22.06.2022 Aufrufe

Blogtexte2022_1-Halbjahr

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Durch die Blume geschaut

Mai 1, 2022

Google, Mountain View, Kalifornien; der

Gigant hat ein Zuhause. Es gibt andere Suchmaschinen,

aber wer etwas wissen möchte,

googelt. Das Wort macht den Marktführer.

Was ist ein Algorithmus? Das ist ein Wort

wie „Google“, für die meisten nicht mehr als

ein Erklärungsprinzip. Genauso der Staat, die

Polizei, Ärzte; es sind Sammelbegriffe. Menschen

stehen dahinter. Unsere rechtsstaatliche

Demokratie ist ein geregeltes System.

Wie jede Behörde oder Unternehmen:

Menschen arbeiten dort. Sie gestalten die

Funktionalität entsprechend der gewünschten

Struktur. Eine Internetsuchmaschine

muss suchen, die Polizei muss Regelverletzungen

aufspüren, und die Politik soll das

Gemeinwohl vertreten. Soweit die Theorie.

Das Ganze ist glaubwürdig, schafft Vertrauen.

Viele sind davon überzeugt, sich selbst

im Rahmen einer guten Struktur verwirklichen

zu können. Die Mehrheit bestimmt, wie

es sein soll bei uns. Wo es Mehrheiten gibt

– und wenn viele die Demokratie gestalten,

sind diese ein größerer Block, der sich engagiert

– gibt es auch einen kleineren Rest der

anderen, die damit nicht klarkommen, wie

es ist. Diese wollen nicht mitmachen oder

können es nicht und sind unfähig, ein alternatives

System auf die Beine zu stellen. Auf

der anderen Seite wächst Frust. Ein Teil der

Gesellschaft fühlt sich nicht mitgenommen.

# Wir brauchen Künstler

Querdenker zu sein, galt den Menschen als

kritische Würdigung, bis dieser Begriff in

Verruf geraten ist. Man übersieht, dass schöne

Worte nicht genügen. Unsere Gesellschaft

lebt vom Konsum. So lernen wir alles, was

es gibt, über Namen kennen, die bereits eine

Werbung dafür bedeuten und überhöhen

jedes Ding und Aktivität mit einem Begriff.

Es gibt scheinbar das Tierwohl oder den

ökologischen Fußabdruck. Worte machen

Druck. Folge und kaufe mich! Um dabei zu

sein, wenn eine Mode aufkommt gingen die

Leute schon immer mit. Manipulation bedeutet,

Menschen in einen Kanal zu schleusen

und ihnen Beine zu machen. Manche

sind bereit, die Langsamen totzutreten. Der

Follower ist das Vieh, das

gerne zum Schlachthof

rennt. Überspitzt gesagt,

meint man zu bemerken,

dass wir Lemminge an

unserer Seite haben,

mitreißende Mitreisende

der aktuellen Strömung

und nicht die mündige

Gesellschaft, die sich den

Rahmen wählt, in dem

sie sein möchte. Vom

Verkäufer der aktuellen

Idee geködert, ist diese

Herde noch glücklich,

sich für denjenigen zu

opfern, der sie treibt.

Uraltes menschliches Sozialverhalten

kann nach

dieser Methode als Mittel

genutzt werden, perfektioniert

wie alles heute im

Wandel der Zeit.

Bezeichnungen mutieren zu Platzhaltern,

deformieren die Person zu einem Fußball,

den die Masse nach Belieben tritt. Ein Ventil

für diejenigen, die selbst nicht sportlich

sind. Unsere Kanzler haben kein eigenes

Profil mehr, es wird gemerkelt. Man wartet,

bis die Leute scheinbar von selbst eine

Richtung bekommen und setzt sich lenkend

an ihre Spitze. Gerhard Schröder bedeutete

uns Kanzler, dann Altkanzler, schließlich

Lobbyist, und nun ist der Unbeirrte einfach

nur noch eine Unperson, auf der jedermann

herumhackt. „Aus der Zeit gefallen“, sagen

die heute Schlaueren. Der Trend bestimmt,

was richtig ist.

Eine gefährliche Entwicklung.

Viele merken es nicht. Bei der Mehrheit zu

sein, genügt ihnen. Wer kein Profil hat und

das eigene Denken auch nicht vermisst,

bedient sich im Baukasten der Individuen

und verwirklicht sich nach dem Franchise-

Prinzip. Das läuft so eine Zeit lang ganz gut.

