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Annals of the History and Philosophy of Biology

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Argumentations- und Vermittlungsstrategie in Müllers H<strong>and</strong>buch der Physiologie<br />

Damit interessieren dann die Spezifitäten und nicht die qua Analogie herzustellenden<br />

potentiellen Gemeinsamkeiten verschiedener organischer Organisationstypen. Während<br />

Oken in seiner zwischen 1833 und 1843 erschienen Naturgeschichte noch versucht, Tier<br />

und Pflanze als Variationen eines gemeinsamen Organisationsprinzips der Natur darzustellen,<br />

sind für Müller die Differenzen in der Organisation dieser Lebewesen interessant.<br />

52 Zeigen sie doch die verschiedenen Modifikationen in der Zuordnung der Reaktionsgrundelemente<br />

verschiedener Organismen auf. Müller <strong>the</strong>matisiert denn auch die<br />

differenten Integrationstypen tierischer und pflanzlicher Organisation, benennt – im<br />

Rückgriff auf die klassischen phänomenologischen Beschreibungen – Funktionstypen<br />

und Organsysteme und überführt so seine generellen Ausführungen in einen spezielleren<br />

Teil, der die physiologischen Gesetzmäßigkeiten in den entsprechenden Spezifikationen<br />

der differenten Reaktionsordnungen darzustellen sucht.<br />

Vorab steht dabei ein Kapitel, das ausgehend von diesem Verständnis der funktionellen<br />

Organisation organischer Systeme die Abgrenzung von Organik und Anorganik näher<br />

zu begreifen sucht: In diesem Kapitel beh<strong>and</strong>elt Müller die Elektrizität, die Produktion<br />

von Licht und die Wärmeerzeugung. 53<br />

Argumentationslinien<br />

Wie Müller hier argumentiert, wird in seiner Darstellung der Wärmeproduktion im Organismus<br />

deutlich: „Wir werden“, schreibt Müller, “jetzt zur Untersuchung der Ursachen<br />

der thierischen Wärmeerzeugung“ kommen. „Hier ist zuvörderst die Verschiedenheit der<br />

Temperatur in verschiedenen Theilen von Interesse... Nach der Hypo<strong>the</strong>se von Lavoisier<br />

und Laplace ... wird beim Athmen der Sauerst<strong>of</strong>f der Atmosphäre mit Kohlenst<strong>of</strong>f des<br />

Blutes verbunden“. 54 Er setzt also mit einem Vergleich an, identifiziert – ganz im Sinne<br />

der Funktionsmorphologie – die für den Prozess bedeutenden Organe und registriert an<br />

diesen eine für die Darstellung des interessierenden Prozesses bedeutende Eigenschaft.<br />

Diese interpretiert er dann in Bezug auf die seitens der Chemie erarbeiteten Vorstellungen<br />

über die Grundreaktionsformen der Moleküle. D. h. Atmung wird als ein biochemischer<br />

Prozeß begriffen, für den ein Organ wie die Lunge den geeigneten Reaktionsraum<br />

zur Verfügung stellt.<br />

Die Wärmeproduktion begreift er als Resultat eines in der Lunge zu verortenden<br />

Veratmungsprozesses. Wärme wird dann über die Blutkörperchen im Körper verteilt. Er<br />

beschreibt die unterschiedliche Wärmekapazität der Blutarten und gewinnt aus diesem<br />

Erklärungsschema nun Sekundärfolgerungen, die ihm sein Vorstellungsmodell weiter<br />

sichern: „... Aus dieser Ableitung der Wärme vom Athmen lässt sich erklären, warum der<br />

Embryo noch keine merkliche eigene Wärme besitzt.“ 55 Dabei reduziert er den von ihm<br />

studierten Prozess allerdings nicht einfach auf den – kompartimentiert begriffenen –<br />

52 Oken, Lorenz: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände. 6 Bde. Stuttgart 1833-1843.<br />

53 Müller (1844) 72.<br />

54 Müller (1844) 78f.<br />

55 Müller (1844). 81.<br />

<strong>Annals</strong> <strong>of</strong> <strong>the</strong> <strong>History</strong> <strong>and</strong> <strong>Philosophy</strong> <strong>of</strong> <strong>Biology</strong>, Vol. 10 (2005)<br />

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