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78<br />

V i c i o u s V o i c e s<br />

Die Entzauberung des Black Metal<br />

Man stelle sich einen pubertären, deutschen Black<br />

Metal-Fan im Jahr 1992 vor; sein junges Herz wurde<br />

„Live in Leipzig“ in Stücke geschnitten wurde;<br />

seine bislang unbefleckte Seele entweicht ihm<br />

gleich „Feeble Screams from Forests unknown“;<br />

seine naiven Augen wurden von „A Blaze in the<br />

Northern Sky“ geblendet. Black Metal ist sein Religionsersatz;<br />

seine Idole sind Finstermänner mit Gitarre<br />

in der einen und Benzinkanister in der anderen<br />

Hand, und sein gelobtes Land ist: Norwegen.<br />

Ein blizzardumtostes, eisiges Nordland jenseits<br />

der heimischen Zivilisation; eine willkommene<br />

Projektionsfläche für wirre Träume und abwegige<br />

Fantastereien, die als archaische Kulisse für ein<br />

barbarisches, blutiges Heidentum herhalten <strong>kann</strong>.<br />

Jede brennende Kirche - ein Fanal für die bevorstehende<br />

Apokalypse; jedes räudig produzierte Demoband<br />

- eine Botschaft uralter Gottheiten; jeder<br />

Affront der Musikpresse – ein Zeugnis boshafter<br />

Entschlossenheit.<br />

Natürlich will dieser junge Fan unbedingt<br />

nach Norwegen reisen, um an diesen dämonischen<br />

Sabbat mit Haut und Haaren teilzunehmen.<br />

Vielen Black Metal-Fans blieb zu dieser Zeit<br />

die Pilgerreise nach Norwegen aus ganz banalen<br />

Gründen verwehrt. Doch stellen wir uns weiterhin<br />

vor, besagter junger Fan käme tatsächlich in Norwegen<br />

an – allerdings nicht im Norwegen der Jahre<br />

1991 bis 1994, sondern im Norwegen des Jahres<br />

2009. Wen wird er in der dortigen Black Metal-<br />

Szene antreffen? Einen schwulen Satanisten, der<br />

von seiner ersten Liebe schwärmt. Bierbäuchige<br />

Pandas, die sich in enge Lederhosen zwängen und<br />

Grimassen schneiden. Manierliche Familienväter,<br />

die sich neben der Kinderaufzucht noch der<br />

Komposition progressiver Lieder widmen. Ulkige<br />

Wirrköpfe, auf halluzinogenen Reisen in abstrakte<br />

(Klang)Welten. Der „Traum von Blashyrkh“ (Uwe<br />

Nolte) zerschellt an den sc<strong>hier</strong> unbezwingbaren<br />

Klippen einer grausamen Realität. Auch wenn der<br />

Vergleich zu weit hergeholt erscheinen mag: Wer<br />

sich ein Theaterstück ansieht und Gefallen an der<br />

dargebotenen Illusion findet, der sollte den Gang<br />

hinter die Kulissen tunlichst vermeiden.<br />

Aber es war ja nicht immer so. Im Jahr<br />

1993 stellte ein deutsches Musikmagazin die<br />

rhetorische Frage: „Quo vadis, Black Metal?“. Man<br />

echauffierte sich über die „faschistoiden Spinner“<br />

von IMPALED NAZARENE, MAYHEM, BURZUM,<br />

und DARKTHRONE. Diese Black Metal-Bands aus<br />

Skandinavien - vornehmlich aus Norwegen - würden<br />

nicht nur eine denkbar miese Musik machen,<br />

sondern zudem mit ihren Aussagen und Aktionen<br />

die gesamte Metal-Szene in Verruf bringen. Bereits<br />

einige <strong>Ausgabe</strong>n zuvor wurde der Versuch eines<br />

Interviews mit DARKTHRONE in besagten <strong>Magazin</strong><br />

abgedruckt; wobei aber das Gespräch schnell<br />

zu wechselseitigen Beleidigungen eskalierte und<br />

den dafür verantwortlichen Redakteur zu der Aussage<br />

veranlasste, er würde wohl nur noch dann mit<br />

Nocturno Culto in Kontakt kommen, um diesem<br />

ein neues Spenderhirn gewaltsam einzupflanzen.<br />

Im Jahr 2009 ist das allenfalls noch eine<br />

Anekdote aus einer anderen Welt; eine Fußnote<br />

