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Beobachtungen entlang der Weinroute im Norden Griechenlands: Im Einzugsbereich der zweitgrössten Stadt Thessaloniki entstand in den letzten Jahren eine dynamische Winzerszene, deren Angehörige sich verstärkt auf autochthone Rebsorten konzentriert haben. Gepaart sind diese Anstrengungen mit dem rebbaulichen und önologischen Know-How, das sich die Vertreter der neuen Generation in Westeuropa und Übersee holten. Sie haben in wenigen Jahren die Weinwelt in Hellas revolutioniert, aber zugleich Brücken zum grossartigen Erbe der Wiege des europäischen Weinbaus geschlagen. Im Zusammenspiel von Tradition und Moderne wollen sie mit Qualitätsprodukten neue Absatzmärkte gewinnen. 58 Panorama Eroberung der Welt mit Weinen aus autochthonen Sorten Reportage von Thomas Veser (Text und Aufnahmen) Stelios Kechri und seine Tochter Elleni im Weinkeller seines Gutes bei Kalochori. Noch herrscht auf dem Weingut Kechris das Patriarchat. Sein Vertreter heisst Stelios Kechri, er bewirtschaftet eine Rebfläche von fünf Hektaren in Kalochori, nahe der makedonischen Hauptstadt Thessaloniki. Von weiteren 45 Hektaren kauft Kechris jährlich die Ernten an und verarbeitet sie bei sich. Der Winzerberuf hat Tradition in der Familie, vor genau einem Jahrhundert legte Grossvater Evangelos die Grundlagen, indem er in den Vereinigten Staaten Flaschen kaufte, um erstmals Wein abzufüllen. In den 1930er Jahren eröffneten die Kechris in Thessaloniki, Griechenlands zweitgrösster Stadt, eine Taverne. Den dort kredenzten einfachen Rebensaft produzierte man aus Most, der in Fässern von der Insel Santorini herbeitransportier wurde. Radikaler Wandel des Weinbaus Kam dem Weinbau in Griechenland lange Zeit keine tragende Rolle zu, rückt der Sektor seit den 1970er Jahren stärker ins Rampenlicht. Der Weinbau ist hier in den vergangenen vier Jahrzehnten einem beispiellosen radikalen Wandel unterworfen. Jene anspruchslosen, simplen Weine, welche griechische Tavernen ihren Gästen oftmals in der Schweiz und in Deutschland zumuteten (und leider da und dort bis heute anbieten), vermitteln längst schon kein realistisches Bild mehr von der Leistungsfähigkeit der neuen griechischen Winzer-Generation und der verbesserten Qualität ihrer Produkte. Ami du Vin 4/11
Französische Lehrmeister In das Jahr 1954 fiel die Gründung des Winzerbetriebs «Afoi Kechri» (Gebrüder Kechri). Drei Jahrzehnte später erbte Stelios das Weingut und baute es unter seinem Namen aus. Sein perfektes Französisch verdankt sich dem Umstand, dass er das Winzerhandwerk in Frankreich erlernt hat. Seine Begeisterung hat sich auch auf die drei Töchter übertragen. Während Elleni sich nach einem Chemieingenieur-Studium in Bordeaux zur Önologin ausbilden liess, kümmert sich die Kunstgraphikerin Maria um die Etikettengestaltung. Gemeinsam mit der Betriebswirtschaftlerin Zoi arbeitet sie heute in der Geschäftsführung mit. Tradition neu interpretiert Dass die Kechris an alten Traditionen festhalten, aber auch neue Wege einschlagen wollen, beweisen nicht zuletzt ihre graphisch auffällig und eher unkonventionell gestalteten Etikette mit Namen wie Syllogi, Proteios und «Fourth Dimension». Sein mehrfach preisgekrönter Kechribari Retsina entsteht aus Trauben der Rebsorten Roditis und Savatiano. Ein guter Retsina als Aperitif-Wein: Stelios Kechris gibt sich sogleich als bedingungsloser Anhänger dieser griechischen Spezialität zu erkennen. «Retsina wird heutzutage nicht mit Qualität verbunden, seine Herstellung gehört dennoch zu Rund 