Kunstbulletin Januar/Februar 2023
Unsere Januar/Februar Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Claudia Kübler, CCS On Tour, Hands-on, Gina Proenza, uvm.
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2004/05, in dem eine maskierte Performerin vor<br />
den Leuchtreklamen von Las Vegas umhertänzelt.<br />
Um ihr Werk in Bleibendes zu verwandeln,<br />
versteht Joan Jonas es als Work in Progress<br />
und verarbeitet wie in ‹Cones› und ‹Stage Sets›<br />
einstige Requisiten zu Installationen. Darüber<br />
hinaus brachte sie in München ‹Mirror<br />
Piece I & II› einmalig zur Aufführung. Ihre Schau<br />
vermag es allerdings nicht ganz so gut wie die<br />
der beiden Vorgängerinnen, das Ephemere<br />
lebendig werden zu lassen. RDR<br />
Joan Jonas · Reanimation, 2010/2012/2013,<br />
Mixed-Media-Installation, Ausstellungsansicht<br />
Haus der Kunst, München © ProLitteris.<br />
Foto: Maximilan Geuter<br />
Joan Jonas · 1968, 16mm-Film übertragen auf<br />
Video, 5’37’’, Ausstellungsansicht Haus der<br />
Kunst, München © ProLitteris. Foto: Maximilian<br />
Geuter<br />
→ Haus der Kunst, bis 26.2.<br />
↗ www.hausderkunst.de<br />
Renverser ses yeux<br />
Paris — Die Arte Povera, unter deren Namen<br />
Germano Celant 1967 eine Handvoll Künstler<br />
wegen ihrer spärlichen Materialien als<br />
italienische Antwort auf die Pop-Art vereinte,<br />
ist nichts mehr für Arme: Für € 140’000 schlug<br />
dieses Frühjahr Christie’s in Italien eine grosse<br />
Grafit-Arbeit von Giuseppe Penone von 2006<br />
zu. Provoziert seine Kunst noch keine Sensationspreise<br />
am Sekundärmarkt, so erfreuen sich<br />
seine Zeichnungen jüngst grossen Zuspruchs.<br />
Dank grosszügiger Schenkung zeigt das Centre<br />
Pompidou Paris derzeit 241 davon, darunter<br />
einen Hand-Abdruck Penones. Wie ein Echo<br />
darauf wirkt ‹Überprüfung 7, eine entwickelte<br />
Hand, eine fixierte›. Ugo Mulas, vor allem als<br />
Kunst- und Ausstellungsfotograf bekannt,<br />
widmete 1972 den auf Aluminium kaschierten<br />
Silbergelatinedruck Sir John Frederick William<br />
Herschel, Namensgeber für Begriffe wie «Fotografie«,<br />
«Negativ» und «Positiv».<br />
Dem Verschwinden und bildnerischer Verdoppelung<br />
wenden sich das Jeu de Paume in<br />
den Tuilerien und Le Bal im Norden der Stadt<br />
mit ‹Renverser ses yeux› zu. Zusammen mit<br />
der Mailänder Triennale entwickelt, wurden<br />
49 Künstler:innen und über 250 Werke «um<br />
die Arte Povera» versammelt. Entlehnt wurde<br />
der Titel Giuseppe Penones Arbeit von 1970:<br />
‹Rovesciare i propri occhi› – was sich noch<br />
radikaler als «die eigenen Augen umstülpen»<br />
oder sogar «umstürzen» übersetzen liesse.<br />
Zwei kleine Spiegel vor den Augäpfeln, spiegelte<br />
Penone, selbst geblendet, sein Gegenüber.<br />
Die Performance symbolisiert, was die Arte<br />
Povera am Lichtbild interessierte: Bezug zum<br />
Körper, Symbolkraft, Präsenz. In vier Kapiteln<br />
artikulieren die beiden Ausstellungen Körper,<br />
Erfahrung, Bild, Theater als Hauptachsen<br />
künstlerischer Medienkritik. Verdoppelungen<br />
tauchen häufig auf, wie Alighiero Boettis 1968<br />
aufgenommene ‹Zwillinge›. ‹The Measuring of<br />
Time› nannte die weit über ihre Rolle in der Arte<br />
Povera hinaus wirkende Künstlerin Laura Grisi<br />
einen 16mm-Film, in dem sie rund 5 Minuten<br />
lang am Strand Sandkörner zählt. Ob Filmaufnahmen<br />
von Piero Manzoni, Bildmontagen<br />
74 <strong>Kunstbulletin</strong> 1-2/<strong>2023</strong>