in der Geschichte des Heavy Metal, welche den<br />

damals Beteiligten heutzutage vermutlich egal<br />

oder allenfalls etwas peinlich sein wird. Ansonsten<br />

hat die Situation sich nämlich grundlegend<br />

gewandelt. Obwohl die Black Metal-Musiker einst<br />

lautstark proklamierten, dass man sich mit der<br />

„Brotherhood of Metal“ in ewiger Feindschaft<br />

befindet (exemplarisch: „PARADISE LOST sind im<br />

schwedischen Norrköping von einer Satanisten-<br />

Schwadron überfallen worden. Die Horde Hirnto-<br />

ter schlug sämtliche Scheiben des PL-Tourbusses<br />

ein und verschmierte das Gefährt zusätzlich mit<br />

allerlei Parolen. Es wird vermutet, dass der Angriff<br />

von norwegischen Schwachköpfen ausging…“ –<br />

aus einem deutschen Metalmagazin 1992/1993),<br />

hat man in der Zwischenzeit vor dem Konformitätsdruck<br />

in der Heavy Metal-Szene bedingungslos<br />

kapituliert – wenn man nicht gleich selber, mit<br />

wehenden Fahnen, zu den „Metal-Brüdern“ übergelaufen<br />

ist.<br />

Welche Distinktion gibt es denn heute<br />

zwischen Black- und sonstigen Metal, von der<br />

musikalischen Darbietung einmal abgesehen (obwohl<br />

es ja auch <strong>hier</strong> schon zu vielfältigen „Stilmixen“<br />

kommt)?<br />

Vor 16 Jahren konnte man diese Frage<br />

noch eindeutig beantworten. Black Metal war<br />

absolut anders als alles, was der Heavy Metal bis<br />

dahin an „Subgenres“ hervorgebracht hatte. Black<br />

Metal wollte im Grunde genommen gar keine Musik<br />

sein, sondern als eine Weltanschauung und als<br />

eine Lebenseinstellung ernstgenommen werden.<br />

Der Unterschied zwischen dem Black Metal und allem<br />

anderen Heavy Metal war durchaus gleichbedeutend<br />

mit dem Unterschied zwischen Fanatiker<br />

und Fan. Etymologisch haben beide Begriffe den<br />

selben Ursprung, und dennoch sind sie im Allgemeinverständnis<br />

keinesfalls identisch.<br />

Wer kein Zeitzeuge der Anfangstage<br />

des Black Metal ist, der <strong>kann</strong> allenfalls durch die<br />

Lektüre von bspw. dem Buch „Lords of Chaos“ einen<br />

Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der<br />

damaligen Akteure bekommen. Mit der eigenen<br />

Erfahrung, die man heutzutage mit Black Metal<br />

und in der Szene machen <strong>kann</strong>, hat das aber rein<br />

gar nichts mehr zu tun. Wenn der Jugendliche,<br />

von dem ich ganz am Anfang gesprochen habe,<br />

erst im Jahr 2009 mit dem Black Metal in Berührung<br />

kommt, dann wird er das nur noch als Fan<br />

tun. Denn man muß den Heavy Metal nicht mehr<br />

hassen, um den Black Metal lieben zu können. Als<br />

Black Metal-Fan <strong>kann</strong> man sich im Weltnetz und<br />

in den Musikzeitschriften mit hoher Auflage über<br />

seine Lieblingsbands problemlos informieren. Die<br />

Veröffentlichungen dieser Bands gibt es in jedem<br />

Supermarkt mit einer eigenen Musikabteilung zu<br />

erwerben. Konzerte dieser Bands finden regelmäßig<br />

statt, und dort <strong>kann</strong> man sich, biertrinkend<br />

und haareschüttelnd wie ein „true brother of Metal“,<br />

mit anderen Black Metal-Fans sozialiseren. Das<br />

ist der „Metal Way of Life“! Entgegen der Intention<br />

der Gründerväter - und im totalen Widerspruch<br />

zum einstigen Raison d‘être - ist der Black Metal im<br />

wahrsten Wortsinne „gesellschaftsfähig“ geworden.<br />

Von den Hetzkampagnen der sog. „Antifa“<br />

einmal abgesehen: Niemand in- und außerhalb<br />

der Metal-Szene ist noch ernsthaft besorgt um<br />

die Entwicklung des Black Metal. Der Gestank<br />

