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lustige Geschichte TSCHICK hingegen ist sooo guuut, dass wir unbedingt darüber reden müssen. Für TSCHICK, unvergesslich wie die<br />

Flussfahrt von Tom Sawyer und Huck Finn, erhält der in Berlin lebende Autor und Illustrator Wolfgang Herrndorf im Juli dieses Jahres den<br />

mit 10.000 Euro dotierten Clemens Brentano Förderpreis für Literatur. Die Jury würdigte die Sprache Herrendorfs, die den Jugendslang<br />

aufnehme und diesen in bleibende Literatur verwandle. So ernsthaft nüchtern kann man einen Text beschreiben, der Worte wie<br />

»vollgeschifft«, »Strahlkotzen«, »endgestört«, »endbescheuert«, »Dackelgesicht« oder »Arsch offen« enthält – und dabei verschweigen,<br />

dass man sich bei dessen Lektüre köstlich amüsiert, geradezu kaputtlacht, nicht allein der Wortwahl wegen, sondern weil dieser Text<br />

zudem voller großartiger Situationskomik steckt! Allerdings läuft in TSCHICK bei allem Witz, all den komischen Dialogen und he rlichen<br />

Szenen stets eine zweite Tonspur mit. Darauf erklingen Lieder von Außenseitertum, Einsamkeit, Freundschaft, erster Liebe, und da zeigt<br />

sich Herrndorfs großes Einfühlungsvermögen in wunderbarer, tief berührender Weise.<br />

TSCHICK ist nicht linear erzählt, sondern beginnt damit, dass Maik von dem Ende der Reise berichtet. Erst nach vier oder fünf kurzen<br />

Kapiteln wird dann die Geschichte von hinten aufgerollt. Ein klein wenig lange dauert es dann, bis Tschick und Maik sich schließlich auf der<br />

Straße befinden und der Roman alles bietet, was man sich von einer rastlosen Reise ins Unbekannte erwartet. Es passieren ziemlich<br />

abgedrehte und skurrile Dinge. Natürlich können zwei Vierzehnjährige nicht einfach an einer Tankstelle vorfahren, um Benzin<br />

nachzufüllen. Wie die beiden doch an ihr Benzin kommen, ist eine längere Geschichte, bei der einiges Unerwartete geschieht. Dabei<br />

lernen sie auf einem Schrottplatz z. B. Isa, ein herumstreunendes und schrecklich stinkendes Mädchen, kennen. Isa heftet sich den<br />

beiden Jungen an die Fersen, obwohl diese das gar nicht wollen. Also sind sie eine Zeit lang zu dritt unterwegs. Und selbstverständlich<br />

kommt irgendwann die Polizei ins Spiel. Herrndorf reiht in seinem von kauzigen Figuren bevölkerten Roman eine seltsame Situation an<br />

die andere. Er erzählt von einer ungewöhnlichen Freundschaft, die immer wieder auf die Probe gestellt wird, sie jedoch jedes Mal besteht.<br />

Hanno Koffler, der 1980 in Berlin geborene Theater- und Filmschauspieler, der sich u.a. mit seinen Rollen in KRABAT, DER ROTE BARON<br />

und NACHT VOR AUGEN einen Namen gemacht hat, lässt seine Zuhörer mit seiner jungen, eindringlichen Stimme die Odyssee von Maik<br />

und Tschick hautnah miterleben. Durch ihn wird klar, wie präzise Wolfgang Herrndorf seinen Helden aufs Maul zu schauen vermag. Ohne<br />

dass es je aufdringlich oder peinlich wird, spricht er die Sprache von zwei pubertierenden Jugendlichen. Die Dialoge stimmen, und der<br />

Autor kommt mit seinem Wissen- und Erfahrungsvorsprung seinem überzeugenden jungen Erzähler Maik nie in die Quere. Die<br />

Authentizität, die der große Stilist und blendend aufgelegte Autor Herrndorf in seinem Roman geschaffen hat, wird in Hanno Kofflers<br />

kongenialer und fesselnder Lesung perfekt transportiert. TSCHICK ist einfach unwiderstehlich gut geschrieben – und ebenso gut gelesen.<br />

Am Ende des Romans wird man noch mit einer filmreifen und bedeutungsschwangeren Szene belohnt und kann das Hörbuch dann<br />

glücklich auf den Stapel derer legen, die man in nicht allzu ferner Zukunft noch einmal genießen möchte.<br />

55<br />

Maran Alsdorf

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