28.01.2013 Aufrufe

PDF-Ausgabe kann hier kostenlos ... - Ablaze Magazin

PDF-Ausgabe kann hier kostenlos ... - Ablaze Magazin

PDF-Ausgabe kann hier kostenlos ... - Ablaze Magazin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

66<br />

Black Metal im Fadenkreuz<br />

der „Jugendschützer“<br />

„Die Wortwahl der Band und die Maßlosigkeit der<br />

Aburteilung der monotheistischen Religionen Christentum<br />

und Judentum gehen weit über einen harten<br />

inhaltlichen Diskurs hinaus. Die Lieder diffamieren<br />

allesamt den christlichen Glauben und sollen in<br />

besonders drastischer Form die religiösen Gefühle<br />

von gläubigen Christen und Juden verletzen.“<br />

Diese Aussage stammt nicht etwa von einem Kirchenvertreter,<br />

der sich über die antichristliche<br />

Polemik in den Liedtexten einer Black Metal-Band<br />

empört. Nein, das Zitat wurde einer Indizierungsentscheidung<br />

der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende<br />

Medien (BPjM), mit Sitz in Bonn, entnommen.<br />

Aufgaben der BPjM sind die Indizierung<br />

jugendgefährdender Medien auf Antrag oder Anregung<br />

(„gesetzlicher Jugendmedienschutz“) sowie<br />

die Förderung wertorientierter Medienerziehung<br />

und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit<br />

für die Belange des Jugendmedienschutzes. Die<br />

BPjM ist eine staatliche Institution, und als solche<br />

steht sie in einer langen Tradition deutscher Zensurbehörden.<br />

Bereits in der Weimarer Republik<br />

hatte es mit der Oberprüfstelle für Schund- und<br />

Schmutzschriften eine entsprechende Institution<br />

gegeben. In der jungen Bundesrepublik Deutschland<br />

wurde eine solche Einrichtung ebenfalls für<br />

dringend notwendig erachtet, um die neu erworbenen<br />

Grundrechte der Meinungs- und Kunstfreiheit<br />

auf diesem Weg wieder einschränken zu können.<br />

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende<br />

Schriften wurde am 19. Mai 1954 gebildet, nachdem<br />

am 9. Juni 1953 das Gesetz über die Verbreitung<br />

jugendgefährdender Schriften verabschiedet<br />

worden war. Erstes Opfer dieser Zensurbehörde<br />

waren zwei <strong>Ausgabe</strong>n des „Tarzan“-Comics. Sie<br />

würden auf Jugendliche „nervenaufpeitschend<br />

und verrohend wirken“ und sie „in eine unwirkliche<br />

Lügenwelt versetzen“, gab man zur Begründung<br />

an. Solche Darstellungen seien „das Ergebnis einer<br />

entarteten Phantasie“. In der Anfangszeit befasste<br />

man sich vornehmlich mit Literatur, aber im Laufe<br />

der nachfolgenden Jahrzehnte, und unter Berücksichtigung<br />

neuer technischer Möglichkeiten, wurde<br />

die Zuständigkeit der BPjM auch auf Tonträger,<br />

Software (Computer- und Videospiele), Filme, und<br />

neuerdings sogar auf Netzseiten, ausgeweitet.<br />

Die BPjM wird nicht von sich aus aktiv.<br />

Sie <strong>kann</strong> nur auf Anträge oder Anregungen zur Indizierung<br />

reagieren. Derartige Anregungen kommen<br />

bspw. von Jugendämtern, zunehmend aber<br />

auch aus Landeskriminalämtern (LKA). Eine Privatperson<br />

hingegen <strong>kann</strong> einen solchen Antrag nicht<br />

einreichen.<br />

Als das Prüfkriterium der BPjM, ob ein<br />

Medium zu indizieren - und die Eintragung in eine<br />

entsprechenden „Liste der jugendgefährdenden<br />

Medien“ (von Bedeutung sind vor allem „Liste A“<br />

(Medien sind jugendgefährdend) und „Liste B“<br />

(Medien für die nach Ansicht der BPjM die weitergehenden<br />

