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Kunstbulletin Januar/Februar 2023

Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.

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viele Stunden, so viel Zeit in etwas hineinzuarbeiten. Aber wenn man diese mit einem<br />

natürlichen Erosionsprozess vergleicht, kommt sie einem doch wieder ziemlich kurz<br />

vor», erzählt Kübler und denkt laut weiter, dass man Gestein als klassisches Material<br />

der Bildhauerei auch so lange bearbeiten könne, bis (fast) nichts mehr da ist.<br />

Für die Ausstellung im Pilatussaal des Kunstmuseum Luzern – durch ein Fenster<br />

sieht man bei entsprechendem Wetter direkt auf den Pilatus – wollte Kübler eine<br />

ortsspezifische Arbeit entwickeln, die einerseits durch die Betonung der Länge des<br />

Raums eine Zeitlichkeit hineinbringt und andererseits einen Dialog mit anderen Arbeiten<br />

ermöglicht. So wurde das kinetische Objekt ‹Seconds, Minutes, Aeons›, 2021,<br />

das ursprünglich für den runden Kaminraum der Galerie Kriens entstanden ist, Teil<br />

der Ausstellung: Eine Metallschale wird von einem Motor angetrieben und wirbelt darauf<br />

platzierte Stäbe und Kugeln, die als lose Bestandteile einer Uhr gelesen werden<br />

können, in unterschiedlichen Intervallen geräuschstark durcheinander. Es entsteht<br />

ein reges Bewegungsspiel, eine ständige Neu- und Unordnung dieser Teile. Ähnlich<br />

funktioniert die neue Skulptur ‹Slices of Beginning›, 2022, die aus begehbaren Rampen<br />

besteht, auf denen feste Holzleisten und lose, ungebrannte Tonplättchen installiert<br />

sind. Diese Elemente bewegen sich langsam und als stockender Fluss durch das<br />

Zutun der Besucher:innen. Die Installation erinnert an eine abstrahierte Geröllhalde<br />

und legt den Fokus auf die Prozesse von Schwerkraft, Zeit und Bewegung, somit also<br />

auf das Abrutschen von Schotter. Die Leisten fungieren als lenkende Elemente, die<br />

den Tonplättchen eine Richtung geben und Anhäufungen erlauben.<br />

Rezyklieren als Methode<br />

Der transformative Aspekt dieser Arbeit lässt sich als Weiterführung von früheren<br />

Werken lesen: In ‹Krrrkk›, 2015, ‹Regolith›, 2018, und ‹Regolith II›, 2020, konnten<br />

Besucher:innen über Gipskarton- beziehungsweise Gipsplatten gehen, die sich unter<br />

ihren Füssen erst zu Scherben und dann zu Sand verwandelten. In Küblers Schaffensbiografie<br />

ist formal wie auch inhaltlich ein roter Faden erkennbar, der sich durch<br />

einzelne Arbeiten und Perioden zieht, sich gerne mal knäuelt, zyklisch wird und dann<br />

den Weg fortsetzt. Sie greift auf, führt weiter und setzt neue Kontexte, stets in einer<br />

klaren, grafisch anmutenden Formensprache. Die Idee des Recycelns beschäftigt<br />

sie auch inhaltlich in ihrem Schaffen. So entstand zum Beispiel eine Objektserie, in<br />

der Scherben von ‹Regolith II› neu vergossen wurden. Auch der ungebrannte Ton der<br />

aktuellen Ausstellung kann weiterverarbeitet oder in den Produktionskreislauf der<br />

Tonherstellung zurückgeschleust werden.<br />

So kommt das sisyphushafte Arbeiten auch in der neuen Rauminstallation für das<br />

Kunstmuseum Luzern wieder vor: Kübler hat die hier benötigten rund 2500 Tonplättchen<br />

mit Draht einzeln abgetrennt. «Wenn man Ton mit Draht abschneidet, hinterlässt<br />

dieser eine Zeichnung, die an ein Flussbett erinnert, das vom Wasser geformt<br />

wurde, aber auch etwas Fossilienhaftes hat. Dies suggeriert einerseits einen Link zu<br />

einem geologischen Phänomen, andererseits aber auch den Anfang eines Prozesses,<br />

der erste Schritt, wenn man mit Ton arbeitet. Ich bin in einem Loop aus Anfängen,<br />

30 <strong>Kunstbulletin</strong> 1-2/<strong>2023</strong>

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