<strong>wd</strong> PORTRAIT © Erdgas Schwaben 96
<strong>wd</strong> PORTRAIT „Die Lösung liegt irgendwo im Raum“ LANDRÄTIN INDRA BAIER-MÜLLER ÜBER WIDRIGE BEDINGUNGEN, DIE PFLICHT DER GEMEINSCHAFT UND IHRE LIEBE ZUR HEIMAT Ein sonniger Nachmittag in Sonthofen, an dem mich Indra Baier-Müller begrüßt. Mit Blick auf die Nagelfluhkette, darf ich mich heute mit ihr auf eine aufschlussreiche Reise durch ihre Geschichte begeben, kritischen Gesichtspunkten stellen und sie mit meinen Fragen zum Schmunzeln bringen. 2020 wird sie in das Amt der Landrätin Oberallgäu berufen, führt den Landkreis unmittelbar aus der Pandemie und widmet sich seither zeitgenössischen und futuristischen Themen. Sie ist Gestalterin, Bindeglied und Knotenpunkt, Zuhörerin und Stimmgeberin, Führungskraft und Teamplayer, nah an den Bürgern und hinter ihrem verantwortungsvollen Auftrag auch Mensch – mit Bewegungsdrang. Frau Baier-Müller, wie reifte in Ihnen der Wunsch, in die Politik zu wechseln? Es war eine sehr bewusste Entscheidung, in die regionale Politik einzusteigen. Bis dato war ich nie in kommunalpolitischen Gremien engagiert. Eher auf fachlicher Ebene in der Sozialpolitik und auf Landesebene, zum Beispiel als stellvertretende Vorsitzende des Evangelischen KITA- Verbandes oder des Diakonischen Rates. Ich agierte in starker Verzahnung mit den Ministerien und war an dieser Stelle sehr viele Jahre aktiv. Es gab sozusagen immer eine Verbindung, doch ich war nie in der Kommunalpolitik tätig. Was war letztendlich der Antrieb, als Landrätin zu kandidieren? Die Dinge mitgestalten und etwas bewegen zu können. Die Wirksamkeit, die ich als Mensch in einer Position als Landrätin habe, diese möglichst auszufüllen, dass daraus etwas Gutes entstehen kann, das war mein Antrieb, in die Politik hier im Landkreis einzutreten. Daran gekoppelt die Aufgaben, die es für die Zukunft umzusetzen gilt, beispielsweise die großen Herausforderungen im demografischen und sozialen Bereich. Diese aktiv mitzugestalten, sie nicht nur als Unternehmerin umzusetzen, sondern sie konzeptionell anzugehen, war mitunter entscheidend für den Entschluss zu kandidieren. Dazu musste ich mir allerdings auch die Frage beantworten, neben der Entwicklung der Region, ein Landratsamt leiten zu wollen und zu können. Dabei über fünfhundert Kolleginnen und Kollegen zu führen und sie in ihren Aufgaben zu begleiten. Die Übersetzungsarbeit zu leisten, zwischen Verwaltung, sowie den Vorgaben, denen Folge geleistet werden muss und den Themen der Menschen. Diese Verbindung gut umzusetzen, ist meiner Meinung nach die Aufgabe einer Landrätin und ist nach wie vor mein Antrieb. Was haben Sie in den vergangenen vier Amtsjahren als besonders empfunden? Es gab viele Besonderheiten, doch zwei Dinge, die vielleicht auch aus Sicht der Menschen im Allgäu prägend waren: Wir hatten eine Pandemie und während dieser Zeit eine Nordische Skiweltmeisterschaft, welche unter völlig widrigen Bedingungen und ohne Zuschauer stattfand. Dass das funktionierte, ist sehr vielen Personen zu verdanken, die Tag und Nacht gearbeitet haben. Bis hin zu, dass wir zwei Wochen vor Beginn ein komplettes Software-Programm auf die Beine stellen mussten, um sicherstellen zu können, dass alle Beteiligten getestet wurden, die Ergebnisse valide sind und jeder seinen Zugangsschein bekommt, damit er in dieser Blase bleiben darf. Das war eine sehr große Herausforderung, welche die Menschen aber super gemeistert haben. Dann aber auch zu erleben, dass eine Vierschanzentournee mit 20.000 Besuchern stattfindet und dass die Menschen wieder vor Ort sind, die Freude am Sport empfinden, jubeln – das ist mir sehr im Gedächtnis geblieben. Weil es beweist, dass wir Menschen soziale Wesen sind, die das Zusammenkommen ein Stück weit brauchen. Die Skiweltmeisterschaft war toll, doch zu erleben, wie es sich anfühlt bei einer Veranstaltung mit 20.000 Menschen vor Ort, das ist eine völlig andere Hausnummer. Das hat mir gezeigt, unter welchen besonderen Bedingungen wir in der Vergangenheit gearbeitet haben. ... 97