten. Zwischen dem<br />

Erkennen und Behandeln von Symptomen und den Massnahmen, die verhindern,<br />

dass sie überhaupt entstehen, ist in den vergangenen Monaten eine ganz eigene Geschäftigkeit<br />

entstanden. Vor allem die politischen Vorgaben – ihrerseits basierend<br />

auf Forderungen unterschiedlichster Gruppierungen – treiben sie an. Abstandsregeln,<br />

Laden- und Restaurantschliessungen, Kurzarbeitsverordnungen, Maskenpflicht,<br />

Reisebeschränkungen und Schuldenbudgets halten uns in Bewegung. Und<br />

immer bedrängt uns zugleich die leise Sorge: Funktioniert das medizinische System,<br />

wird es uns gute Behandlung anbieten?<br />

In diesem Kontext der allgegenwärtigen Kontrolle, des merkbaren Verlustes individueller<br />

Freiheiten sowie einer Flut ungezügelter Ängste und Fantasien aller Art will<br />

dieses Bett – gefertigt in China – ein Spiegel unserer Zeit sein. Eine Zwischenstation<br />

zwischen positiv und negativ, zwischen Rettung und Sterben. Gianni Motto legt den<br />

Finger mitten in den wunden Punkt. Dort, wo es weh tut, da, wo wir traurig werden.<br />

Aus der heutigen Warte liest man möglicherweise auch eine frühe Arbeit anders,<br />

die in der kleinen Ausstellung im Kabinett der Galerie hängt: In einer Schwarzweissfotografie<br />

von 1978 sieht man den Künstler auf einem Bahngleis liegen, der Titel lautet<br />

‹Distacco›, Distanz. Das Foto dokumentiert eine Performance in St. Moritz, der<br />

Zug ist nicht zu sehen, doch die latente Gefahr ist offensichtlich.<br />

Ebenfalls im Kabinett erregt eine Bronzeskulptur unsere Aufmerksamkeit: Ein<br />

Arm hält eine Zirbennuss. Die Frucht der Sibirischen Zeder ist ein altes Symbol der<br />

Wahrnehmung und Erkenntnis und wurde schon von den Ägyptern geschätzt. Die<br />

Schuppen der Nuss scheinen immer wieder auch in Kopfbedeckungen von Buddha-<br />

Darstellungen auf. Gianni Motti reicht uns in der Bronzeskulptur ‹Evento mentale›,<br />

2020, mit der Zirbenfrucht ein Zeichen der Zuversicht und Freude. Sibylle Omlin<br />

→ ‹Gianni Motti – Ex-Position21›, Galerie Mezzanin, bis 6.3. ↗ www.galeriemezzanin.com<br />

70 <strong>Kunstbulletin</strong> 3/<strong>2021</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!