Verbreitungsverbote nach dem Strafgesetzbuch<br />

gelten) vorzunehmen - ist, gilt der Grad<br />

der sog. „Jugendgefährdung“, welcher von dem<br />

Medium ausgeht. Im Jugendschutzgesetz findet<br />

man zur Bestimmung dieser „Jugendgefährdung“<br />

die folgende Aussage: Demnach sind solche Medien<br />

jugendgefährdend, die geeignet sind, die<br />

Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder<br />

ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und<br />

gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.<br />

Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend<br />

wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder<br />

Rassenhass anreizende Medien sowie Medien,<br />

in denen Gewalthandlungen, insbesondere Mordund<br />

Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert<br />

dargestellt werden oder Selbstjustiz als einzig<br />

bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen<br />

Gerechtigkeit nahe gelegt wird. Indizierte<br />

Medien dürfen nicht beworben und Kindern/Jugendlichen<br />

unter 18 Jahren auch nicht zugänglich<br />

gemacht werden.<br />

Betrachtet man die üblichen Sujets im<br />

Black Metal – Krieg, Tod und Vernichtung – dann<br />

erscheint es durchaus naheliegend, dass die BPjM<br />

früher oder später auch auf Tonträger von solchen<br />

Bands aufmerksam gemacht wird. Bisher findet<br />

man auf den besagten Listen der BPjM hauptsächlich<br />

Veröffentlichungen von Bands aus der<br />

Skinhead-Szene. Im Bereich des extremen Metal<br />

fanden so gut wie keine Indizierungen statt. Lediglich<br />

CANNIBAL CORPSE, auf Betreiben der berüchtigten<br />

Christa Jenal hin, musste das Artwork<br />

für die Cover diverser Alben verändern um dem<br />

Bannstrahl aus Bonn entgehen zu können.<br />

Im Jahr 2003 war es schließlich soweit:<br />

Die BPjM bekam das Debütalbum der deutschen<br />

Black Metal-Band CAMULOS vorgelegt. Auf Grund<br />

der Thematik des Tonträgers, dessen Lieder dem<br />

Bereich des Satanismus zuzuordnen sind, beschloss<br />

die BPjM , ein Gutachten über die Hintergründe<br />

und Bedeutung der Texte sowie über die<br />

mögliche Jugendgefährdung in Auftrag zu geben.<br />

Weil es in Deutschland leider üblich ist, dass man<br />

sich bereits dann als „Sachverständiger“ gerieren<br />

<strong>kann</strong> wenn man sich selbst für sachverständig<br />

hält, wurde der Politologie Dr. Rainer Fromm für<br />

dieses Gutachten ausgewählt. Offenkundig hat er<br />

sich durch seine tendenziösen TV-Beiträge ( -> <strong>Ablaze</strong><br />

#4), zu Themen wie „Rechtsextremismus“ und<br />

„Satanismus“, als „Sachverständiger“ hinreichend<br />

qualifizieren können.<br />

Dr. Fromm machte sich auch sofort an<br />

die Arbeit und erstellte ein „Gutachten“ mit dem<br />

Titel: „Die Genese der Black Metal-Subkultur<br />

und des Neosatanismus in der Rockmusik“.<br />

Seine Absichten werden bereits in der Einleitung<br />

deutlich. Dort heisst es unverhohlen: „Das vorliegende<br />

Gutachten ist … ein Versuch, etwas Licht in<br />

eine subkulturelle Szene zu setzen, in der seit Jahren<br />

drastische Verstöße gegen den Jugendschutz zum<br />

inhaltlichen Markenzeichen geworden sind.“ Diesen<br />

Vorwurf sieht Dr. Fromm dann auch durch<br />

besagtes Debütalbum von CAMULOS bestätigt.<br />

Nach seiner „sachverständigen“ Analyse sind die<br />

wichtigsten Inhalte der Band auf diesem Album:<br />

Gewaltdarstellungen/Splatterszenen, antichristliche<br />

Provokationen, pornographische Inhalte. Abschließend<br />

