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Kunstbulletin Januar/Februar 2023

Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.

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HINWEISE<br />

Heimatland — Loretta Arnold,<br />

Fabio Friedli, Marius Portmann,<br />

Andrea Schneider<br />

Animation — Hausi ist ein stereotyper Schweizer<br />

Patriot, wie er im Buche steht. Geweckt<br />

von Ländlermusik, geniesst er zum Frühstück<br />

Toastbrot in Form eines Schweizerkreuzes<br />

mit einer Tasse Valora Milchdrink, während er<br />

die Regionalzeitung liest. Ein Matterhorn-Bild<br />

hängt an der Wand neben dem Abreisskalender,<br />

die Blumenkiste steht auf dem Fenstersims<br />

und das Gewehr im Schrank. Als ein neuer<br />

Nachbar – ganz und gar unschweizerisch aussehend<br />

– einzieht, gerät Hausis Alltag aus den<br />

Fugen. Er kennt ihn zwar nicht persönlich, aber<br />

was er durch den Türspion sieht, reicht aus, um<br />

seine Vorurteile zu bestätigen und die Angst<br />

vor allem Fremden zu schüren. ‹Heimatland›<br />

thematisiert politisch motivierte Angstmacherei<br />

und die durch gezielte Kampagnen wie der<br />

Minarettinitiative 2009 geschürte Fremdenfeindlichkeit.<br />

Der Film verbildlicht die Angst<br />

vor Neuem und Anderem und das zwanghafte<br />

Festhalten am Altvertrauten. Und macht dabei<br />

deutlich, dass verschiedene Ideologien und<br />

Kulturen miteinander und nebeneinander<br />

bestehen können und es nicht immer das eine<br />

oder das andere sein muss. Dominique Marconi<br />

Loretta Arnold, Fabio Friedli, Marius Portmann,<br />

Andrea Schneider · Heimatland, 2010, 6’30’’<br />

↗ www.vimeo.com/239839183<br />

Regula Engeler & Jochen Heilek<br />

Appenzell — Das Kunstmuseum und die<br />

Kunsthalle Appenzell kombinieren mit ‹der<br />

welt viel tiefe welten› und ‹collecting: revisited›<br />

eine künstlerische Intervention mit einer<br />

Werkschau der Kunstsammlung der Heinrich<br />

Gebert Kulturstiftung. Als Hommage an das<br />

Räuber-Mikrogramm (1925/1972) von Robert<br />

Walser bespielt Regula Engeler (*1973) das<br />

Kunstmuseum mit einer Spur von direkt auf die<br />

Wände belichteten Fotografien, die ein wenig<br />

an frühe Aufnahmen mit der Camera obscura<br />

erinnern. In den Räumen der Kunsthalle erklingen<br />

aus versteckten Lautsprechern Tonspuren<br />

mit Stimmen, die aus dem Räuber-Roman vorlesen<br />

und von Jochen Heilek (*1972) gestaltet<br />

wurden. Auf unterschiedliche Weise erzeugen<br />

die beiden Kunstschaffenden aus Bühler (AR)<br />

so ein kontrapunktisches Referenzsystem zur<br />

sonst eher konventionellen, aber keineswegs<br />

faden Ausstellung, in welcher der scheidende<br />

Direktor Roland Scotti eine Auswahl von<br />

Werken vom späten 19. Jahrhundert bis in die<br />

Gegenwart zeigt.<br />

So leitet die Fotospur von Engeler unaufdringlich<br />

durch die Kabinette des Kunstmuseums,<br />

tritt in einen Dialog mit Bildern und Skulpturen,<br />

zeigt ungestüme Landschaften, verschwommene<br />

Gestalten, Architekturen aus einer scheinbar<br />

anderen Zeit. Dabei gibt es genauso wie im<br />

Vorlageroman von Walser weniger eine lineare<br />

Narration als ganz viele Irrwege und Verweise,<br />

welche dennoch durch die Idee des Künstlers<br />

oder der Künstlerin als Räuber:in zusammengehalten<br />

sind.<br />

Auch die vorlesenden Stimmen in der Kunsthalle<br />

vermögen es, die Besuchenden in ein anderes<br />

Verhältnis zu den ausgestellten Werken<br />

zu setzen. Der dichte Text wird nur bruchstückhaft<br />

erfasst, die Stimmen kommen aus Holzwänden,<br />

aus einem Kohle-Beschickungskessel,<br />

sind in den katakombenartigen Gängen des<br />

Brennofens versteckt. Die industriellen Spuren<br />

der ehemaligen Ziegelhütte verstärken den<br />

Kontrast zwischen pragmatischer Werktätigkeit<br />

und künstlerischem Freigeist, wie er im<br />

Roman wie in der Sammlung anklingt. Bei Wal-<br />

62 <strong>Kunstbulletin</strong> 1-2/<strong>2023</strong>

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