Download der Chronik als PDF - VR Genossenschaftsbank Fulda eG
Download der Chronik als PDF - VR Genossenschaftsbank Fulda eG
Download der Chronik als PDF - VR Genossenschaftsbank Fulda eG
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Der Strukturwandel<br />
im Handwerk führte zu<br />
vielen neuen Berufen.<br />
36<br />
Die industrielle Revolution kündigte sich in<br />
Deutschland an. In <strong>Fulda</strong> entstand eine starke<br />
Textilindustrie.<br />
Die Einführung von Maschinen und neuen Technologien<br />
machte Manufakturen und Fabriken<br />
noch leistungsfähiger und billiger. Das langsame<br />
und in kleinen Stückzahlen<br />
arbeitende traditionelle Handwerk<br />
war nicht mehr imstande,<br />
den Massenbedarf <strong>der</strong> schnell<br />
wachsenden Bevölkerung zu<br />
decken. Die technische Entwicklung<br />
machte außerdem<br />
viele Berufe im Handwerk<br />
überfl üssig, wie zum Beispiel<br />
die Seifensie<strong>der</strong>, Kammmacher<br />
o<strong>der</strong> Nagelschmiede. Zählte<br />
das Handwerk in <strong>der</strong> vorindustriellen<br />
Zeit noch zum Motor<br />
des Gewerbes – nach <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
war das Handwerk <strong>der</strong> zweitgrößte<br />
Wirtschaftszweig –, verlor es mit <strong>der</strong> Industrialisierung<br />
zunehmend seinen Rang.<br />
Hinzu kam, dass 1810 in Preußen die Gewerbefreiheit<br />
eingeführt wurde, die 1869 per Reichsgesetz<br />
weiter ausgedehnt wurde. Damit war<br />
faktisch je<strong>der</strong> Bürger berechtigt, einen Handwerksbetrieb<br />
zu gründen. In <strong>der</strong> zweiten Hälfte<br />
des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts verbreitete sich außerdem<br />
<strong>der</strong> Detailhandel (Einzelhandel) <strong>als</strong> effi zientes<br />
Verteilsystem sehr schnell auch in den ländlichen<br />
Regionen. Das immer breitere Angebot <strong>der</strong> Ladengeschäfte<br />
bewirkte einen Auftragsrückgang<br />
und Arbeitslosigkeit unter Handwerkern. Während<br />
<strong>der</strong> allgemeinen Wirtschaftskrise ab 1873 litt<br />
das Handwerk so sehr unter Auftragsmangel, dass<br />
<strong>der</strong> Untergang dieses Wirtschaftszweiges absehbar<br />
erschien. Doch dann folgte um 1895 <strong>der</strong> Wirtschaftsaufschwung,<br />
<strong>der</strong> einen längst überfälligen<br />
Strukturwandel im Handwerk auslöste. Viele neue<br />
Berufe entstanden, wie beispielsweise <strong>der</strong> Karosseriebauer,<br />
Elektriker o<strong>der</strong> Fotograf.<br />
Mit dem Ende <strong>der</strong> Zünfte durch die Einführung<br />
<strong>der</strong> Gewerbefreiheit wollte sich das Handwerk<br />
jedoch nicht abfi nden. Freie gewerbliche Vereine,<br />
sogenannte Innungen, sollten die Zünfte ersetzen.<br />
Sie blieben zunächst jedoch stets nur private Organisationen,<br />
die <strong>der</strong> gegenseitigen Absicherung<br />
in Krankheit o<strong>der</strong> Alter und <strong>der</strong> handwerklichen<br />
Geselligkeit dienten. 1881 wurden in <strong>der</strong> Reichs-<br />
gewerbeordnung die vereinigten Zunft- o<strong>der</strong><br />
Innungsausschüsse <strong>als</strong> erste institutionalisierte<br />
Organisationsform in neuerer Zeit kodifi ziert.<br />
Die Innungsausschüsse <strong>als</strong> Vorläufer <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Kreishandwerkerschaften gelten damit nach<br />
den Zünften <strong>als</strong> zweitälteste Organisationsform<br />
im Handwerk. Mit <strong>der</strong> Novellierung <strong>der</strong> Gewerbeordnung<br />
1897 wurde ein Handwerksgesetz<br />
verabschiedet, das auch die Handwerkskammer<br />
<strong>als</strong> Organisationsform legitimierte und <strong>der</strong> alle<br />
Handwerker beizutreten hatten. Von April 1900<br />
an wurden 71 Handwerkskammern in Deutschland<br />
gegründet.<br />
Zweck <strong>der</strong> neuen Handwerkskammern war vor<br />
allem, dem Handwerk neben den auf kleinere<br />
Bezirke beschränkten Innungen und Innungsausschüssen<br />
effektive, gewerbeübergreifende<br />
Selbstverwaltungskörper für größere Bezirke zur<br />
Verfügung zu stellen, wie es sie für Handel und<br />
Industrie in den meisten deutschen Staaten in<br />
Form <strong>der</strong> Handelskammern schon lange gab.<br />
Eine Antwort des Handwerks auf die industrielle<br />
Revolution war die Konzentration auf das Kunsthandwerk.<br />
Denn die Industrialisierung sorgte<br />
gerade in den bürgerlichen Schichten für aufblühende<br />
Wirtschaftszweige und ließ eine neue Elite<br />
entstehen – das Großbürgertum. Die Kunst, die<br />
vorher nur für den adligen Hof bestimmt war,<br />
erfuhr einen Aufschwung. Fabrikanten, Kaufl eute<br />
und Bankiers verlangten nach repräsentativen<br />
Gegenständen, was sich beson<strong>der</strong>s in den Bereichen<br />
<strong>der</strong> Architektur und <strong>der</strong> Möbelkunst nie<strong>der</strong>schlug.<br />
In <strong>der</strong> Folge wurden in Deutschland<br />
zahlreiche Schulen für Gestaltung im Handwerk<br />
und berufsbildende Einrichtungen für Kunsthandwerker<br />
gegründet o<strong>der</strong> bereits bestehende blühten<br />
auf.<br />
Mit <strong>der</strong> zweiten Novellierung <strong>der</strong> Gewerbeordnung<br />
1908 wurde <strong>der</strong> „kleine Befähigungsnachweis“<br />
erlassen, <strong>der</strong> für die Ausbildung von<br />
Lehrlingen wie<strong>der</strong> den Meisterbrief erfor<strong>der</strong>lich<br />
machte. Den Abschluss <strong>der</strong> Bewegung stellt die<br />
Handwerksordnung von 1935 mit <strong>der</strong> Einführung<br />
des „großen Befähigungsnachweises“ dar, mit<br />
dem selbst für die Ausübung eines Handwerkes<br />
wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Meisterbrief verlangt wurde.<br />
Mit Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts än<strong>der</strong>te sich<br />
langsam auch die Betriebsgröße im Handwerk.<br />
Das Baugewerbe entwickelte sich zur großen<br />
Branche. Der Trend zu größeren Betrieben kam