meint er: „Insgesamt belegt die Analyse,<br />

dass das Musikprojekt ‚Camulos‘<br />

durch persönliche wie auch<br />

politische Kontakte tief in dem<br />

rechtsextremistischen Teil der<br />

deutschen Black Metal-Szene<br />

verwurzelt ist. Dass gerade im<br />

Umfeld des sogenannten ‚Real<br />

Underground‘ des Black Metal<br />

seit Jahren Christen und Juden<br />

kaum beanstandet zum Freiwild<br />

erklärt werden, das in ganz<br />

unterschiedlicher Weise getötet<br />

bzw. gefoltert werden soll, ist<br />

auch gesellschaftlich nicht<br />

hinnehmbar. Ebenso wenig<br />

hinnehmbar ist die Tatsache,<br />

dass radikale Teile einer<br />

Subkultur es geschafft<br />

haben, dass besonders<br />

menschenverachtende<br />

Agitation gegen die Anhänger<br />

der christlichen Religionsgemeinschaft<br />

zum verkaufsfördernden<br />

Indikator gewachsen ist.“<br />

Die BPjM hat sich dieser Bewertung<br />

weitgehend angeschlossen. Man sei der<br />

Überzeugung, dass „für Kinder und Jugendliche, die<br />

sich in einer Entwicklungsphase befinden, in der ihr<br />

Weltbild und ihr Selbstverständnis noch nicht endgültig<br />

ausgebildet ist, aufgrund der in den Liedern<br />

zu Tage tretenden Missachtung anderer Menschen<br />

der Eindruck entstehen (<strong>kann</strong>), als sei das Schmerzzufügen<br />

bzw. das Fehlen von Mitleid eine akzeptierte<br />

Geisteshaltung. Diese Einstellung widerspricht<br />

jedoch dem in der Gesellschaft aner<strong>kann</strong>ten Erziehungsziel,<br />

Kindern und Jugendlichen die Achtung<br />

für die Menschenwürde Anderer und das Gebot zur<br />

Toleranz zu vermitteln“ (Entscheidung Nr. 5204 vom<br />

06.11.2003, be<strong>kann</strong>t gemacht im Bundesanzeiger<br />

Nr. 224 vom 29.11.2003). Das Album wurde anregungsgemäß<br />

indiziert.<br />

Auffällig an dieser Indizierung ist zum<br />

Beispiel der Umstand, dass es nicht etwa ein besorgte<br />

Jugendbehörde gewesen ist, welche das<br />

CAMULOS-Album mit einer Anregung zur Indizierung<br />

an die BPjM geschickt hat. Stattdessen kam<br />

diese Anregung vom LKA Sachsen.<br />

Das LKA Sachsen ist auch verantwortlich<br />

für die Indizierung von zwei ABSURD-Alben<br />

in den Jahren 2008 und 2009. An diesem Beispiel<br />

lässt sich sehr gut nachvollziehen warum die Strafverfolgungsbehörden,<br />

und nicht etwa Jugendämter,<br />

in zunehmenden Maße als die Initiatoren von<br />

Indizierungsverfahren in Erscheinung treten.<br />

Im August 2008 wurden mehrere Objekte<br />

in Sachsen und Thüringen durchsucht; davon<br />

waren auch Versandhändler aus der Black<br />

Metal-Szene betroffen. Im Rahmen der Hausdurchsuchungen,<br />

die zumindest in einem Fall vom<br />

LKA Sachsen durchgeführt wurde, hat man auch<br />

diverse Tonträger von ABSURD sichergestellt. Es<br />

handelt sich dabei um „Der fünfzehnjährige Krieg“,<br />

„Facta Loquuntur“, , „Asgardsrei“, und „Blutgericht“.<br />

Diese Veröffentlichungen hat das LKA dann einer<br />

„kriminaltechnischen Auswertung“ unterzogen.<br />

Dabei wurde man auf Liedtexte aufmerksam, die<br />

dem ersten Eindruck nach als „gewaltverherrlichend“,<br />

„jugendgefährdend“, und als „volksverhetzend“<br />

einzustufen sind.<br />

Allerdings soll in der Bundesrepublik<br />

Deutschland die Kunstfreiheit grundgesetzlich garantiert<br />

sein. Das subjektive Empfinden, welches<br />

LKA als „Judenschützer“..<strong>hier</strong> das LKA Sachsen (Bild von www.polizei-sachsen.de)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!