Rudolf Steiner Nationalökonomischer Kurs - Institut für soziale ...
Rudolf Steiner Nationalökonomischer Kurs - Institut für soziale ...
Rudolf Steiner Nationalökonomischer Kurs - Institut für soziale ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
zwei solche Anschauungen, lassen Sie diese, die eine und die andere, real werden, dann werden<br />
Sie sehen, wie sich die realen volkswirtschaftlichen Verhältnisse unter der einen und der anderen<br />
Anschauung verändern; denn dasjenige, was vorgeht unter Menschen, ist eben auch das Ergebnis<br />
der Anschauungen. Es verändern die Anschauungen dasjenige, was vorgeht, je nachdem sie selbst<br />
anders werden. Heute baut das ganze Proletariat seine Agitation darauf auf, daß die Arbeit<br />
entsprechend bezahlt werden muß; aber nirgends wird Arbeit bezahlt, sondern immer werden nur<br />
die Ergebnisse der Arbeit bezahlt. Und das würde, wenn man es verstehen würde im rechten Sinn,<br />
auch in der Wirklichkeit der Preise zum Ausdruck kommen. Man kann nicht sagen: Es ist<br />
gleichgültig, ob man etwas Warenpreis oder Lohn nennt; denn in dem Augenblick, wo man vom<br />
Lohn spricht, glaubt man, daß man Arbeit in Wirklichkeit bezahlt. Und dann kommt man auf all<br />
diejenigen weiteren sekundären Begriffe, welche die Arbeit als solche zusammenbringen mit<br />
anderen volkswirtschaftlichen Prozessen, die werterzeugend sind, und es entstehen die <strong>soziale</strong>n<br />
Wirren in einer falschen Weise. Es entstehen die <strong>soziale</strong>n Wirren insofern richtig, als sie aus<br />
Empfindungen, aus Gefühlen heraus entstehen. Gefühle und Empfindungen haben immer in einer<br />
gewissen Weise recht; aber man kann nicht korrigieren, was man korrigieren soll, wenn man nicht<br />
die richtigen Begriffe hat. Und das ist im <strong>soziale</strong>n Leben das Fatale, daß auf eine ganz richtige<br />
Weise oftmals die Diskrepanzen entstehen, die Korrekturen sich aber unter falschen Begriffen<br />
vollziehen. Und im allereinzelnsten entwickeln die Menschen solche falschen Begriffe, die dann<br />
auch hinausgetragen werden in die ganze volkswirtschaftliche Anschauung und dann eben<br />
Verheerendes anrichten.<br />
Nehmen Sie einmal ein sehr einfaches Beispiel an: Ein Herr - ich möchte dieses Beispiel aus dem<br />
Leben erzählen - sagte mir einmal: Ja, ich liebe es sehr, Ansichtskarten <strong>für</strong> meine Freunde zu<br />
schreiben, recht viele Ansichtspostkarten. - Ich sagte: Ich liebe gar nicht, Ansichtspostkarten zu<br />
schreiben, und zwar - es war das noch in einer Zeit, wo ich noch nicht so viel zu tun hatte wie<br />
jetzt -, und zwar, sagte ich, aus volkswirtschaftlichen Gründen. - Warum? - fragte er. Ich sagte:<br />
Ich muß mir unwillkürlich denken bei jeder Ansichtspostkarte, die ich schreibe, es läuft vielleicht<br />
ein Briefträger hinauf bis zum vierten Stock. Kurz, ich verursache eine Umlagerung des<br />
volkswirtschaftlichen Prozesses. Nicht auf die Arbeit des Briefträgers kommt es an, aber beim<br />
Briefträger ist schwer zu unterscheiden die Leistung von der Arbeit. Und die Leistung muß taxiert<br />
werden. Ich vermehre also in unökonomischer Weise die Leistungen, die die Briefträger zu<br />
vollführen haben, wenn ich es liebe, viele Ansichtspostkarten an meine Freunde zu schreiben. - Er<br />
sagte: Das ist nicht volkswirtschaftlich gedacht; denn wenn man stipuliert: ein Briefträger braucht<br />
nur so und so viel zu leisten, dann werden ja <strong>für</strong> die vielen Ansichtspostkarten, die die vielen<br />
Leute schreiben, eben viele neue Briefträger angestellt, und es bekommen so und so viele<br />
94