200 autochthone Sorten Ami du Vin 4/11 Panorama den wichtiges Traditionen und ausserdem gibt es ihn nur in Griechenland», bekräftigt Kechri. Einheimische Winzer müssten ihre qualitativen Ansprüche bei der Retsina-Produktion deutlich erhöhen, «dann würde er auch im Ausland auf eine grössere Akzeptanz stossen», versichert er. Von seinem Steckenpferd einmal abgesehen, keltert Kechri vor allem Rotweine aus den Rebsorten Xinomavro und Negoska sowie Cinsault, in Griechenland unter dem Namen Senzo bekannt, sowie Weisse der Sorten Roditis, Zoumiatis, Savatiano und Sauvignon Blanc. Wie viele griechische Winzer, die zunehmend Wert auf moderne und international akzeptierte Produkte setzen, Als eine der Wiegen des antiken Weinanbaus kann Griechenland europaweit unangefochten die längste Winzertradition ausweisen und verfügt über bemerkenswert viele autochthone Rebsorten. Den Ruf als Heimat einer grossen Zahl ureigener Gewächse genoss Griechenland schon zu Zeiten des Kaisers Augustus, als Hellas zum römischen Imperium zählte. «Es wäre leichter, in Griechenland die Sandkörner zu zählen als die verschiedenen Rebsorten», meinte der Dichter Vergil. Das war natürlich bereits damals masslos übertrieben. Aber mit rund 200 autochthonen Sorten belegt das 11 Millionen Einwohner zählende Land auf jeden Fall in dieser «Disziplin» unter den Weinbauländern einen Spitzenplatz – auch wenn heute nur 42 weisse und 43 rote Sorten offiziell zum Anbau freigegeben sind. Zu den bekanntesten Gewächsen zählen in der Kategorie Rotwein der Agiorgitiko, dessen beachtlichste Resultate die Weinbauregion Nemea am Peloponnes vorweisen kann, der Xinomavro als rote Leitsorte Nordgriechenlands sowie der nach der Insel Limnos benannte Limnio, dem besonders körperreiche Weine zu verdanken sind. In der Gruppe der Weissweine heben sich die spät reifende Sorte Roditis, der durch eine rassige Säurestruktur auffallende Assyrtiko sowie die landesweit auf etwa 15 Prozent der Gesamtrebfläche am häufigsten angebaute Rebsorte Savatiano hervor. Einen Anteil von etwa zehn Prozent an der Jahresproduktion hält der Retsina, ein weisser und trockener Weisswein mit Harzzusätzen. Anestis Babatzimopoulos zählt in Griechenland zu den Wegbereitern des biologischen Weinanbaus, mit dem er in den 1970er Jahren auf einer Versuchsfläche begann. will auch Stelios Kechris den noch verhältnismässig bescheidenen Exportanteil steigern. Griechische Postkartenidylle Ebenfalls im Einzugsbereich von Thessaloniki liegt das populäre Ausflugsziel Ossa in einer arkadisch anmutenden Hügellandschaft, die wie eine griechische Postkartenidylle wirkt. Dort erstreckt sich das landwirtschaftliche Gut von Anestis Babatzimopoulos, der auf 5,5 Hektaren Weintrauben anbaut. Weil in der Gegend zu wenig Regen fällt, muss er seine Kulturen bewässern. – Inzwischen über 70 Jahre alt, entstammt er einer alt eingesessenen griechischen Familie, die 1876 in Istanbul einen Wein- und Brennereibetrieb gegründet hatte und in den 1930er Jahren nach Makedonien umsiedelte. Bio-Pionier Anestis Babatzimopoulos zählt zu den Wegbereitern des biologischen Weinanbaus in Griechenland. Schon 1971 legte er an den Hängen des Vertiscos eine kleine Versuchsfläche für den organischen Anbau von Trauben an. Seine Produkte fanden Anklang, und so stellte er den gesamten Weinanbau nach und auf Weine nach biologisch-organischen Kriterien um. Heute produziert der jugendlich frisch wirkende Besitzer, der seine Gäste stets persönlich bewirtet, weisse 59
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