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REISE | SÜDTIROL<br />
Waale und Buschen<br />
TRADITIONEN VON WASSER UND WEIN<br />
© IDM Südtirol–Alto Adige | Alex Filz<br />
Südtirols Vielfalt ist grenzenlos, wie die Wege, die<br />
dorthin führen. Gefühlt liegt Südtirol im Zentrum der<br />
Welt. Aus allen Himmelsrichtungen können wir die<br />
Sonnenregion erreichen. All unsere Wünsche lässt das<br />
Land auf der Südseite der Alpen wahr werden. All<br />
unsere Hoffnungen münden in Gewissheit, wenn wir<br />
dort in unseren Urlaub eintauchen. Südtirols Facetten<br />
sind außergewöhnlich und doch hinterlässt es stets ein<br />
Gefühl des Alltäglichen, des Unaufgeregten und der<br />
Bodenständigkeit. Wir dürfen ankommen, Gemächlichkeit<br />
leben, unserem eigenen Rhythmus folgen – ohne<br />
den Zwang etwas erledigen zu müssen. Das entschleunigt<br />
und weckt das Bedürfnis, noch mehr von dieser<br />
Lebensart zu entdecken.<br />
In diesem Fall erfahren wir von den Traditionen, die im<br />
Wasser und im Wein liegen. Beides sind sie wesentliche<br />
Merkmale der Region, sind miteinander verwoben, lassen sich<br />
am besten an einem warmen <strong>Frühling</strong>smorgen oder einem<br />
lauen Herbstnachmittag miteinander verbinden.<br />
Die Wege der Wasserhüter<br />
Aussichtsreich, geschichtsträchtig und im Licht-Schatten-<br />
Spiel der Bäume bewegen wir uns auf den Waalwegen.<br />
Die beliebten Spazierwege, entlang der historischen<br />
Bewässerungskanäle laden geradezu zum Flanieren und<br />
Entspannen ein. Vor Jahrhunderten, erstmals im 13.<br />
Jahrhundert, wurden diese Wasserläufe zum Bewässern<br />
von Wiesen und Feldern angelegt. Besonders rund um<br />
Meran und im Vinschgau wurden die typischen Bäche geschaffen,<br />
um den seltenen Niederschlägen zu begegnen.<br />
Wasserhüter, die sogenannten „Waaler“ achteten darauf,<br />
dass jeder Bauer gleichermaßen versorgt wurde. Für uns ein<br />
herausragendes Beispiel für die Nutzung der Ressourcen<br />
im Einklang mit dem Kreislauf der Natur. Für die UNESCO<br />
so außergewöhnlich, dass sie den Weg der Malser Heide<br />
im Obervinschgau zum Weltkulturerbe erklärt. Heute sind<br />
alle Waalwege beinahe ganzjährig begehbar und verlaufen<br />
größtenteils in der Ebene. Darum also die Lust zum<br />
Schlendern. Besonders reizvoll sind die schmalen Wege im<br />
Mittelgebirge im <strong>Frühling</strong> zur Blütezeit und im Herbst durch<br />
alle Farben hindurch. Äußerst genussvoll ist die Meraner<br />
Waalrunde. Elf Waalwege führen stets begleitet von einem<br />
sanften Plätschern rund um das Meraner Becken. Doch<br />
nicht weniger reizvoll sind alle anderen Wasserhüter-Wege,<br />
durch Wälder, Apfelwiesen und Weinreben. Vorbei an<br />
Burgen, Schlössern und Kapellen. Und zu den berüchtigten<br />
Buschenschänken.<br />
Zu Tisch in Südtirol<br />
Hof- und Buschenschänken teilen sich eine Tradition<br />
und hegen eine gemeinsame kulinarische Leidenschaft.<br />
Gemütlichkeit, Heimeligkeit, unter Rebenlauben und in<br />
holzgetäfelten Stuben. Hier servieren die Bauern ein echtes<br />
Stück Südtirol. Aromatische Bergkräuter verbreiten ihren<br />
einzigartigen Duft. Frisch gebackenes Bauernbrot und<br />
herzhafte Marenden gesellen sich an die Tafel. Klassiker<br />
wie Schlutzkrapfen und Knödel bereichern die Runde.<br />
Eine geschmacksintensive Schwarzwurzelsuppe darf gerne<br />
noch vorweg. Dazu hofeigenen Wein oder hausgemachten<br />
Johannisbeersaft. Das ist Gastlichkeit, die von Herzen kommt.<br />
Das bedeutet zu Tisch sein in Südtirol. Nirgendwo ist dies<br />
mehr spürbar als bei einer Einkehr in den charakteristischen<br />
Hof- und Buschenschänken – mit ihrer gleichgesinnten Passion.<br />
Einziger Unterschied zwischen ihren Gemeinsamkeiten<br />
liegt in der Verortung. Hofschänken liegen außerhalb der<br />
Weinbaugebiete und schenken keinen selbst angebauten<br />
Rebsaft aus. Dafür ausgezeichnete Weine von ausgewählten<br />
Südtiroler Kellern und Weingütern. Buschenschänken sind<br />
inmitten der Weinberge zu finden. Dort wird der eigene<br />
Wein gekeltert, dort entspringt das traditionelle „Törgglen“.<br />
Ein Brauch, der daher rührt, dass früher nach der Lese<br />
die Bauern zur Weinverkostung in ihre Keller einluden.<br />
Weinhändler, Genießer und Winzer erfreuten sich an den<br />
neuen Jahrgängen und den geselligen Runden. Kredenzt<br />
wurden zufällig würziger Käse, heimischer Speck und<br />
warme Bauerngerichte. Eine Bereicherung damals. Eine<br />
Bereicherung für uns heute, zur Törggele-Zeit zwischen<br />
Oktober und Ende November, wenn sich die Stuben öffnen,<br />
der Wein fließt und die Kulinarik begeistert. Da darf es<br />
doch zweitrangig sein, ob wir in einem Hof- oder einem<br />
Buschenschank verweilen und die Zeit vergessen.<br />
<br />
Autorin: Anja Buntz<br />
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