Rudolf Steiner Nationalökonomischer Kurs - Institut für soziale ...
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liegt. Die bedeutsamsten volkswirtschaftlichen Fragen können gar nicht gelöst werden, wenn man<br />
nicht in einer solchen Weise genau auf die Sachen eingeht, aber sich auch klar darüber ist, daß,<br />
was auch auftritt in der Volkswirtschaft, daß das immer etwas Fluktuierendes sein muß. In dem<br />
Augenblick, wo die Ware nur von einem Ort zum andern gebracht wird, wird der Zähler etwas<br />
anderes und so weiter. Und ich kann eigentlich immer nur beweisen, wie fluktuierend im<br />
volkswirtschaftlichen Prozeß alles ist.<br />
Es ist ein sehr beträchtlicher Unterschied zwischen der Börse, die ich in der Tasche habe und wo<br />
fünf Franken drin sind, und der Börse, die ein anderer hat und wo auch fünf Franken drin sind. Es<br />
ist nicht gleichgültig, ob die fünf Franken in der einen Tasche oder in der anderen sind; denn das<br />
alles muß im realen wirtschaftlichen Prozeß absolut erfaßt werden. Sonst bekommen Sie nur<br />
einige hingepfahlte abstrakte Begriffe heraus von Preis und Wert und Ware und Produktion und<br />
Konsumtion und so weiter, und Sie bekommen nicht das heraus, was eigentlich wirklich zum<br />
Verständnis des volkswirtschaftlichen Prozesses führt.<br />
Das ist das so unendlich Traurige in unserer Gegenwart, daß wir in einer Lage sind, wo wir eben<br />
einfach deshalb, weil durch Jahrhunderte die Menschheit sich an scharf konturierte Begriffe<br />
gewöhnt hat, die nicht anwendbar sind im Prozeß, das nicht können, was sich heute so notwendig<br />
als eine Forderung vor uns hinstellt: daß wir mit unseren Begriffen in Bewegung kommen, um die<br />
volkswirtschaftlichen Prozesse zu durchdringen. Das ist, was errungen werden muß: die<br />
Beweglichkeit des Denkens, um einen Prozeß als solchen innerlich durchdenken zu können.<br />
Gewiß, in der Naturwissenschaft werden auch Prozesse durchgedacht, aber so, wie sie von außen<br />
angeschaut werden. Das hilft aber nichts. Sie müßten sich in einem Luftballon weit hinaufbegeben<br />
und den volkswirtschaftlichen Prozeß anschauen, wie der Chemiker seine Prozesse von außen<br />
anschaut. Was die volkswirtschaftlichen Prozesse auszeichnet, ist, daß wir in ihnen drinnenstehen.<br />
Wir müssen sie also von innen anschauen. Wir müssen uns in den volkswirtschaftlichen<br />
Prozessen so erfühlen, wie etwa ein Wesen, das, sagen wir, in einer Retorte wäre. Hier wird etwas<br />
gebraut unter Wärmeentwickelung. Dieses Wesen, das da in der Retorte wäre, das kann nicht der<br />
Chemiker sein, dieses Wesen, das ich vergleichen will mit uns, sondern das müßte ein Wesen<br />
sein, das die Wärme mitmacht, selber mitsiedet. Der Chemiker kann das nicht, dem Chemiker ist<br />
das ein Äußerliches. In der Naturwissenschaft stehen wir außer den Prozessen. Der Chemiker<br />
könnte das nicht mitmachen, wenn hier eine Temperatur von hundertfünfzig Grad entwickelt<br />
wird. Den volkswirtschaftlichen Prozeß machen wir überall innerlich mit, müssen ihn auch<br />
innerlich verstehen. Deshalb ist es so, daß vielleicht ein Mathematiker sagt: Ja, du hast uns jetzt<br />
irgend etwas wie eine Formel aufgeschrieben.<br />
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