Blogtexte2022_1-Halbjahr
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einmal denken, dies in vergleichbarer Weise
zu tun. Meine Kunst ist brotlos! Gut möglich,
dass ich erhebliches Potential verschenke
und weitaus besser sein könnte? Man müsste
die anderen offensiv damit konfrontieren,
um das herauszufinden und würde sich im
Austausch mit Rezipienten unzweifelhaft
steigern. Ich entferne mich von ihnen,
verschenke Tage, werfe mein Leben bewusst
fort, den möglichen Erfolg, um eine künstlerische
Zukunft inklusive Anerkennung vom
Ansatz her zu zerstören. Ich möchte meinen
Zorn behalten. Das ist die Motivation.
Die Bilder, meine Texte, damit verdiene ich
weder Geld, noch bekomme ich Anerkennung.
Ich kann das einfach
nicht. Frustration
treibt mich ins Abseits.
Ich stelle mich schon
durch meine Motivwahl
gegen die Erwartungen,
kümmere mich nicht
um etwaiges Vorankommen.
Ich nehme
mir keine Zeit für Kollegen,
die bewundernswert
arbeiten oder echte
Sammler, Galeristen
mit kreativen Verstand,
obgleich ich überzeugt
bin, dass sie existieren.
Es gibt so aufregende
und faszinierende
Kunst, das bemerke ich
zufällig, wenn ich auf
etwas stoße, das ganz aktuell ist und mich
tief berührt. Ich gehe dann sofort davon weg
und probiere, mich mit anderem zu beschäftigen.
Ich schaue es mir nicht an.
Ich denke an meine „Kunstfreundin“, wie
sie mitgegangen ist bei den Dummen und
empfinde in so einem Moment, dass ich nie
wieder aktiv Teil meiner Träume sein will.
Ich möchte mir einen Schatz der Erinnerung
bewahren. Da gibt es keine Zukunft, die sein
könnte, was ich verpasste, weil ich nichts
merkte. Sie war die mögliche Vergangenheit,
ein Modell davon, um zu verstehen, was
hätte sein können. Eine Vision zu kennen
und die Vernunft zu besitzen, auf diesen
Traum verzichten zu können, ist wohl mehr,
als ein verstörter Mann erwarten kann,
noch zu begreifen. Dafür gibt es keine Pille.
Nur ich selbst weiß, dass ich weit ging, um
dieses Geschenk annehmen zu können. Ich
fühle Frust, und das ist ein Schatz wie für
andere das Geld, die Liebe, was weiß ich?
Ein klebriger Brei konnte alles überfluten,
zutünchen und mit Schmutz bedecken,
woran ich glaubte.
# Da kommt der Cotton-Knüppel!
So meinen Zehnjährige etwa, wenn sie mich
sehen? Das hörte ich. Ich habe es auf mich
bezogen. „Mögen Sie Schwänze?“ fragen sie
mich am Schulgelände, wenn ich mit Einkäufen
dort lang gehe. Das sind Kinder. Ich
gehe nicht mehr zum Jazz. Der Cotton-Club
ist ein Musikkeller in Hamburg und der Ort
vieler Erinnerungen für mich. Gut möglich,
dass es als Begegnungsstätte für einige
taugte, mit mir ganz persönlich ein Theater
zu inszenieren, das meine Bekanntheit über
Schenefeld hinaus auf unliebsame Weise
vergrößert hat. Corona macht es leicht,
auf Kellerromantik zu verzichten. Es gibt
Musikkonserven, ohne dass man eine Platte
kaufen müsste. Keine Livemusik mehr, keine
Party, nie in eine Ausstellung, das ist die
Bedingung und der Preis, den ich zahle für
meine Abgrenzung. Menschen wirken nur zu
oft uniform auf mich oder pseudo-individuell.
Darauf darf man sich nicht einlassen. Ich
sehe den Wald, aber keine Bäume.
Es geht auf und ab. Gute und schlechte Tage,
jeder kennt es. Ich war neurotisch, jahrelang.
Es war nötig zu bemerken, dass andere mich
vorführen, ausspionieren und verarschen
wollten. Ich machte ja auch Fehler im Leben
und biete Angriffsflächen. Sie hatten ihren
Spaß. Falsche Freunde, und meine Familie
war scharf auf das Erbe, nachdem meine
Eltern gestorben sind. Das Geld macht
Menschen widerlich.
Alles kam
zusammen, man
muss nicht paranoid
sein, wenn
es echte Gegner
gibt. Heute ist es
besser. Ich bin
nicht unbekannt
im Dorf, aber vielfach
akzeptiert,
und die Reaktionen
gefallen
mir nicht selten.
Das sollte man
schon schreiben.
Es ist nicht alles
schlecht. Heute
winken mir unbekannte
Menschen
fröhlich zu, wenn ich mit meinem Fisch nach
Haus spaziere. Du kannst nicht zurück im
Leben, aber Frieden schließen mit früher.
Fröhlichkeit lässt sich teilen. Bin ich der Narr
von Schenefeld? Weiß ich ja nicht.
Ich habe Freunde, das genügt; keine Follower.
Und ich laufe bestimmt nicht quer.
Ich halte Kurs. Kein Wunder, dass es immer
wieder Ärger gibt, mit manchen, die sich
für besser halten. Ich wundere mich nicht
darüber, bin in solchen Momenten frustriert
und schöpfe Kraft aus meiner Unfähigkeit,
elegante Integration hinzubekommen. So
habe ich mein Thema gefunden. Echte und
damit individuelle Vielfalt gefällt mir. Ich
möchte meinen eigenen Ideen folgen, mag
nicht verschworen, quer demonstrieren (oder
modisch queer in einer Parade mitlaufen).
