Kunstbulletin Januar/Februar 2023
Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.
Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.
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im Bade› bedrängender Mann fällt nach hinten<br />
über, um schliesslich in einem Fussballtor zu<br />
landen. Körper werden durch Zeit und Raum<br />
transformiert und bleiben doch immer Körper.<br />
Diese Skizzenketten sind nicht in der gewohnten<br />
Leserichtung gehängt, sondern vertikal<br />
montiert. Derzeit werden sie auch im Kontext<br />
einer Max-Beckmann-Retrospektive in Braunschweig<br />
gezeigt. KS<br />
Kaspar Toggenburger · Torso mit grossem Kopf,<br />
2021, Mischtechnik auf Leinwand, 200 x 170 cm<br />
Kaspar Toggenburger · Skizzenkette, 2021,<br />
Bleistift und Fotokopie auf Papier, 147 x 89 cm<br />
→ Antiquariat und Galerie im Rathausdurchgang,<br />
bis 14.1. ↗ antiquariat-harsch.ch<br />
→ Herzog Anton Ulrich-Museum, bis 12.2.<br />
↗ www.3landesmuseen-braunschweig.de<br />
Jean Painlevé<br />
Winterthur — Leicht schweben zierliche<br />
Geschöpfe über die Leinwand, das Wasser kräuselt<br />
sich durch ihre tanzenden Bewegungen.<br />
Eine Nahaufnahme fokussiert auf gesprenkelte<br />
Körperchen mit langen Wimpern an putzigen<br />
Köpfchen. In der nächsten Bildeinstellung öffnet<br />
sich zu sanfter Musik ein weites Meer, die<br />
Küstenlandschaft im französischen Arcachon<br />
wird sichtbar. Und Schnitt: Die Seepferdchen<br />
hüpfen als Gruppe auf ihre eigene, besonders<br />
grazile Weise durch das Wasser, eine tiefe Stimme<br />
erklärt aus dem Off, dass nun die Männchen<br />
an der Reihe sind, die Seepferdchen-Babys in<br />
ihren Rückenbeutel zu übernehmen und sie<br />
am Ende auch zu gebären. Eine Aussage, die<br />
damals grossen Aufruhr auslöste.<br />
Was als Unterwasserszenerie auf dem Meeresgrund<br />
erscheint, ist in Wahrheit ein mit Granitplatten<br />
und Pflanzen dekoriertes Aquarium in<br />
Paris. Zwischen 1920 und den späten 1970er-<br />
Jahren erschuf der französische Biologe und<br />
Filme macher Jean Painlevé (1902–1989) mit<br />
seiner Partnerin Geneviève Hamon (1905–1987)<br />
über 200 Filme zu Fauna und Flora unter<br />
Wasser, darunter 1934 auch diese berühmten<br />
Szenen der Seepferdchen-Ehe in den warmen<br />
Gewässern der französischen Westküste.<br />
Die geheime Welt unter Wasser interessierte<br />
Jean Painlevé schon als Kind, als er die<br />
Sommerferien in der Bretagne verbrachte.<br />
Painlevés Mission wurde es, der Öffentlichkeit<br />
– und nicht bloss einem engen Kreis von<br />
Meereswissenschaftler:innen – unterhaltsame<br />
Einblicke in die Meerestiefen zu bieten. Dafür<br />
wählte er das zu jenem Zeitpunkt sehr populäre<br />
Medium des Films und auch die Fotografie. So<br />
bewegte sich der Biologe aus der von ihm als<br />
rigid empfundenen Wissenschaftsblase hinaus<br />
und in die zeitgenössische Kunstströmung des<br />
Surrealismus hinein. Künstlerische Filme, in<br />
welchen er als Schauspieler mitwirkt, zeigen im<br />
Fotomuseum die Vielseitigkeit seiner Interessen.<br />
Umgeben von illustren Freunden aus der<br />
Avantgarde-Szene nimmt Jean Painlevé subtil<br />
auch politisch Stellung, wenn er den Blick<br />
durch das wissenschaftliche Mikroskop für die<br />
80 <strong>Kunstbulletin</strong> 1-2/<strong>2023</strong>