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Kunstbulletin Januar/Februar 2023

Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.

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Nutzpflanzen brauchen Schutz. Diese Erkenntnis ist so alt wie der Ackerbau. Seit<br />

mehr als 4000 Jahren befassen sich die Menschen damit, wie sie Pflanzen vor Krankheiten<br />

und vor Larven, Käfern, Fliegen oder Nagetieren schützen können. Bereits aus<br />

dem Altertum sind dazu nützliche Hinweise überliefert, die sich allerdings nicht in<br />

allen Zeiten durchsetzen konnten: Im Mittelalter waren naturwissenschaftliche Grundlagen<br />

weniger verbreitet als kirchlich-dogmatische Ansichten. Gegen Dürre, Hagelschlag<br />

und Feldmäuse wurde gebetet, Heuschrecken und Würmer wurden verklagt<br />

und mit einem Bann belegt. Gina Proenza hat in alten Quellen recherchiert und Beispiele<br />

für solche Prozesse in Luzern und Fribourg gefunden: «Priester verlasen das<br />

Urteil auf den Feldern. Den Würmern wurde auferlegt, die Felder zu verlassen, und<br />

angeboten, in die Wälder zu ziehen. Sie sollten sich von den Häusern und Gärten fernhalten,<br />

durften aber am Fluss leben.» Die Künstlerin interessiert sich für diese Aushandelsprozesse<br />

ebenso wie für das Verhältnis von Tier und Mensch: «Wie treten wir<br />

mit Tieren und Pflanzen in Beziehung? Wie sehen Beziehungen aus, die wir mit Geboten<br />

und Verboten herstellen?» Dazu gehört auch der doppeldeutige Begriff des Eindringlings:<br />

«Wer kommt von aussen? Wer bedrängt wen?»<br />

Spur der Sprache<br />

Gina Proenza verfolgt in den historischen Texten unter anderem die Spur der<br />

Sprache und damit das Bedürfnis der Menschen, die Welt sprachlich zu begreifen:<br />

«Wir benennen andere Arten, um mit ihnen in Verbindung zu treten, auch wenn es<br />

uns eigentlich nicht möglich ist, mit ihnen zu kommunizieren. In den Archivmaterialien<br />

habe ich beispielsweise untersucht, wie sich die Bezeichnungen für die Würmer<br />

über die Zeit verändern. Zunächst sind sie sachlich, entwickeln sich aber hin zu anschuldigend<br />

und schliesslich zu wütend.» Diese Bezeichnungen übersetzt Proenza<br />

in Wandobjekte: Holzperlen sind auf parallel übereinander angeordneten, horizontalen<br />

Metallstäben aufgereiht. Zwischen dunklen Perlen formen sich aus hellen Perlen<br />

die Wörter. Das System erinnert an die Rechenmaschine Abakus: «Der Abakus diente<br />

einerseits zum Zählen, andererseits dazu, zählen zu lernen. Er ist ein didaktisches,<br />

aber auch ein spielerisches Gerät.» Proenza transformiert das Recheninstrument in<br />

Sprachbilder, als «könnten die Buchstaben bewegt werden. Andere Wörter könnten<br />

geschrieben und andere Geschichten erzählt werden.»<br />

Proenzas spielerischer Umgang mit realen Dingen spiegelt sich auch in der Serie<br />

der instabilen Fussböden. So stattete die Künstlerin das Pariser Centre culturel<br />

suisse mit einem beweglichen Boden aus: «Ich wollte in diesem kleinen Ausstellungsraum<br />

keine zusätzlichen Wände einziehen und seinen Körper trotzdem herausarbeiten.<br />

Also habe ich ihn mit einem instabilen Boden ausgestattet. Die Menschen im<br />

Raum sind dadurch ineinander in Beziehung getreten. Sie haben interagiert ohne<br />

Worte, weil sie ihre Balance immer wieder neu finden mussten.»<br />

Der spielerische Eingriff forcierte neue Routen durch den Raum entgegen üblichen<br />

Bewegungsmustern: «Ich denke stets darüber nach, wie wir uns in einem Raum<br />

bewegen, wie wir ihn durchqueren werden.» Auch der flexibel gelagerte Laufsteg in<br />

FOKUS // GINA PROENZA<br />

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