Warum solidarische Klumpen formen, Lichterketten
halten, irgendwo mit dabei sein,
nur weil’s scheinbar gut wirkt? Ich fühle
nicht mit und käme mir unehrlich vor. „Not
me!“ statt MeToo, so geht es mir regelmäßig.
# Achtung, Satire!
Es war nötig, Donald Trump bescheuert zu
finden, hauptsächlich, um dabei zu sein,
mitzureden. Keiner fragt heute noch, was
der macht. Und Trump selbst interessiert
nicht, was man in Deutschland von ihm hält.
Jahre zuvor hieß der Böse unserer Medien
noch Berlusconi, ständig regte man sich auf.
Der neue Blödmann ist Gerhard Schröder.
Wichtiger ist die Pandemie. Ein Thema für
alle, aber Corona macht allmählich schlapp,
das ist eine gute Nachricht. Wir werden es
vergessen wie Aids. Die Menschen schimpften
auf Kampfhunde, dann gegen rassistische
Polizeigewalt: „Can’t breathe!“ Man
positionierte sich für oder gegen Greta. Das
hat an Bedeutung verloren. Obwohl diese
Themen noch aktuell sind. Ist die Wirtschaft
von Griechenland und Italien tatsächlich gerettet?
Ich habe es nicht mitbekommen. Eine
Zeitlang wurde nur davon geredet. Hakenkreuze
auf Fahnen sind inzwischen verboten?
In den wenigen Farbfilmen von damals
sieht man, das war mehr als eine Mode. Ein
Meer aus roten Fahnen, und die Masse grölt,
streckt den Arm gerade hoch, fordert den totalen
Krieg. Was haben die Leute Adolf Hitler
bejubelt, unglaublich. Schwule Schwänze
oder Frieden für alle, was sagt uns noch
gleich Regenbogenfahne? Vergessen. Wie
schnell diese blau-gelben Wimpel überall
hingehängt wurden!
Es wird eine Zeit kommen, in der wir nicht
mehr wissen, wie die Farben der Ukraine
sind.
# Ich möchte nicht dazugehören
Unsere Politik gibt sich gern menschlich.
Putin sei böse, wir stehen zusammen und
so was wird gesagt. Im Inneren brodelt es
durchaus. Nur ein bisschen? Wir haben keine
Lügenpresse, aber ein Problem mit vielen,
die das postulieren und davon überzeugt
sind. Natürlich, Belarus ist fies, viel schlimmer
ist diese Regierung dort als unsere.
Das waren keine gefakten Bilder nach der
angeblichen Wiederwahl von Präsident
Lukaschenko, das glaube ich. China und
Russland bilden menschenverachtende
Systeme. Selbstverständlich unterdrückt
Präsident Putin die Meinungsfreiheit. Aber,
das tun unsere Politiker auch. Sie kommen
nur nicht so weit. Das sind hilflose Zuckungen,
Probierbewegungen, im Vergleich zu
dem, was der russische Präsident oder der in
China hinbekommen. Es gibt nirgendwo auf
der Welt gute oder faire Politik. Dies wird
nur behauptet von denen, die unsere Gesellschaft
zu steuern versuchen. Darum haben
wir eine Opposition. Die Polizei, wie sie auf
die Demonstranten einknüppelt, irgendwo in
einem totalitären System, das dazugerufene
Militär, wie wir das im Fernsehen sehen,
das sind Menschen, die gegen ihresgleichen
vorgehen. Und bei uns leben genauso
Menschen; das soll heißen, unsere Polizei
und unsere Soldaten wären nicht besser
unter entsprechenden Bedingungen. Uns
trennt nur die Funktionalität des gesamten
Landes von den Zuständen im Unrechtsstaat.
Die Menschen sind überall gleich. Politiker
pauschal abzustrafen, durch verbalisierte
Blockade des Staates, hilft wenig. Es ist eben
nicht einfach, ein gutes System zu pflegen.
Unser Rechtsstaat ist einer der besten. Wenn
Menschen wie ich zum Beispiel nicht mehr
zur Wahl gehen, schaden sie sich letztlich
selbst, durch ihre scheinbar sinnlose Bockigkeit.
Ich weiß das. Es sind die direkten,
menschlichen Abgründe, aus denen ich
kletterte, und deswegen bin ich frustriert.
Das ist der Grund, warum ich staatsfeindlich
empfinde. Da bin ich nicht der Einzige.
Der Fisch stinkt vom Kopf. Das bedeutet,
die Zentrale trägt die Verantwortung für
das Ganze. In einer Demokratie wählen die
Menschen ihren Fischkopf selbst. Sind sie
dann als Basis schuld, wenn das System in
Schieflage gerät? Ein Schwarzer-Peter-Spiel
nimmt an Fahrt auf. Da ist auf der einen
Seite der Staat und seine Ordnungskräfte,
die eine zunehmende Aggression bemerken.
Die Wütenden sehen die Schuld umgekehrt
in der Gängelung durch unsere Regierung.
Ihre beschnittene Freiheit erkennen viele
als unnötigen Akt von Staatsgewalt. Sie
verweisen mit selbstgedrehten Videos auf
Mai 21, 2022 - Ich sehe Wald und keine Bäume 85 [Seite 83 bis 87 ]