Bis dann die große Leere im Leben kommt.

Man kann leicht nachvollziehen, dass

manche spät aufbrechen, etwas Eigenes zu

beginnen. Ich habe bereits im Kindergarten

gezeichnet, dass alle nur so staunten. Ich

muss nichts Neues anfangen. Nur meine

soziale Integration musste angepasst und an

den Schenefelder Gebräuchen ausgerichtet

werden. Klappt ganz gut inzwischen. Das ist

ein Dorf wie das globale auch, ein kleiner,

blöder Globus westlich von Hamburg, im

Osten Pinneberg zugeteilt. Das lernt man.

Ich wollte mich einbringen! Meine Motivation

ist die Mitgestaltung der Gesellschaft

gewesen. Ich konnte einfach so fröhlich

sein und mitmachen für eine gute Sache.

Das geht nicht mehr. Naivität schadet der

Gesundheit. In einem Prozess von mehreren

Jahren habe ich meine Haltung zum Staat

geändert. Es hat sich gezeigt, dass, wer Profil

entwickelt, die Kanten ausbildet, die andere

brechen möchten. Immerhin: Meine sind zu

hart dafür. Ich bin zu einem Stein im Getriebe

der Zahnräder geworden. Ich treibe keine

Motoren für andere mehr an. Ich breche den

Lauf der Maschine durch mein Blockieren.

Mein Vertrauen in den Apparat ist dahin. Ich

sei wohl selbst daran schuld, könnte man

annehmen? Das ist nicht von Bedeutung.

Schuld zu sein, ist nicht relevant im Lebensentwurf

oder vermeidlich zum Glücklichsein,

finde ich. Wer schuldig ist, wird bestraft, das

ist bekannt. Das kann man auch größer als

juristisch sehen. Dann erkennt derjenige, der

Probleme hat, ein Prinzip.

# Der andere ist immer gegen dich

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,

gebietet die Religion. Das begreife ich als

Angebot. Eine Pflicht, deren Umsetzung es

erst einmal zu erlernen gilt. Ein gelungener

Gedanke, der deswegen bis heute anregt,

ausprobiert zu werden. Wenn das einfach

wäre, hätte niemand so gedacht oder diesen

Rat ausgesprochen. Nicht einmal Gott selbst

hätte uns damit beauftragt. „Schäle die

Kartoffeln besser unter dem Wasserhahn“, ist

einfach; das meine ich. Unser Nächster wird

gegen uns sein, davon dürfen wir ausgehen.

Neid, Missgunst, was weiß ich. Unsere Entscheidung

kann dagegen sein oder mit, im

dritten Fall noch auszuweichen und neutral

bleiben.

Vor kurzem bin ich am Bahnhof-Altona

herumgelaufen. Ich hatte eine knappe halbe

Stunde zu warten. Meine Aufgabe war, jemanden

abzuholen. Der Zug erschien pünktlich

auf der Anzeigetafel, aber ich hatte mir

eine Reserve einberechnet, falls es mit der

Suche nach einem guten Parkplatz dauern

würde und fuhr absichtlich ein wenig zu

früh dorthin. Ich habe keine Lust auf eines

der Parkhäuser. Ich wollte lieber seitlich der

Autoreisezüge in der kleinen Straße parken,

in die man nach dem Lessingtunnel einbiegt,

beziehungsweise in der Verlängerung der

Hartkortstraße, wenn man Boesner passiert

hat. Das war auch leicht hinzubekommen.

Ich fand meine Haltebucht links, direkt am

Parkscheinautomat vornan. Drei Euro für

eine Stunde wurde verlangt. Das habe ich

bezahlt, um dann ein wenig den Berg rauf

zu bemerken, dass es nur einige Parkplätze

dichter zum Bahnhof mit Parkscheibe für

zwei Stunden kostenlos gewesen wäre. Es

ist eine Einbahnstraße. Man hätte sich auskennen

müssen, und ein wenig Glück gehört

dazu. Sonst hieße der Fehlversuch, einmal

den ganzen Block zu runden. So ist es oft,

auch anderswo im Leben. Wer etwas nicht

weiß, zahlt einfach den verlangten Preis und

freut sich dabei über eine gelungene Aktion.

Ich sah die günstigere Gelegenheit erst, als

Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 69 [Seite 69 bis 71 ]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!