Literatur machen

Timo Weltner
Der inhaltslose Text
Was soll ich schreiben
Wenn ich nichts habe?
Wie soll ich kreativ sein
Wenn es nicht geht?
Warum soll ich denken
Wenn ich nicht will?
Das ist ein Schüler.
Hast du geschrieben
Auch wenn du nichts hattest?
Warst du kreativ
Obwohl du nicht konntest?
Und hast du gedacht
Trotzgleich du nicht wolltest?
Das ist ein guter Schüler
Wir alle haben geschrieben
Und hatten doch nichts!
Wir waren kreativ
Doch eigentlich ging nichts!
Und wir haben gedacht
Auch wenn es nicht ging!
Das ist Unterricht.
06
18
Axel Lenz
Das wahre „Ich“
Zeigt sich im Licht der flimmernden Flamme
das Unbekannte, Große, Bange
nicht denkbar, nicht fassbar, wenn es ergreift,
was Führung, was Leben heißt.
Doch es ist da, nicht nur ich weiß,
wie es sich anfühlt: der kalte Schweiß,
das Blut gerinnt; wage nicht zu denken,
was wäre, wenn, wie soll ich’s lenken,
das wahre, das einzige, das wirkliche Ich!
Angst steigt auf, doch ich erinnere mich,
was ich tat vor langer Zeit:
ich vermachte der Einigkeit
mein Leben, gab es in ihre Hand,
mit diesem Pakt hab ich anerkannt,
dass ich liebe und hoffe: wir werden leben,
Liebe und Hoffnung weitergeben.
Stefan Zinser
Forengespräche
Wenn Bedürfnisse einer Gemeinschaft entstehen
Kommunikation über praktischere Wege zu gehen
Wissen noch nicht erschlossen ist oder reifgegoren
Finden sich Plätze wie Internetbenutzerforen.
So pflegt auch der gemeine Softwareingenieur
Egal ob Kind, ob Rentner, Profi oder Amateur
Seinen Beitrag auf Massenspeicher zu hetzen
In hierarchisch angelegten Datennetzen.
Überzeugt durch Rhetorik und Quantität
Mutiert mancher Entwickler aus seiner Anonymität
Zur Sammelstelle unfehlbarer Informationen
Ein Pseudonym, bewundert von Millionen.
Beflügelt durch stetiges Respektgezolle
Verabscheut er andernorts seine Nebenrolle
Will in verwandten Bereichen genauso dominieren
Und die Beachtung aller auf sich konzentrieren
Informiert sich über EXTx, FAT, ReiserFS,
PM, Disk, IO, Interconnection und Memory Access
Findet keine Zeit, seine Quellen zu verifizieren
Macht Fehler beim Datenblätter Interpretieren
Auch wenn das ein oder andere nicht stimmen mag –
Hauptsache, man hat mal wieder was gesagt!
Denn niemand wird seinem unfehlbaren Wesen
Auch nur ansatzweise wagen, die Leviten zu lesen.
Legitimiert das die Verbreitung seiner Illusionen?
Behauptet sogar, VB arbeite mit Pseudoinstruktionen
Besitzt nicht einmal das passende Betriebssystem
Verwendet Formulierungen – keiner kann sie verstehn.
Wie war das? Daten werden interpretiert? –
Mit leichtem Grinsen wird der Debugger konsultiert
RunTrace öffnen, Anwendung laden, Adressraum setzen:
Ich werd ihn von einer Ausrede zur nächsten hetzen
Damit seine ganze Welt zusammenbricht
Heiß steig’ ihm die Schamesröte ins Gesicht
So sag ich ihm ganz ungeniert:
Mein Lieber, der Großteil wird ausgeführt!
Man glaubt es kaum: er versucht, es zu widerlegen
Behauptet felsenfest dagegen
Dass das, was ich ihm als Beleg vorgeb
Während der Laufzeit des Programms entsteht.
Als ich ihn nach Beweisen frag
Antwortet er erst nach einem Tag
Die Diskussion würde sich im Kreis bewegen
Und er wolle nicht sinnlose Gespräche pflegen.
Bei Hinweisen auf sein eigenes Versagen
Kann er keine Kritik vertragen
Spielt sich auf. Keine vernünftige Konversation
Gibt Inhalte wieder in arrogantem Ton.
Zwecklos ihn von Besserem zu überzeugen
Er will sich nicht der Wahrheit beugen
Lässt sie zur Lüge, in den Schein entgleisen:
„Non Sequitur in sämtlichen Beweisen.“
06
19