Sammelband biodynamische landwirtschaft i ... - Demeter
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Etwas über den Organismus<br />
Ursula Kothny<br />
Wir wollen uns heute mit dem Begriff Organismus beschäftigen,<br />
wollen den Erscheinungen und der Gesetzmäßigkeit,<br />
die in der Entfaltung des Organischen in der<br />
Natur walten, etwas näher kommen.<br />
Sie müssen den Organismus verstehen lernen, wenn<br />
Sie Ihren Betrieb als einen <strong>landwirtschaft</strong>lichen Organismus<br />
gestalten und bearbeiten wollen.<br />
Der Organismus ist immer ein Ganzes<br />
Wann sprechen wir von Organismus? Was zeichnet dieses<br />
als Organismus aus, und jenes als ein anorganisches Objekt?<br />
Sie alle kennen die Begriffe organische und anorganische<br />
Naturwissenschaften. Elemente, Steine, Kristalle,<br />
Metalle gehören der anorganischen Natur an. Warum?<br />
Weil sie in sich nicht belebt sind. Weil für sie die physikalisch-mechanischen<br />
Gesetze rein von außen gelten<br />
und sie selber nicht die Möglichkeit in sich tragen, auf<br />
diese Auswirkungen aus eigenem Antrieb zu reagieren,<br />
oder diesen etwas entgegen zu stellen. Pflanzen, Tiere,<br />
der Mensch, die Millionen Mikrolebewesen und Bakterien<br />
gehören der organischen Natur an. Wir sind darin<br />
geschult worden, die organische Natur mit den gleichen<br />
Augen und Denkmustern zu betrachten wie die anorganische<br />
Natur; nämlich nach physikalisch-mechanischen<br />
Gesetzmäßigkeiten.<br />
Mit dieser Betrachtungsweise kann man zwar den Aufbau<br />
und die Funktionen der organischen Natur begreifen,<br />
niemals aber die in ihr waltenden Gesetze. Noch weniger<br />
die Impulse, welche sich nach eigenen Rhythmen<br />
und Entwicklungsschritten entfalten und gleichzeitig den<br />
notwendigen Freiraum für die Anpassung an äußere<br />
Gegebenheiten beinhalten.<br />
Organismus<br />
Man nimmt so lediglich Auswirkungen von Bedingungen<br />
wahr, nicht aber die Ursachen, das Organische<br />
an sich. Will man Organismus begreifen, muss man<br />
Leben erfassen; muss man begreifen, wie sich das Lebendige<br />
im Organismus zur Geltung bringt. Ein Leichnam<br />
behält wohl eine Zeit lang Form und Größe, Farbe<br />
und Lage der einzelnen Teile zueinander, abhängig von<br />
Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit, etc., aber das Wesentliche<br />
fehlt – das die Teile untereinander verbindende<br />
Lebensband, und das dadurch jeden einzelnen Teil Belebende.<br />
Das Organische kann nicht auf die gleiche Weise<br />
erforscht werden, wie das Anorganische.<br />
Wir möchten heute den Versuch starten, das Organische<br />
mit den Augen Goethes zu betrachten. Die<br />
geisteswissenschaftlichen Grundlagen für die <strong>biodynamische</strong><br />
Landwirtschaft hat Rudolf Steiner anhand der naturwissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse Goethes entwickelt.<br />
Wollen Sie Goethes Denk- und Erkenntniswege gehen, so<br />
studieren Sie, wenn Sie das Poetische lieben, den Faust;<br />
wenn Sie mehr Zugang zum Prosaischen, Sachlichen<br />
verspüren, seine naturwissenschaftlichen Schriften. Zu<br />
Ersterem: „Wer das Lebendige will beschreiben, sucht<br />
erst den Geist heraus zu treiben. Dann hat er die Teile in<br />
seiner Hand, fehlt leider nur das geistige Band.“ 1<br />
Sehen Sie, damit haben wir gleich eines der Grundprinzipien<br />
des Organischen ins Auge gefasst, welches schon<br />
Platon und Aristoteles erkannt hatten: In der Organik<br />
herrscht stets das Prinzip der Ganzheit, das ganzheitlich<br />
gestaltende Organisationsprinzip. Es gibt keinen halben<br />
Organismus. Ein Organismus ist immer ein Ganzes, egal<br />
wie er uns erscheint und in welchem Entwicklungsstadium<br />
er steht. Wir können wohl Teile eines Organismus<br />
betrachten und untersuchen, das Organische dieser Teilbereiche<br />
nehmen wir aber nur wahr, wenn wir den<br />
1 Goethe, Johann Wolfgang: „Faust“, Aufbauverlag Berlin<br />
und Weimar, 1984<br />
Seite 29