Christian Marclay — Meister visueller Tonkörper Erstmals seit 15 Jahren gibt es in Frankreich wieder einen Überblick über Christian Marclays Werk-Korpus. Rund fünfzig Jahre schelmischer Bildkunst auf den Spuren dessen, was Ton mit Bildern macht und wie beide auf den Körper wirken. Eine Schau mit überraschenden Einsichten und amüsantem Ausgang. Paris — Mniammm: Auf die erste Stirnwand im sechsten Stock des Centre Pompidou projiziert, gibt’s Gaumenschmaus à la Marclay. Der Künstler verspeist hektisch eine Schallplatte. ‹Fast music› von 1982 ist Programm. Wie der acht Jahre jüngere Quentin Tarantino ist der US-Schweizer Marclay (*1955) ein Medienfresser. Was dem Regisseur B-Movie und TV-Kultur, sind Marclay Musik, Ton und die von ihnen zehrende Industrie. Seine Arbeitsmethode: Appropriation und Montage. Von Fluxus kommend, sucht er konzeptuell und sinnlich nach dem, was Normierung austreibt: Körper. Gleich am Eingang der Ausstellung ist das klar: ‹Inkognita›, mit Reissverschlüssen verbundene Cover, auf denen Schönheiten den Musikinhalt der Schallplatten verkörpern, hängt rechts. Gegenüber: ‹Dictators›, ebenso viele Cover zeigen mächtig und autoritär fuchtelnde Dirigenten. 1990 war das punkig angehauchte Dekonstruktion dessen, was gendernde Medienwelt beseelt. Klischees, Rollenmuster, Vorbilder spiesst Marclay mit Witz und Präzision auf. Bis zum Goldenen Löwen der 54. Venedig- Biennale 2010 für ‹The Clock›. Der 24-Stunden-Film ist heute Ikone. «Marclay wollte ihn in Paris nicht zeigen, die anderen Arbeiten nicht in den Schatten stellen», weiss die Ausstellungsbesucherin und Kuratorin Madeleine Schuppli. Sie hatte ihn 2004 in Thun, dann 2015 in Aarau gezeigt. Dennoch habe sie in diesem ersten französischen Gross-Solo seit 2007 noch viel entdeckt, was sie nicht kannte. Tatsächlich verblüffen in der Schau, die den Bogen von den 1970ern bis in die Gegenwart spannt, grossformatige Gemälde, auf denen Marclay Comic-Geräusche ins Farbenspiel überträgt und seine 1988–1990 entstandene Malerei auf Plattencovern, ‹Abstract Music›, fortsetzt. Sie wirken fast gefällig, wie auch die 2019 gedruckte Holzschnittserie ‹Scream (Wood Tongue)› oder die ‹Memento› genannten Cyanotypien mit ausgewickelten Kassetten als grafischer Zeichensturm, die an Dotremonts Logogramme oder Michaux’ Kalligrafien erinnern. «Marclay ist im Surrealismus und Dada verankert, nicht in der Pop-Art», meint Schuppli, bei ihm entstehe «durch Kombination ganz Neues, wie beim cadavre exquis.» Verschwindet dieser selbstreflexive, subversive Zug im schönen, inzwischen digitalisierten Schein? Der Film, «an dem er schon 2015 gearbeitet hat, der erst jetzt fertig wurde», so Schuppli, versöhnt: ‹Door› wendet am Ausgang die Retrospektive selbstreferenziell. Marclay, der sie augenzwinkernd selbst als grosse Montage angelegt hat, begleitet uns am Ende zur Tür – die sich im Dauer-Loop niemals schliesst. J. Emil Sennewald → ‹Christian Marclay›, Centre Pompidou, bis 27.2. ↗ www.centrepompidou.fr 96 <strong>Kunstbulletin</strong> 1-2/<strong>2023</strong>
Christian Marclay · Surround Sounds, 2014/15, Video-Installation, 4 synchronisierte Projektionen, Farbe, ohne Ton, 13’40’’, Loop, Dimensionen variabel, Courtesy Aargauer Kunsthaus, Aarau Christian Marclay · Untitled (Crying), 2020, chromogener Digitaldruck, 60 x 80 cm, Courtesy White Cube BESPRECHUNGEN // PARIS 97
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Jan./Feb. 2023 Fr. 10.- / € 8.-
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