Kunstbulletin Januar/Februar 2023
Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.
Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.
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«Ich muss nicht mehr auf Französisch schreiben,<br />
sondern male auf Arabisch», erklärt sie<br />
ihre Entwicklung. Man findet in ihrer Kunst<br />
keine Figuren, stattdessen Kreise, Quadrate,<br />
gestapelte Dreiecke. Ihre Landschaften erscheinen<br />
durch radikale Reduktion der Formen<br />
abstrakt. Die Voraussetzungen für immense<br />
Ausdruckskraft sind Etel Adnans weiter kultureller<br />
und intellektueller Horizont und ihr feines<br />
Gespür für Natur und Farbe. ‹Où est la lumière?›<br />
lautet der Titel einer Serie auf Papier – man<br />
kann sicher sein, dass die Schöpferin das Licht<br />
gefunden hat. RDR<br />
Etel Adnan · Untitled, 2012, Öl auf Leinwand,<br />
24 x 30 cm © ProLitteris<br />
Etel Adnan · Untitled, 2020, Öl auf Leinwand,<br />
33 x 41 cm, Courtesy The Estate Etel Adnan<br />
und Sfeir-Semler Gallery, Beirut/Hamburg<br />
© ProLitteris<br />
→ Lenbachhaus, bis 26.2.<br />
↗ www.lenbachhaus.de<br />
Joan Jonas<br />
München — Fast sieht man Zephir, den Windgott<br />
von Botticellis Venusgeburt, aus vollen<br />
Backen blasen: In Joan Jonas’ Performance<br />
‹Wind›, die 1968 an einem stürmischen Tag am<br />
Strand von Long Island stattfand, nehmen es<br />
fünf Akteur:innen mit der Natur auf. Letztere<br />
spielt quasi die Hauptrolle, indem ihre Kraft<br />
die Bewegung, Richtung und den Rhythmus der<br />
Choreografie bestimmt.<br />
Als eindrucksvolle Projektion ist das Video, in<br />
dem der heilige Ernst der Kunst auf den leisen<br />
Bildwitz des Stummfilms trifft, nun Teil der<br />
umfassenden Einzelausstellung der New Yorker<br />
Künstlerin im Münchner Haus der Kunst.<br />
Sie war bereits für 2018 angesagt, musste<br />
aber aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage,<br />
in die das Haus unter Okwui Enwezor geraten<br />
war, verschoben werden. Nun reiht sich<br />
Jonas (*1936) – nach Heidi Bucher und Fujiko<br />
Nakaya – ein in den Ausstellungsreigen von<br />
Künstlerinnen, die seit den 1970er-Jahren<br />
ihr Werk mit ähnlichen Mitteln, aber höchst<br />
eigenständig entwickelten. Bei der zweimaligen<br />
Biennale-Teilnehmerin fügen sich Performance,<br />
Film, Malerei und Installation zum Gesamtkunstwerk.<br />
Charakteristisch sind dabei die enge<br />
Verbindung von Zeichnung und Video sowie<br />
literarische Bezüge, etwa zu Texten von Emily<br />
Dickinson oder Halldór Laxness. So auch in der<br />
zentralen Mixed-Media-Installation ‹Reanimation›<br />
– 2010 für die documenta 13 entwickelt –<br />
mit polaren Landschaften, abstrahierten<br />
Bienen-Skizzen und einer Kristallskulptur, die<br />
die Halle in ein flirrendes Lichtspiel taucht.<br />
Aus Mythen und Märchen speist sich der Fond<br />
dieser Kunst, die um die Beziehung von Mensch<br />
und Natur kreist. Wie im frühen Video ‹Volcano<br />
Saga› nach einer isländischen Saga oder<br />
in ‹Double Lunar Rabbits›, der Legende vom<br />
Mondhasen. Und ob Vögel (‹Stream or River,<br />
Flight or Pattern›) oder Fische (‹Rivers of the<br />
Abyssal Plain› und ‹Moving Off the Land II›),<br />
stets lässt Jonas sich – nahe am Aktivismus –<br />
von der bedrohten Vielfalt einer Spezies zu<br />
poetischen Bildreflexionen inspirieren. Nicht<br />
alles wirkt dabei so eingängig wie ‹Wolf Lights›,<br />
HINWEISE // LE LOCLE / MÜNCHEN<br />
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