von Benzin und Blut ist verflogen, Black Metal ist<br />

jetzt eine typische Jugendkultur wie bspw. Gothic,<br />

Hardcore, Junghexen, Skateboarder, Veganer etc.<br />

pp., geworden ( - > www.jugendszenen.com).<br />

Wie es dazu kam, dass der Black Metal<br />

im Verlauf von 16 Jahren erfolgreich domestiziert<br />

und in die „Brotherhood of Metal“ integriert werden<br />

konnte? Der Versuch einer Beantwortung<br />

dieser Frage würde den Rahmen meiner Kolumne<br />

sprengen. Auf alle Fälle wird man sich die Biographien<br />

der maßgeblichen Protagonisten des damaligen<br />

Black Metal genau anschauen müssen, um<br />

den Paradigmenwechsel, der sich seitdem in der<br />

Szene vollzogen hat, wirklich begreifen zu können.<br />

Zum Beispiel die Biographie von Bård „Faust“<br />

Eithun, der – als Jugendlicher - im Jahr 1992 einen<br />

Schwulen ermordete. In späteren Interviews zeigt<br />

er sich reuelos und erklärt, er wird die negativen<br />

Werte des Black Metal immer leben wollen. Diese<br />

Dedikation stellt er auch mit den hasserfüllten,<br />

misanthropischen Texten zu dem kontroversen<br />

Projekt ZYKLON-B (involviert waren Mitglieder von<br />

EMPEROR und SATYRICON) unter Beweis. Doch<br />

nach seiner Haftentlassung, viele Jahre später, präsentiert<br />

Bård sich als berufstätiger Familienvater,<br />

der mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hat.<br />

„Ich habe den Hass und die Negativität hinter mir<br />

gelassen“, bekundet er in einem Interview.<br />

Black Metal entsteht immer auch aus<br />

einem symbiotischen Zusammenspiel zwischen<br />

der Selbstdarstellung der Bands und der Erwartungshaltung<br />

der Fans. Einst wollte eine B.M.-Band<br />

über den „Krieg gegen das Christentum“ nicht<br />

nur singen, sondern diesen Konflikt tatsächlich<br />

gewaltsam austragen. Von ihren Fans wurde dieser<br />

destruktive Aktivismus bejubelt und gefeiert.<br />

Aber heute will eine B.M.-Band einfach nur noch<br />

ihre Musik veröffentlichen, auf Konzerten spielen,<br />

und ansonsten den Teufel einen bösen Mann sein<br />

lassen. Die Fans begrüßen und teilen diese Einstellung.<br />

Es wird ihnen nicht in den Sinn kommen, die<br />

Musik und Texte des Black Metal ernster zu nehmen<br />

als die Bands es selber tun.<br />

Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger<br />

gelandet – ist dieses Bonmot auch für den Black<br />

Metal zutreffend? Blickt man heute nach Norwegen,<br />

wo der Black Metal mit einer Kulmination<br />

von Blood, Fire, Death begonnen hat, dann muss<br />

man diese Annahme zweifelsfrei bejahen. Dort hat<br />

man den Black Metal erfolgreich entzaubert. Der<br />

gegenwärtigen Generation junger Bands und Fans<br />

in der B.M.-Szene wird das vermutlich egal sein. Sie<br />

haben sich in ihrer Jugendkultur, betreut von Sozialpädagogen<br />

und angeleitet von „Metal-Brüdern“,<br />

ganz passabel eingerichtet. Man merkt ihnen an,<br />

dass keine irrationale Leidenschaft sie beseelt.<br />

Kein – jegliche Vernunft verzehrendes - Feuer<br />

brennt in ihren Herzen, und deshalb <strong>kann</strong> da auch<br />

gar kein Funke überspringen. Kein Weltbrand, nirgends.<br />

Vorschau auf die nächste <strong>Ausgabe</strong>:<br />

Interviews mit<br />

WOLVES IN THE THRONE ROOM<br />

SATANIC WARMASTER<br />

KARGVINT<br />

u.a.;<br />

Berichte zu Konzerten;<br />

Besprechungen von Musik,<br />

Filmen, Büchern;<br />

dazu ein Poster und eine Heft-CD.<br />

Erscheinungstermin auf<br />

www.ablaze-magazin.de

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