Kunstbulletin März 2021
Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.
Unsere April Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Eva & Franco Mattes, Dias & Riedweg, Markus Weggenmann, David Knuckey, uvm.
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Auf der Website des Johann Jacobs Museum sind aktuell nur<br />
kurze Filme von Dias & Riedweg zu sehen – und das seit 1993<br />
zusammenarbeitende Duo ist nicht einmal auf den ersten Blick<br />
als Urheber zu erkennen. Bleibt also mehr Zeit für ein langes<br />
Gespräch über Nachhaltigkeit, Autorschaft – und darüber, dass<br />
diese oft mit Autorität verwechselt wird. Daniel Morgenthaler<br />
Morgenthaler: Das Johann Jacobs Museum will, gemäss Homepage, statt «mit zweifelhaftem<br />
Erfolg analoge Formate (wie Ausstellungsbesuche) digital aufbereiten,<br />
die genuinen Möglichkeiten des digitalen Raums nutzen». Ich könnte jetzt frech<br />
sagen, ich hatte nur zweifelhaften Erfolg dabei, das Video zu eurem Projekt für die<br />
Ausstellung ‹Lebenslinien› genau zu deuten. Was sehe ich da?<br />
Dias: Du siehst da einen filmischen Arbeitsbericht über einen Wochenend-Workshop<br />
zum Projekt ‹Weg Zurück Da›. Es ist eine partizipatorische Arbeit, die im Bereich der<br />
Kunstpädagogik angesiedelt ist, aber auch als Kunstprojekt registriert werden soll.<br />
Du siehst aber auch, wie sich ein partizipatives Projekt unter den aktuellen Pandemie-Umständen<br />
gestalten lässt. Es war eine sehr zerbrechliche Struktur – mit Menschen,<br />
die teils in einer sehr zerbrechlichen Realität leben.<br />
Morgenthaler: Ihr begebt euch immer wieder in zerbrechliche Realitäten, in das Milieu<br />
männlicher Sexarbeiter in Barcelona, in ein Gefängnis in Atlanta, in Favelas in<br />
Rio. Wie passt da das Johann Jacobs Museum hinein?<br />
Riedweg: Mauricio Dias und ich haben neben unserer künstlerischen Arbeit beide ein<br />
Leben lang im Schulkontext gearbeitet. Bei Schuleinsätzen in Volketswil habe ich<br />
junge Syrerinnen und Syrer kennengelernt, mit denen ich oft das Johann Jacobs Museum<br />
besucht habe, weil da immer interessantes Material für uns vorhanden war.<br />
Museumsdirektor Roger Buergel – wir kennen ihn von der documenta 12 – hat schon<br />
bei diesen Besuchen in die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den Jugendlichen<br />
investiert.Als er uns dann mit einer Gruppe dieser und weiterer junger Menschen, die<br />
nicht in der Schweiz aufgewachsen sind, für das Ausstellungsprojekt ‹Lebenslinien›<br />
eingeladen hat, hat sich diese Bekanntschaft von der Schule gelöst. Eigentlich wollten<br />
wir ein einwöchiges Lager machen. Wegen Corona blieb es am Ende bei einem<br />
Wochenende im Museum mit Wahrnehmungsübungen und Selbsterzählungsversuchen.<br />
Ich sehe diese Arbeit im Grenzbereich von Erziehung und Kunst. Da, wo sich<br />
diese beiden stimulieren.<br />
Morgenthaler:Mir ist aufgefallen, dass ihr nicht sofort als Urheber dieses Arbeitsberichts<br />
hervortretet. Ist das eine Strategie, die Autorschaft auszuhebeln? Bei partizipativ-kollaborativen<br />
Projekten wird ja oft kritisch gefragt, wer denn eigentlich<br />
die Arbeit macht, wer die Autorschaft beanspruchen darf.<br />
Dias: Das ist so eine alte Frage … 1995 hat uns Ursula Biemann zur Ausstellung ‹Aussendienst›<br />
in die Shedhalle eingeladen. Wir haben das Projekt ‹Innendienst› mit<br />
25 Zürcher Schulhäusern realisiert. Die Frage, wie Autorschaft in partizipatorischen<br />
34 <strong>Kunstbulletin</strong> 3/<strong>2021</strong>