19.12.2022 Aufrufe

Kunstbulletin Januar/Februar 2023

Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.

Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Melanie Sterba<br />

Zürich — Sie fährt einen ausgemusterten<br />

Land Rover, Baujahr 1974, mit dem das Militär<br />

früher Haubitzen in Stellung brachte. Die junge<br />

Zürcherin transportiert damit Steinblöcke, bis<br />

zu 1,2 Tonnen schwer. Manche kommen aus der<br />

Sahara. Immer wieder zieht es sie dorthin. Ihr<br />

Atelier ist in Bassersdorf in einer alten Schmiede.<br />

Seit fast zehn Jahren arbeitet sie dort als<br />

Steinbildhauerin. Gelernt habe sie bei «einem<br />

alten Meister mit grauem Rauschebart».<br />

Er möchte anonym bleiben. Melanie Sterba<br />

(*1994) nicht. Sie will den Kunstmarkt erobern.<br />

Zum Auftakt zeigt sie bei Nicola von Senger<br />

eine Skulpturengruppe aus Carrara-Marmor.<br />

Diese würde zeitlos wirken, hätte sie nicht<br />

einen Teil des weissen Marmors mit schwarzer<br />

Acrylfarbe versiegelt. Strahlend weiss bleibt<br />

nur das als Relief aus dem Steinblock gehauene<br />

Motiv in der Frontalansicht. Die klassischen<br />

Themen von Cupido bis David erscheinen im<br />

schwarzen Trauerflor, und man betrachtet sie<br />

wie durch ein Schlüsselloch. So, als würde man<br />

einen Blick in das Innerste des Steins erhaschen,<br />

der die Figuren nur ausschnitthaft freigibt.<br />

Sie sind handwerklich perfekt ausgeführt,<br />

so etwa der Feinschliff der Pupillen im Augapfel,<br />

die den Gesichtern durch ein raffiniertes<br />

Licht-Schatten-Spiel Leben einhauchen. MH<br />

David Shrigley<br />

Zürich — «Everything is shit but do not lose<br />

hope», heisst es auf einem von David Shrigleys<br />

(*1968) ‹Proposals for Record Covers›, der fünften<br />

Einzelausstellung in der Galerie Francesca<br />

Pia, die fünfzig neue Malereien aus Acryl auf<br />

Papier im quadratischen Format umfasst. Der<br />

britische Künstler, der an seiner Abschlussausstellung<br />

1991 noch dachte, er sei zu scheu,<br />

um erfolgreich zu werden, wurde 2013 für den<br />

Turner Prize nominiert und ist heute für seine<br />

schwarzhumorigen Zeichnungen und Malereien<br />

bekannt, die von obszöner Einfachheit sind<br />

und mit ihren Slogans eine satirische Pointe<br />

besitzen. Wie Warhol, Haring und andere Pop-<br />

Artists vor ihm hat auch Shrigley keine Berührungsängste<br />

gegenüber dem Kommerziellen<br />

ausserhalb des Kunstmarktes. Wie eine Industrie<br />

produziert er Zeichnungen, Bücher und<br />

anderes Merchandise, das direkt im Shrig Shop<br />

verkauft wird. Doch «Self-confidence giving<br />

way to terrible anxiety», wie auf einem weiteren<br />

Proposal steht. Eine abgründige Ironie tut sich<br />

auf. ‹Be Nice›, 2017, vielleicht seine beliebteste<br />

Arbeit, ist der Slogan einer therapeutischen<br />

Gesellschaft, die mittels Werbung, Design und<br />

positiver Psychologie uns zum ständigen Glück<br />

und Lächeln auffordert, um noch reibungsloser<br />

zu funktionieren und konsumieren. «Feel free<br />

to vomit», heisst dann das Gegenmittel. MR<br />

Melanie Sterba · David, 2022, Carrara-Marmor,<br />

40 x 24 x 75 cm<br />

→ Galerie Nicola von Senger, bis 28.1.<br />

↗ www.nicolavonsenger.com<br />

David Shrigley · Untitled (Everything Is Shit<br />

But Do Not Lose Hope), 2022, Acryl auf Papier,<br />

55 x 55 cm © ProLitteris<br />

→ Francesca Pia, bis 28.1. ↗ francescapia.com<br />

82 <strong>Kunstbulletin</strong> 1-2/<strong>2023</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!