SPORTaktiv Dezember 2018
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JOHANNES<br />
GOSCH<br />
ist Sportwissenschafter<br />
mit den Schwerpunkten<br />
Sportpsychologie und<br />
Bewegtes Lernen.<br />
www.active-life.at<br />
Ausgleich zur Monotonie<br />
Da sind wir schon mittendrin bei den<br />
positiven Effekten des „Retrorunnings“,<br />
wie die Sportart offiziell heißt. „Die perihpere<br />
Wahrnehmung verbessert sich“,<br />
sagt Gosch. Dazu bekommst du ein<br />
besseres Gefühl für deinen Körper, weil<br />
du aufmerksamer und achtsamer sein<br />
musst. „Durch den Rückwärtsschritt<br />
wird auch die Hüfte offener.“ Etwas, das<br />
der Schrittlänge beim Vorwärtslaufen<br />
ebenfalls sehr gut bekommt. Es werden<br />
andere Muskelgruppen beansprucht –<br />
ein optimaler Ausgleich zur Monotonie.<br />
Auch die Haltung verbessert sich. Und<br />
das hat nicht nur einen körperlichen<br />
Effekt. „Durch die Rückwärtsbewegung<br />
lehnst du dich automatisch mit dem<br />
Oberkörper ein wenig nach hinten“,<br />
sagt Gosch. „Dadurch ist der Oberkörper<br />
aufrechter, du läufst mit breiterer<br />
Brust und nicht nach vorne zusammengeklappt.“<br />
Das wiederum sorgt dafür,<br />
dass man sich besser fühlt. „Probier einmal,<br />
die Schultern nach vorne zu geben<br />
und den Kopf hängen zu lassen und sag<br />
dir, dass du dich super fühlst.“ Funktioniert<br />
nicht, wie Gosch aus seinen<br />
Seminaren weiß. Wenn wir uns gut fühlen,<br />
stark und selbstbewusst, gehen wir<br />
aufrecht und haben die sprichwörtlich<br />
breite Brust. Durch die Wechselwirkung<br />
können wir also mit der richtigen Haltung<br />
auch den Geist beeinflussen.<br />
Auch wenn er heute seine Rückwärts-Primetime<br />
hinter sich hat,<br />
empfiehlt Gosch es immer noch als<br />
Trainings-Alternative. „Auf langen<br />
Läufen immer wieder ein paar Meter<br />
IN MEINER<br />
BESTEN ZEIT<br />
HAB ICH<br />
RÜCKWÄRTS<br />
UNTERSCHRIEBEN.<br />
eingestreut ist das optimal.“ Mit<br />
mehr Übung darf es dann schon auch<br />
einmal ein Kilometer sein. Wie beim<br />
Gift gilt auch hier: Die Dosis macht’s.<br />
Übertreiben bringt also gar nichts.<br />
„Das hab ich zwischendurch aber<br />
getan“, gibt Gosch zu. Bei der WM<br />
2010 in Kapfenberg wollte er es allen<br />
zeigen. Der Sieg über 100 Meter sollte<br />
her. „Just im Finale ist mir dann aber<br />
kurz vor dem Ziel die Achillessehne<br />
gerissen.“<br />
In dieser Zeit hat er sich voll „seiner“<br />
Sportart verschrieben. Er hat den<br />
österreichischen Verband gegründet,<br />
ist die 100 Meter in 17 Sekunden<br />
(!) gelaufen. Wem das langsam vorkommt,<br />
der möge das einmal vorwärts<br />
probieren. Ja, sogar unterschrieben<br />
hat er rückwärts. Also Sennahoj und<br />
nicht Johannes. „Das hat auf der Post<br />
das eine oder andere Mal für Probleme<br />
gesorgt. Da musste ich dann immer<br />
meinen Ausweis herzeigen, wenn ich<br />
ein Paket abgeholt hab, weil als Adressat<br />
ja Johannes und nicht Sennahoj<br />
gestanden ist“, sagt er und lacht.<br />
Fotos: Thomas Polzer, Sporterziehertag 2017 Ph Stmk/Martin Grössler<br />
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