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Kunstbulletin Januar/Februar 2023

Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.

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Peter Knapp<br />

Winterthur — Die Fotostiftung Schweiz will<br />

zum Nachdenken über Fotografie und deren<br />

Wirkkreise anregen. Sehr gut gelingt dies der<br />

Schau des Modefotografen Peter Knapp (*1931,<br />

Bäretswil), auch wenn es sich dabei um sogenannt<br />

«angewandte» Fotografie handelt. Wie<br />

sehr die Bildidee eines Fotografen Zeitströmungen<br />

aufnehmen, abbilden und weiterentwickeln<br />

kann, zeigen die Werke eindrücklich.<br />

Als Art Director bei der Zeitschrift Elle in Paris<br />

erhielt der ausgebildete Kunstgewerbler Knapp<br />

die Chance, das Zeitbild einer ganzen Generation<br />

von Frauen zu beeinflussen. Die Elle-Models<br />

verkörperten den gesellschaftlichen Umbruch<br />

der 1960er. Mit tänzelndem Gang demonstriert<br />

der vife 91-jährige Fotograf in der Fotostiftung,<br />

wie sich die «Mädchen» nach der Abkehr von<br />

der Haute Couture zur Prêt-a-Porter-Mode<br />

leicht und befreit vor seiner Kamera bewegten.<br />

Damit änderte sich auch die Fototechnik:<br />

von statischen Studioaufnahmen hin zu<br />

«bewegten» Bildern unter freiem Himmel. Das<br />

Schwarz-Weiss-Foto einer marokkanischen<br />

Landschaft im Gegenlicht ist nicht zuletzt eine<br />

Anspielung auf die «ungekünstelte» Fotokunst<br />

eines Robert Frank. Und die knallige Neon-Reklame<br />

über dem Gesicht eines Models deutet<br />

auf die zeitgeistige Ästhetik des Punkrock. JEN<br />

Peter Knapp · Susanne Schönborn, Ouarzazate,<br />

1967, Courtesy Fotostiftung Schweiz<br />

→ Fotostiftung Schweiz, bis 12.2.<br />

↗ www.fotostiftung.ch<br />

Kaspar Toggenburger<br />

Winterthur — Der weibliche Akt steht im Zentrum:<br />

Er beherrscht das Format, ist zum Torso<br />

fragmentiert und behält doch seine kraftvolle<br />

und monumentale Körperlichkeit. Kaspar Toggenburger<br />

(*1960) dekliniert das klassische Sujet<br />

des Frauenaktes durch. Rückenansichten,<br />

Vorderansichten, liegende und halb aufgerichtete<br />

Torsi dominieren die aktuellen Gemälde<br />

in der Kabinettausstellung im Antiquaritat<br />

Harsch. Die üppigen Volumina sind mit vehementen<br />

Pinselstrichen und in kontrastierenden<br />

Farben herausgearbeitet. Violett trifft auf<br />

Türkis, Blau auf Gelb, Grün auf Rot. Besonders<br />

akzentuiert Toggenburger das Oval der Beinund<br />

Armstümpfe und damit die Verstümmelung<br />

der Torsi. Dort, wo die Rümpfe ihren Kopf noch<br />

haben, gleicht dieser einem Totenschädel: Die<br />

Augenhöhlen sind leer, das Haupt ist kahl.<br />

Die Akte sind mit brachialer Geste versehrt –<br />

mit dem Titel ‹Marignano› setzt Toggenburger<br />

bei einem Männerakt den Kriegsbezug. Auch<br />

die Kunstgeschichte ist nie weit entfernt:<br />

Während die Expressionisten und Neoexpressionisten<br />

stilistisch präsent sind – Toggenburger<br />

hat in den 1990er-Jahren unter anderem bei<br />

A. R. Penck studiert –, verweisen die Motive<br />

teilweise weiter in die Vergangenheit, etwa<br />

mit den Odalisken oder der ‹Susanna im<br />

Bade›. Indem Toggenburger die Odalisken auf<br />

Sockeln malt, löst er sie von der unmittelbaren<br />

Körperdarstellung und überführt sie auf eine<br />

übergeordnete Referenzebene: Er präsentiert,<br />

was bereits präsentiert wird.<br />

Einen anderen Weg geht der Künstler mit<br />

seinen ‹Skizzenketten›. Ausgehend von<br />

einer einfachen Schwarz-Weiss-Kopie einer<br />

Fotografie, einer Reproduktion oder einem<br />

gezeichneten Motiv entwickelt er gezeichnete<br />

Bilderzählungen. Toggenburger löst Figuren aus<br />

Kontexten, überführt tradierte Motive in die<br />

Gegenwart und von dort zurück ins Allgemeingültige.<br />

So taucht neben Hans Baldung Griens<br />

berühmten ‹Zwei Hexen›, 1523, ein Auto auf<br />

und schliesslich ein übergriffiger, bebrillter<br />

Mann; aus einer Frau mit gespreizten Beinen<br />

wird eine amöbenhafte Gestalt; ein ‹Susanna<br />

HINWEISE // WEIL AM RHEIN / WIEN / WINTERTHUR<br />

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